Flüchtlingspolitik:Merkel lässt Seehofer abblitzen

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Seehofer ist über das Schreiben enttäuscht, denn die Kanzlerin kommt ihm in keinem relevanten Punkt entgegen (Bild vom 14. April 2016). (Foto: Getty Images)
  • Horst Seehofer hat der Kanzlerin im Januar schriftlich mit einer Verfassungsklage gedroht, falls sie ihre Flüchtlingspolitik nicht ändert.
  • Merkel hat den Ministerpräsidenten drei Monate lang auf eine Antwort warten lassen, jetzt ist sie da.
  • In ihrem Brief erklärt die Kanzlerin, warum sie Seehofers Vorwürfe für unbegründet hält.

Von Robert Roßmann, Berlin

Mit drei Monaten Verzögerung hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) jetzt auf die Drohung des bayerischen Ministerpräsidenten mit einer Verfassungsklage reagiert. Das Kanzleramt wollte den Wortlaut des Schreibens an Horst Seehofer (CSU) nicht bekannt machen. "Da möchte die Bundesregierung das Briefgeheimnis wahren", sagte Merkels Vize-Regierungssprecherin. Auch die bayerische Staatsregierung machte keine Angaben zum genauen Inhalt. Die Süddeutsche Zeitung konnte jedoch Kenntnis vom Inhalt des Schreiben nehmen.

Seehofer hatte Ende Januar in einem Brief an Merkel drastische Änderungen in ihrer Flüchtlingspolitik verlangt. Nach Informationen der SZ schreibt Merkel jetzt in ihrem Antwortbrief, dass das Kanzleramt sowie die zuständigen Bundesministerien die Darlegungen Seehofers einer eingehenden Prüfung unterzogen hätten. Das Ergebnis sei jedoch, dass die Bundesregierung weder den Vorwurf, der Bund habe im Zusammenhang mit seiner Flüchtlingspolitik rechtliche Bindungen missachtet, noch den Vorwurf, der Bund habe keine Schritte zur Reduzierung der Flüchtlingszahl unternommen, für begründet erachte.

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Merkel schreibt, die Bundesregierung verfolge das Ziel einer nachhaltigen Lösung der Flüchtlingskrise. Das bedeute, dass die Zahl der in die EU kommenden Flüchtlinge reduziert werden müsse, Europa aber zugleich auch seinen humanitären Verpflichtungen gerecht werden müsse. Dazu seien auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene Schritte in erheblichem Umfang unternommen worden.

Merkel verweist dabei auf die bessere Bekämpfung von Fluchtursachen außerhalb Europas, etwa durch die Konferenz von London Anfang Februar. Außerdem erwähnt sie die Vereinbarung der EU mit der Türkei. Dadurch würde den Schleusern in der Ägäis die Geschäftsgrundlage entzogen und die illegale Migration aus der Türkei nach Europa deutlich reduziert.

Merkel lobt Umsicht und Entschlossenheit Bayerns im Umgang mit Flüchtlingen

Außerdem erwähnt Merkel die Bemühungen der Bundesregierung um Neuordnungen im europäischen Recht, vor allem bei der Asylzuständigkeitsordnung (Dublin III-Verordnung). Ziel sei es, dass Europa zu einer einheitlichen und entschlossenen Antwort auf die Flüchtlingskrise findet. Auf der nationalen Ebene habe man Fehlanreize beseitigt, Verfahren verschlankt und erhebliche Mittel im Etat bereitgestellt, um die Handlungsfähigkeit der Bundesebene, der Landes- und der Kommunalebene zu sichern, schreibt Merkel. Auch die Bundesverwaltung unterstütze Länder und Kommunen, etwa bei der Registrierung der Flüchtlinge.

Dann geht die Kanzlerin auf die rechtlichen Vorwürfe Seehofers ein, allerdings nur in sehr allgemeiner Weise. Merkel schreibt, hinsichtlich der Frage, welche Instrumente in welcher Reihenfolge am besten geeignet seien, um die flüchtlingspolitischen Ziele zu erreichen, würden das EU-Recht und das nationale Recht politische Handlungsspielräume eröffnen. Die Bundesregierung sei von Rechts wegen nicht auf den Einsatz bestimmter Instrumente beschränkt.

