Allerheiligen:Auf ein Bier an Opas Grab

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Das Gedenken an die Toten ist in Bayern weniger fröhlich als in anderen Ländern. Dabei sind Leben und Tod eng miteinander verbunden. (Foto: Lukas Barth/dpa)

Das Totengedenken ist in Bayern oft trist. Dabei gäbe es durchaus Anregungen aus anderen Ländern. Die ließen sich wunderbar abwandeln.

Kolumne von Katja Auer

Es gibt Dinge, die sich im Rückblick zu dieser ominösen guten, alten Zeit verklären. Der angeblich meterhohe Schnee an Weihnachten gehört dazu, ebenso der Sommer, "wie er früher einmal war" und die Idylle des einfachen Landlebens, das in Wahrheit viel mehr Plage war als Lust.

Umgekehrt lässt sich aus dem jährlichen Gräbergang an Allerheiligen einfach keine schöngefärbte Kindheitserinnerung kreieren. Da war es immer grau und kalt, der goldene Herbst muss sich vorher in der guten, alten Zeit verloren haben oder eine Erfindung späterer Jahre sein. Deswegen mussten kratzige Wollstrumpfhosen angezogen werden und trotzdem fror, wer hinter dem Pfarrer herstapfte, der alle sauber hergerichteten Gräber segnete, auf deren Steinen damals Gottseidank noch lauter unbekannte Namen standen. Allein, dass jedes Grab kräftig mit Wasser aus dem Weihwasserkesselchen besprengt werden durfte, war eine kleine Aufheiterung - wenn es denn nicht schon eingefroren war.

Deutlich heiterer geht es an Allerheiligen und Allerseelen auf den Friedhöfen in Mexiko zu, der Dìa de los Muertos ist ein Fest des Lebens und des Todes. Da wird gefeiert an den Gräbern, mit Kerzen, Blumen und allerhand Gaben, es gibt etwas zu essen und die umherziehenden Mariachi-Bands spielen die Lieblingslieder der Verstorbenen.

Das wäre mal was auf einem bayerischen Friedhof, es müssen sich ja nicht gleich alle einen kunstvollen Totenschädel ins Gesicht schminken. Aber ein Bier beim Opa am Grab würde ihm bestimmt gefallen, dazu vielleicht ein paar Küchla statt des mexikanischen Pan de muerto, das Brot der Toten. Oder ein paar Streifen Gselchts, vielleicht käme es in der detaillierten Ausgestaltung eines solchen Festes auch ein bisschen auf den Geschmack des Pfarrers an.

Mariachi wären vielleicht etwas übertrieben, und da könnte am Ende auch gleich jemand eine kulturelle Aneignung wittern, aber die örtliche Blaskapelle spielt ohnehin gelegentlich bei Beerdigungen, da wäre es doch kein Problem, die Trauermärsche kurz gegen das Repertoire vom Feuerwehrfest auszutauschen. Da fände sich bestimmt das eine oder andere Lieblingslied und ein bisschen Schunkeln an den Gräbern wärmt auch noch.

Auf die Schnelle wird sich das vermutlich nicht durchsetzen, aber wer mag, kann der Oma ja erst mal ein Stamperl Eierlikör aufs Grab stellen. Mit allem Respekt.

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