Asyl:So reagieren Bayerns Bezirke darauf, dass weniger Flüchtlige ankommen

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Turnhallen werden geräumt, Unterkünfte stehen leer. Und die Staatsregierung will die Verteilung künftig anders regeln.

Die bayerische Staatsregierung will Asylbewerber in Zukunft verstärkt in größeren Gemeinschaftunterkünften unterbringen und dabei möglichst auf mietfreie Gebäude des Bundes wie leere Kasernen zurückgreifen. Die bisherigen Plätze in kleineren Einrichtungen und einzelnen Wohnungen sollten nach und nach organisatorisch zu Gemeinschaftsunterkünften zusammengefasst werden oder als Wohnraum für anerkannte Asylbewerber dienen, kündigte Sozialministerin Emilia Müller nach der Kabinettssitzung am Dienstag an.

Damit entlaste die Staatsregierung die Kommunen, da Gemeinschaftsunterkünfte mit mehr als 74 Plätzen nicht von den Landkreisen und Städten, sondern von den Bezirksregierungen betrieben werden, erklärte Müller, nachdem der Ministerrat am Dienstag ihre zwei Wochen zuvor erstmals unterbreiteten Vorschläge beschlossen hatte.

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Allerdings haben sich viele Kreise und Gemeinden bisher nur notgedrungen größere Quartiere geschaffen und sich daneben nach Kräften um dezentrale Unterkünfte bemüht, um keine sozialen Brennpunkte zu schaffen und Flüchtlinge besser integrieren zu können. Auch SPD und Grüne haben die Pläne der Regierung bereits als Rückschritt für die Integration kritisiert.

Zudem müssen alle Asylbewerber in Bayern laut Kabinettsbeschluss künftig länger in den Erstaufnahmen bleiben - nach Müllers Angaben für maximal sechs Monate.

Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern müssen demnach sogar bis zum Ende ihres Verfahrens in solchen Einrichtungen leben. Mit ihren beiden Balkanzentren in Bamberg sowie in Manching und Ingolstadt zeigte sich die Staatsregierung zufrieden. Weil jedoch zuletzt kaum mehr Flüchtlinge vom Westbalkan ins Land kamen und in den beiden Zentren viele Hundert Plätze leer stehen, sollen diese nun in "besondere Aufnahmeeinrichtungen" mit beschleunigten Verfahren und der Möglichkeit einer baldigen Abschiebung umgewidmet werden. Für Manching ist geplant, dort zunächst vor allem Ukrainer mit geringer Bleibeperspektive unterzubringen.

Staatskanzleichef Marcel Huber sagte nach der Kabinettssitzung, es müsse jetzt eine Umsteuerung bei der Unterbringung der Menschen erfolgen. Als täglich Tausende Flüchtlinge in Bayern ankamen, hätten die Verwaltungen "alles getan, um irgendwo Wohnraum herzukriegen". Nun müsse man wieder weg von teuren Lösungen und hin zu günstigen Quartieren. Dieses Umschalten habe "eine gewisse Unruhe in den Kommunen verursacht", sagte Huber.

Ein Sonderstab des Sozialministeriums unter Leitung von Staatssekretär Johannes Hintersberger soll sich nun dieser "nicht ganz einfachen" Aufgabe annehmen - also die Unterbringung möglichst kostengünstig zu gestalten und vorhandene Unterkünfte umzuwidmen. Die Bezirke haben schon Ende März alle weiteren kommunalen Planungen für neue Flüchtlingsunterkünfte auf Eis gelegt - ein Überblick:

Oberbayern

Die Traglufthalle südlich von Holzkirchen steht erst seit wenigen Wochen. Mit ihren 2600 Quadratmetern ist sie als Unterkunft für 320 Flüchtlinge ausgelegt, doch erst vor einigen Tagen sind die ersten 38 Menschen eingezogen. Sie kommen aus einer anderen Unterkunft im Landkreis Miesbach, denn die Bezirksregierung weist ihren Kreisen schon seit Wochen keine Flüchtlinge mehr zu.

Derzeit überprüft sie alle begonnen Projekte einzeln auf ihre Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - und auf die Möglichkeit, sie wieder aufzugeben, ohne dabei feste Zusagen oder gar Verträge brechen zu müssen. Als erstes würden möglichst Pläne für weniger wünschenswerte Unterkünfte wie in Gewerbegebäuden oder Traglufthallen aufgegeben.