Am Ende des dreiseitigen Briefes lobt Merkel die Umsicht und die Entschlossenheit, mit der der Freistaat Bayern auf die große Zahl an Flüchtlingen in den vergangenen Monaten reagiert habe. Sie schließt ihr Schreiben an Seehofer mit dem Hinweis, der Bundesregierung sei auch weiterhin an einem engen Austausch gelegen.

Seehofer ist über das Schreiben enttäuscht, denn die Kanzlerin kommt ihm in keinem relevanten Punkt entgegen. Entsprechend distanziert reagierte der CSU-Chef am Montag. Er sagte, er habe den Brief "noch nicht gelesen", das werde er erst "im Laufe der Tage tun". Seine Beamten würden das Schreiben aber bereits auswerten. Von denen höre er, dass zu seinen "zentralen Argumenten" in dem Antwortbrief Merkels "relativ wenig gesagt wird". Der Ministerpräsident erklärte, es sei "nicht so, dass bei uns besondere Hektik ausbricht, wenn aus dem Bundeskanzleramt ein Brief eingeht". Bayern mache "das in aller Ruhe", das Kanzleramt habe sich ja auch viele Wochen Zeit genommen, um seinen Antwortbrief zu schreiben.

Die Staatsregierung werde jetzt "die Dinge besprechen und dann überlegen, was wir tun", sagte Seehofer. Die Klageandrohung werde aber "natürlich aufrechterhalten".

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Der bayerische Ministerpräsident hatte am 26. Januar an die Kanzlerin geschrieben. Bereits in der Betreff-Zeile machte er damals klar, um was es ihm geht: "Forderungen der Bayer. Staatsregierung zur Begrenzung des Flüchtlingszustroms." Am Ende des sechs Seiten langen Briefes drohte Seehofer: "Sollten diese dringend notwendigen Maßnahmen zur Begrenzung des Flüchtlingszustroms nicht unverzüglich ergriffen werden, behält sich Bayern eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht vor." Um seine Drohung zu unterstreichen, legte er dem Brief ein Gutachten des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Udo Di Fabio bei.

Seehofer hatte in seinem Brief an Merkel unter anderem eine schnelle und wirksame Sicherung der EU-Außengrenzen - und bis dahin effektive eigene Grenzkontrollen an den deutschen Grenzübergängen verlangt. Doch Merkel reagierte nicht "unverzüglich", bis jetzt hatte Seehofer noch nicht einmal ein Antwortschreiben bekommen. Stattdessen setzte Merkel ihren Kurs fort. Inzwischen ist die Zahl der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge drastisch gesunken. Statt zeitweise mehr als 10 000 Flüchtlingen täglich kommen an manchen Tagen nicht einmal mehr hundert.

Merkel hat nach Ansicht der bayerischen Staatsregierung absichtlich gewartet

In der bayerischen Staatsregierung ist man der Ansicht, dass Merkel mit ihrer Antwort absichtlich so lange gewartet habe, bis die Flüchtlingszahlen niedrig und die bayerischen Forderungen deshalb leichter zurückweisbar seien. Auch aus diesem Grund will man sich in München jetzt mit einer Reaktion Zeit lassen. Falls die Flüchtlingszahlen wieder steigen, etwa wegen besseren Wetters am Mittelmeer, würden auch die Forderungen der CSU wieder stärkeres Gehör finden, heißt es.

Unabhängig davon sind für Seehofer aber auch die AfD-Erfolge bei den jüngsten drei Landtwagswahlen und vor allem der Erfolg des FPÖ-Kandidaten bei der ersten Runde der österreichischen Präsidentschaftswahl ein Beleg dafür, dass eine härtere Flüchtlingspolitik und striktere Kontrollen an den Grenzen nötig seien.

In der CDU-Spitze wird das Ergebnis in Österreich dagegen eher als eine Bestätigung für den Kurs Merkels gedeutet. Schließlich hätte die große Koalition in Wien genau den Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik vollzogen, den die CSU von Merkel verlange. Das Resultat sei, dass die Kandidaten von ÖVP und SPÖ nur noch gut zehn Prozent der Stimmen bekommen hätten, der FPÖ-Kandidat aber auf Platz eins gelandet sei.

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