Abstieg des TSV 1860 München:Nach dem Löwen-Absturz kommt die Häme

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Sechzig-Spieler wie -Fans sind leidgeprüft - manche Fans können damit aber schon ziemlich entspannt umgehen. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Die Fans des TSV 1860 München sehen sich in diesen Tagen Sticheleien ausgesetzt. Pech für die Sadisten aber, wenn die Opfer überhaupt keinen Schmerz mehr spüren.

Kolumne von Sebastian Beck

Häme macht Menschen so hässlich. Jeder kann das vor dem Spiegel selbst ausprobieren: Man muss nur die Zähne zusammenbeißen, gleichzeitig die Mundwinkel zu einer Art Grinsen hochziehen, die Augen aufreißen, den Kopf leicht schief nach vorne recken und dann rauspressen: "Ha? Und? Deine Sechzger? Ha? Und jetzt?" Die Grimasse erinnert stark an Gestalten wie sie einst Hieronymus Bosch in seinen Apokalypsen malte.

Seit Dienstagabend staksen sie durch Bayern auf der Suche nach ihren Opfern. Manche drücken ihre Nasen schon am frühen Morgen an die gläserne Bürotür, um mit diesem leicht irren Blick zu fragen: "Warum ziehst Dein schönes Trikot nicht an? Ha?" Andere passen einen auf dem Gang ab: "Ha? Geht's Dir schlecht? Was machst jetzt?" Dann gibt es jene, die SMS schicken: "Spielt ihr nächstes Jahr im FC-Falke-Markt-Schwaben-Stadion?" Oder mal kurz durchklingeln wollen. Zum Glück verraten Displays ihre Nummern.

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Auf Wikipedia wird Häme "als Kombination aus Schadenfreude, Besserwisserei und Sadismus" definiert. Der Sadist genießt das Leid seiner Opfer, er gewinnt daraus eine besondere Form der Energie. Vor einigen Jahren wurde das mal im Kinofilm "Monster AG" schön dargestellt, wo zottelige Ungeheuer Kinder erschreckten und ihre Schreie in Druckflaschen abfüllten.

Schlimm für Sadisten ist es jedoch, wenn das Opfer, das sie anzapfen wollen, augenscheinlich keinen Schmerz verspürt. Wenn es also wahrheitsgemäß sagt: "Am Dienstagabend war ich nicht im Stadion, sondern habe mir erst ein Weißbier und dann einen Gin Tonic an der Isarbar eingepfiffen, weil es mir so was von wurscht war."

Das enttäuscht den Sadisten, er versucht nun den Schmerz zu verstärken: "Aber wenn's jetzt weiter absteigen? Fahrst dann auch zum Auswärtsspiel nach Schalding oder Buchbach? Super, ha?" Man könnte jetzt antworten, dass kein anderer Fußballverein so schöne Komödien aufführt wie die Sechzger und dass in diesem Sinne jetzt großartige Festspiele begonnen haben, die den ganzen Sommer dauern werden.

Das interessiert die Hieronymus-Bosch-Gestalten aber nicht, sie wanken weiter den Flur entlang, auf der Suche nach ein paar Blauen, die leiden. Dann erst steigen sie zurück ins Ölbild, aber nur kurz.

© SZ vom 03.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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