Prozess um Angelo Kelly:Ist das Kinderarbeit oder Kunst?

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Bei einem Auftritt auf Schloss Eyrichshof ließ Angelo Kelly seinen vierjährigen Sohn auf der Kindergitarre mitklimpern - nach 20 Uhr. Deswegen muss sich der Musiker in Haßfurt vor Gericht verantworten.

Von Olaf Przybilla, Haßfurt

Zu seiner Entschuldigung muss man sagen: Angelo Kelly kennt es halt nicht anders. Als Bub schon übernahm er Einlagen bei Straßenkonzerten und als die Kelly Family Mitte der Neunzigerjahre mit dem Song An Angel ganze Hallen zum Schluchzen nötigte, da galt der blonde Engel juristisch gesehen auch erst als Heranwachsender. Kinderarbeit? Lächerlich.

Aber gut, so einfach ist es eben manchmal nicht. Jedenfalls muss sich der Künstler Kelly derzeit zum einen auf einer Bühne verantworten, die nicht notwendigerweise zu den glamourösen der Republik gerechnet werden muss: das Amtsgericht im fränkischen Haßfurt. Und zum anderen geht's dort im Kern tatsächlich um den Tatvorwurf der Kinderarbeit. Jenen zitiert man am besten aus den Gerichtsunterlagen: "Im Rahmen der Irish Summer-Tour 2019 auf Schloss Eyrichshof bei Ebern" soll Angelo Kelly demzufolge seinen "damals vierjährigen Sohn William Kelly unzulässig im Zeitraum von 20 Uhr bis zirka 20.20 Uhr auf der Bühne beschäftigt" haben.

Das aber hätte er so nicht gedurft. Findet jedenfalls die Gewerbeaufsicht der Regierung von Unterfranken, in deren Beritt sich das ansehnliche Schloss Eyrichshof befindet. Es setzte ein Bußgeld in Höhe von 5000 Euro fest. Was wiederum der Künstler offenbar als unfreundlichen Akt empfand und Einspruch erhoben hat. Wenn das aber so ist, so kommt es in deutschen Gerichten zu einem Vorgang mit dem schönen Namen "Ordnungswidrigkeitenverfahren". Der Künstler muss nicht anwesend sein. Nicht mal die Staatsanwaltschaft hat persönlich zu erscheinen. Ein ordentlicher Amtsrichter aber leitet die Verhandlung.

Der Auftritt von Klein-William habe dem Publikum "Tränen in die Augen" getrieben

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Der Musiker Angelo Kelly im Interview ohne Worte über Liebesbriefe, seine elf Geschwister, verrückte Fans in den Neunzigern und die Frage, ob er besser singen kann als Florian Silbereisen.

Zunächst aber ein Rückblick. Inwiefern exakt Kellys Sohn auf dem fränkischen Schloss "beschäftigt" worden ist - um es mit dem juristischen Fachterminus zu sagen -, das ist ganz hervorragend dokumentiert. In der Main Post findet sich der Tathergang innerhalb einer Musikkritik tadellos dargestellt. So habe sich zum zweiten Lied des Abends eine Band zu Angelo Kelly hinzugesellt, die aus irischen Musikern bestehe und "die im Laufe der Jahre quasi Teil der Familie geworden" sei. Schließlich seien auch "die Kinder Gabriel (18), Helen (16), Emma (13), Joseph (8) und William (4) auf die Bühne" gekommen, was "laute Jubelschreie" ausgelöst haben soll. Dem Rezensenten zufolge soll Sohn William dabei nun "Hahn im Korb" gewesen sein, der ganz professionell auf der Bühne gestanden und mit einer "Kindergitarre" Aufmerksamkeit auf sich gezogen habe.

Gar "der Höhepunkt vor der Pause" soll der Auftritt des Vierjährigen gewesen sein, als er nämlich mit dem Song What a wonderful world dem Publikum "Tränen in die Augen" getrieben habe. Eine einwandfrei präzise Tathergangsschilderung in der Tagespresse - hat man auch nicht alle Tage.

Und jetzt also: Amtsgericht. Um das zu verstehen, muss an der Stelle ein Blick ins "Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend" zugemutet werden, in dem dergleichen in einer Detailtiefe geregelt ist, die juristische Laien ebenso zu frösteln wie zu faszinieren in der Lage ist. Laut Paragraf 6 kann demnach die Aufsichtsbehörde - sollte ein entsprechender Antrag gestellt sein - bewilligen, dass "bei Musikaufführungen" Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren "bis zu zwei Stunden täglich gestaltend mitwirken" dürfen. Jetzt aber kommt's: zwischen acht und 17 Uhr.

Auf dem Franken-Schloss aber, so ist es vielfach bezeugt, war es schon Tagesschau-Zeit. Drei Stunden zu spät also. Wobei nach Angaben der Regierung von Unterfranken der Künstler zu Tourneebeginn einen entsprechenden Antrag gestellt habe und dieser auch bewilligt worden sei. Und zwar in Hamburg, was dann für alle Bundesländer gelte. Nur: Beantragen könne man "gestaltende Mitwirkung" von Drei- bis Sechsjährigen eben nur bis höchstens 17 Uhr. "Die Gesetzeslage ist da ehrlich gesagt eindeutig", sagt Regierungssprecher Johannes Hardenacke. Und die saftige Höhe des Bußgeldes? Erkläre sich daraus, dass der Fall Eyrichshof beileibe nicht der erste im Laufe der "Irish Summer-Tour" gewesen sei, bei dem ein Vierjähriger jedenfalls nach 17 Uhr geträllert habe. Und bei wiederholter Missachtung werde es eben teurer.

In der Bild haben sich Kelly und sein Anwalt zum Vorwurf fränkischer Gewerbeaufseher geäußert. "Ich würde nie etwas tun, was das Wohl meines Kindes gefährden würde", sagt der Künstler. Und sein Anwalt betont, der Bub habe stets selbst entscheiden können, ob er auf der Bühne mitsingen oder auf "seiner Kindergitarre" habe "mitklimpern" wollen. An diesem Freitag will der Amtsrichter ein Urteil sprechen.

© SZ vom 12.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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