Familien:Keine Gleichberechtigung bei Alleinerziehenden

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Von Gleichberechtigung kann bei der Rollenverteilung getrennter Eltern oft keine Rede sein. Der Großteil der Betreuungsarbeit liegt meist bei den Müttern, was es für diese schwierig macht, die eigene Karriere voranzutreiben. Den Karrieredämpfer und die intensive Care-Arbeit, die für ein Kleinkind geleistet werden muss, kann kein Betreuungsunterhalt wirklich ausgleichen. Dieser wird zudem oft nur solange vom anderen Elternteil gezahlt, bis das Kind drei Jahre alt ist.

Mehr als ein Drittel der alleinerziehenden Mütter verdient weniger als 1500 Euro netto im Monat, sieben Prozent sogar unter 900 Euro netto. Alleinerziehende und ihre Kinder leben häufig an der Schwelle zur Armut: Ihre Armutsgefährdungsquote lag 2015 bei 36,7 Prozent, während die durchschnittliche Gefährdungsquote in Bayern nur bei 11,6 Prozent lag.

Die Grünen und die SPD in Bayern schreiben jeweils in ihren Wahlprogrammen zur Landtagswahl, dass sie gerade zur Entlastung von Alleinerziehenden eine Kindergrundsicherung einführen möchten. Umsetzbar wären ihre Pläne nur auf Bundesebene. Dieses Problem sieht die CSU bei ihrem Familiengeld nicht: Seit dem 1. September zahlt sie dieses an alle bayerischen Familien mit ein- und zweijährigen Kindern aus. Allerdings ziehen die Jobcenter - außer in den sogenannten Optionskommunen - das Familiengeld von Hartz IV ab und folgen damit der Auffassung des Bundes, wonach es als zusätzliche Leistung angerechnet werden muss.

Jung wird vom Familiengeld nicht profitieren, denn ihr jüngstes Kind ist schon drei Jahre alt. Sie findet: "Das Familiengeld ist absurd! Das Geld landet bei regulären Familien auf den Sparkonten. Die Familien, die es wirklich brauchen, haben davon wenig. Alleinerziehende würden viel mehr davon profitieren, wenn das viele Geld in längere Betreuungsangebote investiert würde." Bei Jung ist das Geld knapp. "Es geht alles nur mit Hängen und Würgen", sagt sie. Kino? Ist nicht drin. Mit den Freundinnen in München ein Glas Wein trinken? "Was da alles zusammenkommt!": Spritkosten, Babysitter und dann noch die Preise in München.

Jung arbeitet in ihrem regulären Job 35 Stunden die Woche. Fünf Stunden davon darf sie von zu Hause aus arbeiten - anders würde es nicht gehen, denn der Kindergarten schließt um 14 Uhr. Zusätzlich zu ihrem 35-Stunden-Job hat Jung einen Nebenjob als Assistentin, der etwa acht Stunden pro Woche in Anspruch nimmt. Den Nebenjob erledigt sie abends zu Hause, wenn die Kinder schlafen.

Hübner träumt von solchen Home-Office-Möglichkeiten. Auch sie kann sich vieles nicht leisten. Die 32-Jährige würde gerne mehr arbeiten, mehr verdienen. Wegen der Öffnungszeiten des Kindergartens ginge das aber nur, wenn sie einen Teil der Arbeit zu Hause erledigen dürfte. "Ich habe schon so oft darum gebeten, dass ich einige Stunden die Woche im Home-Office arbeiten darf. Aber mein Arbeitgeber ist dafür zu unflexibel", sagt Hübner, die für ihren Job als Sachbearbeiterin jeden Tag nach München pendelt. Am liebsten hätte sie einen Arbeitsplatz in der Gegend, da würde sie die Zeit fürs Pendeln sparen - aber sie findet einfach nichts, bei dem sie so viel verdienen würde wie in München. "Wenn ich weniger verdiene, reicht es nicht mehr", sagt sie.

Abgesehen vom Zeitaufwand, den das Pendeln in Anspruch nimmt, nennt Helga Jäger vom Landesverband alleinerziehender Mütter und Väter noch ein weiteres Problem: "Pendelnde Eltern vom Land haben mir schon erzählt, dass gleich ihr Job gefährdet ist, wenn das Auto nicht funktioniert. Die Anbindung zum öffentlichen Nahverkehr ist auf dem Land nicht immer gegeben." Und trotzdem ist Pendeln oft die einzige Lösung: "Auf dem Land ist es schwieriger, einen Job zu finden, der die Existenz sichert", sagt Jäger.

"Wir brauchen mehr Flexibilität in der Kinderbetreuung"

Bei Hübner geht es trotz allem schrittweise bergauf - nicht nur, weil sie an ihren freien Wochenenden zum Stressabbau Bergsteigen geht. Ihre Wohnung riecht nach neuen Möbeln, die Küche ist noch nicht ganz eingerichtet, dafür aber das Kinderzimmer: alles rosa. Nach monatelanger Wohnungssuche ist Hübner vor einigen Wochen vom 1300-Einwohner-Dorf Sachsenkam nach Bad Tölz gezogen. Hier sind die Betreuungszeiten des Kindergartens zwar nicht optimal, aber besser als vorher: Seit dem Umzug ist von 7 bis 17 Uhr für Betreuung gesorgt. In Sachsenkam hatte der Kindergarten bis 16 Uhr geöffnet, freitags nur bis 14 Uhr. Dank des neuen Kindergartens konnte Hübner ihre Arbeitszeit von 26 auf 35 Stunden die Woche aufstocken. Wäre eine längere Betreuung gewährleistet, würde sie auch noch länger arbeiten.

Jäger kennt viele Alleinerziehende, die mehr arbeiten würden, wenn sie nur könnten. "Von den Arbeitnehmern wird immer Flexibilität gefordert. Die brauchen wir aber auch in der Kinderbetreuung, in Form von flexibleren Buchungszeiten und Randzeitenbetreuung", sagt sie. "In vielen Berufen hat man Schichtzeiten, da fehlt dann die Kinderbetreuung, die viele Alleinerziehende bräuchten, um über ihren Teilzeitjob hinaus zu kommen." Außerdem brauche es Betreuung während der Schulferien. "So viel Urlaub haben die meisten Eltern nicht", sagt Jäger. Auch Jung hat nicht so viel Urlaub. Sie muss zur Arbeit, die Kinder trödeln. "Zieht die Schuhe an", sagt sie immer wieder und wird dabei jedes mal ein bisschen lauter. Eine Szene, wie sie alle Eltern kennen. Jung meistert sie, alleine, wie jeden Tag.

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