Im Miesbacher Landratsamt, das die Holzkirchner Traglufthalle gerade erst für ein Jahr plus Option auf Verlängerung gemietet hat, interpretiert man das als Vollbremsung, die angesichts der vielen Flüchtlinge, die noch immer nach Deutschland wollen und sich nun wohl andere Wege als die geschlossene Balkanroute suchen werden, etwas zu heftig ausfalle.

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Zudem bestrafe der Ausbaustopp nun gerade diejenigen Gemeinden, die sich der gemeinsamen Aufgabe der Flüchtlingsunterbringung früh und bereitwillig gestellt hätten. Auch im Nachbarlandkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, der bisher mit großem Erfolg dezentrale Lösungen geschaffen hat, ist man froh um jede Verschnaufpause, warnt aber vor einem Stopp aller weiteren Planungen. Wer jetzt das Vertrauen von privaten Vermietern und auch von möglichen Investoren aufs Spiel setze, werde es künftig noch viel schwerer haben, geeignete Immobilen zu finden, heißt es aus dem Tölzer Landratsamt.

Erste Beschwerden und besorgte Anfragen habe es bereits gegeben, und irgendwer werde dann die Verantwortung übernehmen müssen, wenn plötzlich wieder Plätze gebraucht würden.

Oberpfalz

"Es tut uns gut", sagt Tanja Schweiger, dass inzwischen weniger Flüchtlinge ankommen. Über Monate hinweg waren die Regensburger Landrätin (Freie Wähler) und ihre Mitarbeiter damit beschäftigt, neue Unterkünfte zu suchen und die Asylbewerber so zu verteilen, dass Konflikte in den Unterkünften möglichst vermieden werden.

Nun, sagt Schweiger, "mieten wir nichts Neues mehr an", man richte den Fokus dafür stärker auf die Integration und die Qualität der Unterbringung. Ihre Mitarbeiter haben nun mehr Zeit, "zu den Unterkünften zu fahren und mit Vermietern und Ehrenamtlichen zu reden, ob alles läuft". Derweil hat die Regierung der Oberpfalz die Verschnaufpause bereits genutzt, um sämtliche Turnhallen, in denen Flüchtlinge untergebracht waren, wieder freizumachen.

Außerdem, sagt ein Regierungssprecher, habe man weitere Notunterkünfte abgebaut, zum Beispiel die frühere Bundeswehrkaserne in Cham. Dagegen können Mietverträge mit privaten Immobilienbesitzern nicht einfach gekündigt werden - auch wenn manche Unterkunft noch im Bau ist und vorläufig leer bleiben wird. "Man hat das zu einer Zeit beauftragt, als die Flüchtlingszahlen noch anders ausgeschaut haben", sagt der Regierungssprecher, "aber an Verträge, die wir geschlossen haben, sind wir gebunden".

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Niederbayern

Die Mitarbeiter der Regierung von Niederbayern konzentrieren sich nach deren Angaben im Moment auf die Integration und Versorgung der Asylbewerber und bereiten sich zugleich auf einen eventuellen neuerlichen Anstieg der Flüchtlingszahlen vor. Die staatlichen Gemeinschaftsunterkünfte in Niederbayern seien nach wie vor nahezu voll belegt, zwei neue in Stephansposching und in Osterhofen aber noch nicht in Betrieb. Es würden auch weiterhin Gemeinschaftsunterkünfte benötigt und deswegen auch weiter geplant und gebaut, heißt es aus Landshut.

Oberfranken

Sechs Busse mit Flüchtlingen aus Passau oder München sind eine Zeitlang jeden Tag in Oberfranken angekommen, jetzt kommt kaum noch einer. Deswegen werden seit zwei Wochen auch keine Asylbewerber mehr an die Kommunen verteilt. Die paar, die noch ankommen, werden in der Erstaufnahmeeinrichtung in Bayreuth untergebracht. Vier Turnhallen sind schon wieder zurückgegeben worden, sagt ein Sprecher der Regierung von Oberfranken, die restlichen acht Notunterkünfte stehen leer. Im Landkreis Forchheim schnauft man nun durch, weil erst einmal niemand mehr untergebracht werden muss.

1039 Asylbewerber wohnen zurzeit in dezentralen Unterkünften und die sollen auch bestehen bleiben, sagt ein Sprecher. "Wir mieten auch noch an", sagt er, allerdings würden weniger geeignete Immobilien nun aussortiert. An der dezentralen Unterbringung will der Landkreis festhalten, anders sei das auf dem Land gar nicht vertretbar, sagt der Sprecher.

