Angelika Niebler:Eine Frau, die mit Ideologien wenig anfangen kann

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Inzwischen aber ist Niebler nicht nur Vollblutpolitikerin, sondern hat nebenbei auch zwei Söhne bekommen. Zu ihren Herzensthemen zählt die Förderung von Frauen. So hat Niebler, die seit 2009 auchLandesvorsitzende der Frauen Union Bayern ist, erfolgreich für eine Frauenquote in der CSU gekämpft. Natürlich sei sie nicht immer mit allem einverstanden, was in ihrer Partei entschieden werde. "Aber dieses Leitbild von leben und leben lassen finde ich schon richtig."

Sogar das Betreuungsgeld befürwortet sie deshalb. "Mich stören einfach diese ideologischen Grabenkämpfe, in denen berufstätige Mütter gegen angebliche Heimchen am Herd ausgespielt werden", sagt sie, während ihr Fahrer sie zu einer Podiumsdiskussion im Landkreis Landshut fährt. Jeder solle selbst entscheiden, wie er seine Kinder betreuen möchte. Es sei falsch, wenn der Staat nur die Betreuung in öffentlichen Einrichtungen unterstütze. Niebler versichert, dass sie das nicht nur aus Parteiräson sage, sondern "weil ich davon fest überzeugt bin".

"So einfach ist die Welt nicht"

Dass sie mit Ideologien wenig anfangen kann, zeigt sich auch wenige Minuten später, als sie den Saal in dem Landgasthof betritt und mit den Gästen, unter ihnen einige Kommunalpolitiker, zu diskutieren beginnt. Leicht, das steht nach wenigen Minuten fest, wird dieser Abend nicht für Niebler. Es geht um das geplante Freihandelsabkommen TTIP, das die EU derzeit mit den USA verhandelt und das von weiten Teilen der Öffentlichkeit sehr kritisch gesehen wird. Als eine Gemeinderätin sich in Rage redet und schimpft, bei dem Abkommen seien die Lobbyisten von Anfang an "unter sich" gewesen, antwortet Niebler ruhig: Es sei ja nicht so, dass alle Interessenvertreter von Unternehmen böse seien und alle Nichtregierungsorganisationen gut. "Meine Erfahrung ist: So einfach ist die Welt nicht.

" Im übrigen wolle sie sich auch nicht dafür kritisieren lassen, mit der Wirtschaft zu reden. "Wenn wir auf EU-Ebene beispielsweise über Höchstgrenzen für den CO₂-Ausstoß von Autos reden, dann ist das meines Erachtens nicht nur ein Thema für Umweltverbände. Dann will ich schon auch wissen, welche Folgen das für die Arbeitsplätze in der Autoindustrie hat, damit wir eine vernünftige Lösung hinbekommen."

Auf der Suche nach vernünftigen Lösungen

Vernünftige Lösungen für komplexe Themen zu finden, das ist es, was Niebler an der Politik reizt. Und so wird sie auch an diesem Abend in Niederbayern nicht müde, den Besuchern des Dorfgasthofes zu erklären, dass auch sie viele Risiken bei TTIP sieht - aber eben auch jede Menge Chancen. Deshalb solle man nicht von vornherein auf die Verhandlungen verzichten, zumal TTIP nur in Kraft trete, wenn am Ende das EU-Parlament und sämtliche 28 Mitgliedstaaten zustimmten. Die Politiker würden mit Sicherheit nichts beschließen, was zur Folge hätte, dass Europas Verbraucher weniger geschützt wären als bisher - oder Europas Politiker weniger Macht hätten.

Nicht jeder im Publikum kann ihr folgen, das ist klar zu erkennen. An einer Stelle ihrer Ausführungen murmelt ein junger Mann leise: "Das hat sie jetzt aber kompliziert ausgedrückt." Er überlegt kurz. "Wobei", sagt er dann, "es ist ja auch ein kompliziertes Thema. Vielleicht macht sie das schon richtig." Eben das ist die Herausforderung: Wer komplexe Themen vernünftig diskutieren will, und genau das will Niebler, läuft Gefahr, selbst kompliziert zu werden. Der CSU-Wähler aber könne "nur einfach", sagte kürzlich mal ein führendes Mitglied der Partei. "Mit komplizierten Botschaften oder Zwischentönen braucht man dem CSU-Wähler nicht zu kommen." Sollte das stimmen, könnte das für Niebler tatsächlich ein Problem werden.

Allerdings hat Seehofer sie ja auch gar nicht für die einfachen Botschaften vorgesehen. Dafür, das darf man getrost feststellen, hat er bereits genügend andere.

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