SZ-Serie Nahverkehr weltweit:Kapstadts gefährliche Verbindungen

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Kleinbusse bilden in Afrika das Rückgrat des Nahverkehrs - auch wenn deren Fahrer oft rücksichtslos unterwegs sind. (Foto: imago stock&people)

Wer in Südafrika den Nahverkehr nutzt, kommt oft zu spät. Und das Sicherheitsproblem ist so gravierend, dass Zugführer und Busfahrer mitunter den Dienst verweigern.

Von Bernd Dörries

Groß steht der Schriftzug "Lost City" auf der Anzeige des Busses, der irgendwie gefährlich aussieht. Zumindest ein wenig unheimlich, wie ein Gefährt aus einem Batman-Film, das in eine andere Zeit fährt, an einen verlorenen Ort. Zwar ist Lost City einfach der Name eines Vorortes in Kapstadt, aber manchmal ist man eben auch wirklich verloren im Verkehr dieser Stadt mit mindestens vier Millionen Einwohnern, in den Bussen, Bahnen und Minitaxis.

Nahverkehr klingt irgendwie so, als ob alles in der Nähe ist. Kapstadt ist aber eine schier endlose Stadt. Eine Stadt, die alles hat, Traumstrände und -villen auf der einen Seite - eine der höchsten Mordraten der Welt und himmelschreiende Armut auf der anderen. Es ist eine der schönsten Städte der Welt, und eine, in der die Unterschiede zwischen Arm und Reich so deutlich ist wie in kaum einer anderen. Die einen fahren Porsche, die anderen laufen barfuß daneben. Viel näher kommt man sich kaum. Die einen sitzen in teuren Autos und hinter hohen Mauern, die anderen in den Hütten oder auf der Straße.

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Einer der wenigen Orte, an denen man sich begegnet, ist der MyCiti-Bus, eine Art Gleichmacher, ein System von fast 50 öffentlichen Buslinien, die durch die ganze Stadt fahren, durch die ganze Breite der Gesellschaft hindurch. Wohl nirgends in Kapstadt sieht man Schwarz und Weiß so gemischt nebeneinander. Eine Linie fährt durch die Strandvillen von Camps Bay bis hinaus in das Township von Hout Bay, eine andere aus der Innenstadt bis nach Khayelitsha, eines der größten Townships von Südafrika. Die MyCiti-Busse sind eine ziemliche Erfolgsgeschichte, eingeführt kurz vor der Fußball-WM 2010. Das Liniennetz wächst mit jedem Jahr.

Weltmeisterschaften und Olympische Spiele werden oft dafür kritisiert, dass sie eine teure Infrastruktur hinterlassen, die dann langsam zerfällt. In Südafrika hätte es die MyCiti-Busse ohne die WM nicht gegeben. Sie sollten eigentlich in jedem Spielort fahren, so richtig läuft es aber nur in Kapstadt. Meistens zumindest. Neulich wurden 22 Angestellte suspendiert, weil sie Einnahmen veruntreut haben. In den Vororten werden die Haltestellen oft kurz und klein geschlagen. Der Nahverkehr ist am Kap auch ein Spiegel der Gesellschaft.

In der Metrorail sieht man so gut wie nie Weiße

Vor allem für die Armen ist es ein täglicher Kampf ums Überleben: Kommt der Zug nicht, ist man seinen Job los. Derzeit fahren einige Züge der Metrorail überhaupt nicht, weil Kabel geklaut und Zugführer bedroht wurden. Weil es mitunter lebensgefährlich ist, diese Züge zu nehmen, wurde der Service auf einigen Strecken vorübergehend ganz eingestellt. Hunderttausende müssen sich eine andere Möglichkeit suchen, um in die Stadt zu kommen, zu ihrer Arbeit. Es sei ein "Verbrechen an den Armen", dass der Staat nicht in der Lage sei, ein halbwegs funktionierendes System bereitzustellen, sagt Brett Herron vom Verkehrsausschuss der Stadt.

