Der offene Golf und ich, die enthusiastische Cabrio-Fahrerin: Um uns besser kennenzulernen, fahren wir nach Starnberg. An Bayerns Bilderbuchsee leben statistisch gesehen die meisten Einkommensmillionäre Deutschlands - und dort werden jährlich auch die meisten Cabrios zugelassen.
Schon an der dritten Ampel sind wir an diesem sonnigen Tag umstellt von illustren Artverwandten. Verstecken müssen wir uns nicht. Die Karosserie glänzt im warmen Walnuss-Ton und harmoniert gut mit den Ledersitzen in Crème. Das einstige "Erdbeerkörbchen" ist erwachsen geworden. Und doch passt der Golf mit Stoffdach eigentlich nicht nach Starnberg. Schließlich ist er das Käsebrot unter den Cabrios.
Niemand kann etwas für seine Eltern
Und dann hat er auch noch einen Dieselmotor. Zwar einen kräftigen mit 150 PS und maximal 340 Newtonmetern, aber eben auch einen nicht gerade drehfreudigen, nach Arbeitstier klingenden und deshalb langweiligen Antrieb. Der zudem in Zeiten von #dieselgate - trotz Euro-6-Einstufung - mit dem Stigma der Dreckschleuder behaftet ist. Aber hey, der offene Golf ist nicht umsonst seit 2012 das beliebteste Cabrio Deutschlands. Außerdem: Niemand kann etwas für seine Eltern.
"Erdbeerkörbchen" wurde das erste Golf Cabrio wegen des markanten Überrollbügels genannt.
(Foto: dpa-tmn)Im Frühjahr 1979 wurde der erste offene Golf vorgestellt, manche Fahrzeuge rollen heutzutage also bereits als Oldtimer über die Straße. Bis 1993 avancierte er mit knapp 390 000 gefertigten Fahrzeugen zum meistverkauften Cabriolet der Welt. Als es dann auf Basis des Golf III auf den Markt kam, ließ das Interesse nach - so stark, dass es 2002 eingestellt wurde.
Nach neun Jahren Pause brachte Volkswagen ein neues Cabriolet heraus, diesmal abgeleitet von der sechsten Golf-Generation. Das ist seit vier Jahren nahezu unverändert auf dem Markt und hat 2015 ein Facelift bekommen. Doch das Make-up hat offenbar nicht gereicht. Es wird im Mai eingestellt. Das Modell sei am Ende seiner geplanten Bauzeit angekommen, es würden derzeit noch GTI-Versionen in einer Sonderfarbe gebaut, teilte Volkswagen mit. Damit ist der VW Beetle künftig das einzig verbleibende Volkswagen-Cabrio.
Gesamteindruck: sportlich-solide
Mit dem kultigen "Erdbeerkörbchen" von einst - in das in den Achtzigern Sascha Hehn als junger Arzt Udo Brinkmann ("Die Schwarzwaldklinik") hineinhüpfte und in dem ein sehr junger Pierce Brosnan alias Remington Steele Verbrecher jagte - hat es aber nicht mehr viel gemein.
Der markante Überrollbügel, der ihm den Beinamen einbrachte, fehlt, die Windschutzscheibe ist stärker geneigt, die Dachlinie flacher. Nur das typische freundliche VW-Gesicht ist geblieben. Der Gesamteindruck: sportlich-solide.
Statt mit klobiger Stahlfaltkonstruktion überrascht es mit elegantem Stoffdach, das bis 30 km/h auch während der Fahrt geöffnet und geschlossen werden kann. Auf Knopfdruck in neun Sekunden zum Sonnenglück. Die Innenausstattung ist unaufgeregt zweckmäßig, beinahe langweilig, in jedem Fall aber berechenbar. Damit ist jedenfalls jeder vertraut, der Anfang des neuen Jahrtausends einen Führerschein gemacht hat.