In ganz Europa ringen Städte und Kommunen um neue Verkehrskonzepte. Die Probleme in großen Ballungsräumen sind überall dieselben: zu viele Autos, die Innenstädte verstopfen, schlechte Luft und hohe Schadstoffemissionen verursachen. All dies macht Einwohner zunehmend missmutig und erhöht den Reformdruck. Der politische Wille, etwas zu verändern, ist durchaus vorhanden. Das zeigen die vier Beispiele der europäischen Metropolen Madrid, Helsinki, Zürich und Hamburg.
Dabei verfolgen die Städte zum Teil höchst unterschiedliche Ansätze, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen: den privaten Autoverkehr in den Innenstädten zu beschränken - nicht nur in Deutschland wird heftig über Fahrverbote für Dieselfahrzeuge gestritten. Über allem steht die wichtige Frage, wie viel die Verkehrskonzepte der Zukunft kosten sollen und dürfen.
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Neuen Diskussionsstoff in Deutschland liefert da der Vorschlag der Bundesregierung für einen kostenlosen Nahverkehr, der bei Städten auf geteiltes Echo stößt. Kommunalverbände begrüßen die Überlegungen zwar grundsätzlich, fordern aber zugleich, dass die Finanzierung sichergestellt werden müsse. Sie warnen vor unkalkulierbaren, viel zu hohen Kosten. Denn finanzieren müssen den öffentlichen Nahverkehr vor allem die ohnehin klammen Kommunen und nicht der Bund. Ohne Geld aus Berlin wird das Konzept kostenloser Nahverkehr wohl eine Utopie bleiben.
Der Verkehrsexperte Professor Andreas Knie hält wenig vom Vorschlag der Bundesregierung. "Kostenloser Nahverkehr ist Quatsch und wird nur von Menschen gefordert, die ihn nicht benutzen", sagt Knie, Geschäftsführer des Innovationszentrums für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) in Berlin. Der Nahverkehr sei eine komplexe Dienstleistung, die eine hohe Qualität brauche. Sie werde von Unternehmen angeboten, die damit auch Geld verdienen sollten. "Menschen sind durchaus bereit, für diese Angebote Geld auszugeben. Die Bewegung im Raum kostet und dafür muss auch bezahlt werden", ergänzt Knie.
Das Auto muss Platz abgeben
Die Bundesregierung will nun zusammen mit Ländern und Kommunen über entsprechende Modelle beraten. Druck kommt auch aus Brüssel. Deutschland droht eine Klage der EU, weil seit Jahren in vielen Städten Grenzwerte beim Ausstoß gesundheitsschädlicher Stickoxide nicht eingehalten werden.
Neue Verkehrskonzepte, das bedeutet zugleich auch ein verändertes Stadtbild, wie die Beispiele Madrid und Helsinki zeigen. Wo bislang mehrspurige Schnellstraßen Innenstädte durchschneiden, sollen Fahrbahnen verkleinert und der Verkehr entschleunigt werden - Autos machen Platz für Grünanlagen, Radwege und Straßenbahnen. Berlin will das Miteinander von Autos, Fahrrädern, Bussen, Bahnen und Fußgängern als erstes deutsches Bundesland nun gesetzlich regeln. Der Senat beschloss diese Woche ein Mobilitätsgesetz. Ziel ist einerseits, mehr Menschen zum Umsatteln auf den öffentlichen Nahverkehr und das Fahrrad zu animieren. Andererseits soll der Verkehr in der Hauptstadt für alle sicherer werden.
Das Auto ganz aus den Innenstädten verbannen, das plant derzeit keine der genannten Städte. Mit zunehmender Digitalisierung soll sich jedoch das Nutzerverhalten deutlich ändern. Fahrzeuge teilen, nicht besitzen, lautet die Devise. Einen totalen Verzicht auf Autos in Städten, das kann sich auch Verkehrsexperte Knie nicht vorstellen: "Die Kunst der Verkehrspolitik besteht darin, die vorhandenen Fahrzeuge intelligenter zu nutzen. In den Städten kann die Autoflotte durch gemeinschaftliche Nutzungskonzepte um zwei Drittel gesenkt werden." Die Individualisierung werde gerade durch die Digitalisierung weiter voranschreiten, dank besser vernetzter Verkehrsmittel. "Es wird daher immer eine Kombination aus kleinen und großen Fahrzeugen geben", glaubt Knie.