Alleinerziehende:Staat zahlt Unterhalt für mehr als 700 000 Kinder

Alleinerziehende

In Deutschland leben etwa 2,6 Millionen Alleinerziehende. Die meisten von ihnen sind Frauen.

(Foto: Marcel Kusch/dpa)
  • 2,6 Millionen Alleinerziehende gibt es dem Statistischen Bundesamt zufolge. Wie knapp das Geld für die Betroffenen ist, zeigen neue Zahlen des Bundesfamilienministeriums.
  • Weil viele Väter keinen Unterhalt zahlen, springt der Staat mit einem Unterhaltsvorschuss ein. 1,1 Miliarden Euro wurden dafür 2017 ausgegeben.

Von Henrike Roßbach

Neue Stiefel für die Kleine? 75 Euro. Großeinkauf für die ganze Familie? 100 Euro. Zoo für alle mit Eis? 30 Euro. Das Leben mit Kindern ist teuer, das weiß, wer welche hat. Wer aber alleinerziehend ist mit einem Ex-Partner, der keinen Unterhalt zahlt, für den nimmt das alltägliche Versickern großer und kleiner Summen leicht bedrohliche Dimensionen an.

2,6 Millionen Alleinerziehendenhaushalte gibt es dem Statistischen Bundesamt zufolge; das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung geht davon aus, dass jede zweite alleinerziehende Mutter keinen Unterhalt für die Kinder bekommt. Wie knapp das Geld in dieser Konstellation häufig ist, zeigen nun neue, unveröffentlichte Zahlen des Familienministeriums.

Messen lässt sich die Not vieler Alleinerziehender auch am staatlichen Unterhaltsvorschuss. Der wird gezahlt, wenn Alleinerziehende von ihrem früheren Partner trotz Anspruchs kein Geld bekommen. Seitdem das entsprechende Gesetz 2017 reformiert wurde, ist die Zahl der Anträge explodiert. Früher war der Anspruch auf sechs Jahre begrenzt, und Kinder, die älter als zwölf Jahre waren, blieben generell ausgenommen. Nun haben alle bis 18 Anspruch. Einschränkungen gibt es nur für Hartz-IV-Haushalte.

Den offiziellen Bericht zu den Auswirkungen der Reform hat Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) nach Informationen aus Regierungskreisen am Montag in die Ressortabstimmung gegeben. Die Zahlen zeigen den aufgestauten Bedarf: Während Mitte 2017, also vor der Reform, für 414 000 Kinder Unterhaltsvorschuss gezahlt wurde, waren es Ende März 2018 schon fast 714 000.

Knapp 200 000 Kinder über zwölf tauchen neu in der Statistik auf. Auch bei den Sechs- bis Elfjährigen gibt es einen rasanten Anstieg um mehr als 107 000 auf gut 313 000; sie waren vorher wegen der begrenzten Bezugsdauer oft buchstäblich aus der Leistung herausgewachsen.

273 Euro gibt es für ältere Kinder, 205 Euro für die mittleren und 154 für die Kleinsten. Die Betroffenen, zu 90 Prozent Mütter, scheinen das Geld wirklich dringend zu brauchen. Anders lässt sich der Ansturm nach der Reform nicht erklären: Schon sechs Wochen nach Inkrafttreten war die Zahl der Bezieher auf fast 520 000 in die Höhe geschnellt.

"Alleinerziehend zu sein, ist ein großes Armutsrisiko", sagte Ministerin Giffey der Süddeutschen Zeitung. Es gehe dabei um jede fünfte Familie in Deutschland, "in den allermeisten Fällen sind Frauen betroffen". Dass nun 300 000 zusätzliche Kinder vom Unterhaltsvorschuss profitieren, sei ein großer Fortschritt. "Für viele Alleinerziehende ist das eine echte Unterstützung, die konkret im Portemonnaie ankommt."

Ein Manko aber bleibt: Oft ist der "Vorschuss" gar keiner. Erfolgreich zurückgefordert wurden 2017 nur 209 Millionen Euro; elf Millionen mehr als 2016 zwar, weil aber gleichzeitig 1,1 Milliarden statt 861 Millionen ausgegeben wurden, sank die Quote sogar. Oft ist schlicht nichts zu holen. Regelmäßig aber liegt es auch am fehlenden oder nicht qualifizierten Personal. Zusätzlich kämpfen viele Ämter mit der Antragsflut. Im verwaltungstechnisch chronisch überforderten Berlin etwa warten viele Mütter heute zwar nicht mehr auf Papa - dafür aber Monate auf Vater Staat.

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