Unklar ist noch, wer künftig im bisherigen Bamberger Balkanzentrum wohnen soll, die zur "besonderen Aufnahmeeinrichtung" wird. 793 Menschen lebten dort am Dienstag, Platz ist für 1500 und am Ende des Jahres für 4500. Hier soll auch ein Aufnahmezentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge entstehen, in dem Asylverfahren schneller als bisher erledigt werden sollen.

Schwaben

Die Unterkunftslage in Schwaben ist entspannt, von 2800 Erstaufnahme-Plätzen sind derzeit 360 belegt. Die Donauwörther Alfred-Delp-Kaserne wurde kurzfristig zu einer Erstaufnahme-Einrichtung für 1000 Menschen umgebaut, derzeit leben dort nur 300 bis 500 Flüchtlinge.

Dennoch ist Landrat Stefan Rößle alles andere als begeistert. Denn die Menschen leben in der Kaserne schon bisher bis zu sechs Monate lang - anstatt der ursprünglich geplanten wenigen Tage. Das hat teure Folgen für den Landkreis Donau-Ries. Erstens werden die Kinder nach drei Monaten automatisch schulpflichtig. Zweitens wohnen dort inzwischen etliche Flüchtlinge, deren Asylanträge bereits anerkannt wurden.

Rößle fürchtet nun, dass diese Menschen in Wohnungen umziehen und dann zu Hartz IV-Fällen werden. "Damit müssen die Kommunen zahlen und nicht mehr der Bund", sagt Rößle. Demnächst wird es ein Treffen mit der Regierung von Schwaben geben, um das Problem zu lösen.

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Mittelfranken

Das frühere Fürther Möbelhaus Höffner hat es im Herbst zu einiger Berühmtheit gebracht. Durchaus aber zu zweifelhafter: In dem Haus sollten zur Not ursprünglich 300 Flüchtlinge untergebracht werden, plötzlich waren es 500. Und in den schlimmsten Zeiten brachte die Regierung von Mittelfranken dort bis zu 1000 Menschen unter. Michaela Vogelreuther, Leiterin des Sozialamts in Fürth, fand die Zustände dort mitunter ziemlich fragwürdig, schon allein des Lärms wegen.

Momentan leben dort nur noch 180 Menschen, eine Verschnaufpause für alle Beteiligten. Auch für die Stadt: "Wir wurden, man muss das so sagen, erheblich unter Druck gesetzt von der Regierung", sagt Vogelreuther. Das wohl auch deswegen, weil es von Fürth aus nicht weit ist zur Zentralen Aufnahmeeinrichtung in Zirndorf. Dass es auf absehbare Zeit erneut so weit kommt, glaubt sie nicht. Einen Puffer aber will sie erhalten wissen, damit es nicht mehr zu solchen Zuständen kommt, um die sich dann die Stadt kümmern muss.

Fürth versucht derweil, alle noch nicht fixen Bauprojekte für die dezentrale Unterbringung auf Eis zu legen. Dort aber, wo Bauanträge bereits im Gang und Verträge unterschrieben sind, soll auch gebaut werden.

Unterfranken

Dass der Ausbau der großen Aufnahmeeinrichtungen in Schweinfurt gestoppt wird, glaubt Johannes Hardenacke nicht. Jedenfalls gebe es keine Pläne dafür, sagt der Sprecher der Regierung von Unterfranken. In Schweinfurt-Stadt sollen einmal 3100 Flüchtlinge unterkommen, in Schweinfurt-Land 2600. In Unterfranken kamen am Montag gerade mal vier neue Flüchtlinge an, einen Bedarf für solche Riesenlager gibt es also aktuell nicht.

Und trotzdem gebe es keine Anzeichen dafür, dass sich an den Plänen etwas ändert. Immerhin fallen für diese Lager - ehemals US-Kasernen, jetzt Liegenschaften des Bundes - keine Mietkosten an. "Wir haben da aber keinen Druck, also auch keinen Anlass, etwaige Änderungen übers Knie zu brechen", sagt Hardenacke. Momentan plane man vielmehr, die dezentralen Unterkünfte sukzessive abzubauen. In Turnhallen müssen Asylbewerber in Unterfranken schon seit einigen Wochen nicht mehr leben.

© SZ vom 27.04.2016 / gla, kaa, kpf, prz, stma, wiw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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