Metrorail ist eine Art S-Bahn-System, das in Kapstadt noch unter der Apartheid gebaut wurde, und vor allem die Townships mit der Innenstadt verbindet. Man sieht in den Zügen so gut wie nie Weiße, obwohl viele Strecken weit ungefährlicher sind als ihr Ruf. Andere Strecken hingegen sind so gefährlich, dass sich selbst die Lokführer weigern, sie zu befahren.

Metrorail wird von der staatlichen Passenger Rail Agency of South Africa betrieben, die unter dem korrupten Präsidenten Jacob Zuma zu einem dysfunktionalen Unternehmen wurde. In Kapstadt regiert nicht Zumas ANC, sondern die Democratic Alliance, die die Metrorail nun in die Hände der Stadt übergeben und so das tägliche Drama beenden möchte, dass 700 000 Passagiere erleiden, die nie wissen, ob sie es rechtzeitig zur Arbeit schaffen oder nicht. Immer wieder protestieren aufgebrachte Pendler, hin und wieder auch mit Gewalt.

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Entlang der Strecke durch Problemgebiete will die Stadt nun eine 20 Kilometer lange Mauer errichten. Sie soll verhindern, dass Kabeldiebe die Kupferleitungen entfernen. Oder unter Drogen stehende Jugendliche ihren Frust an der Infrastruktur auslassen - was bisher täglich geschieht. Reparaturen sind schwierig, weil die Mechaniker oft unter Beschuss geraten und nur mit Polizeieskorte arbeiten können. Oft kann dann tagelang kein Zug fahren.

"Je rücksichtsloser, desto besser"

In solchen Fällen müssen die vielen Pendler auf Minitaxis umsteigen, die in vielen anderen afrikanischen Ländern Matatus heißen, in Südafrika aber einfach nur Taxis. Etwa 16 000 soll es von ihnen geben, die meisten Kleinbusse von Toyota wie der Ses'fikile, was in der Amtssprache Xhosa "Wir sind angekommen" heißt. Die Kleinbusse werden zu Zehntausenden in Südafrika produziert und sind für Toyota eine Erfolgsgeschichte. Die Japaner haben einen Markt erkannt, den andere nicht gesehen haben. In Städten wie Nairobi werden die Busse verziert, mit irren Hupen und Spoilern versehen.

In Kapstadt sehen sie recht harmlos aus, ganz in Weiß, fahren aber, genau wie sonst auch in Afrika, ziemlich rücksichtslos. Europäer denken oft, das sei gefährlich. Eusebius, ein Fahrgast aus Kapstadts Süden, sagt hingegen: "Je rücksichtsloser, desto besser - dann weiß ich, dass der Fahrer alles tut, damit ich rechtzeitig zur Arbeit komme." Das Fahrtziel ist von außen fast nie zu erkennen, in den meist offenen Türen steht ein Ticketverkäufer, der das Fahrtziel ausruft, dann geht es los. Ohne Rücksicht auf den Verkehr.

Kapstadt würde ohne Minibusse zusammenbrechen

Der Stadtregierung von Kapstadt wurde das alles nun doch zu wild. Bald soll ein neues Gesetz verabschiedet werden, dass es der Polizei besser ermöglicht, Kleinbusse, die zu schnell und zu rücksichtslos fahren, oder deren Fahrer betrunken sind, zu konfiszieren. Etwa 2300 wurden in diesem Jahr zumindest vorübergehend blockiert. Viel mehr dürfen es aber nicht sein, die Stadt würde ohne die Minibusse zusammenbrechen. Bisher sind ihre Linien weitgehend unreguliert - und umkämpft. Immer wieder werden Fahrer erschossen, weil sich Gangkartelle um ihre Gebiete streiten. Es ist eine andere Welt als die der MyCiti-Busse, die auch an den schönsten Küstenstraßen der Welt entlang fahren.

Die Politik würde die beiden Welten gerne enger zusammenführen, eine App soll entwickelt werden, die auch das Netz der Kleinbusse mit einbezieht. Im besten Fall überbrücken dann die Busse auch ein wenig den Spalt in der Gesellschaft.

Die SZ berichtet in dieser Serie in loser Folge über den Nahverkehr in den Metropolen der Welt. Alle Folgen unter www.sz.de/nahverkehr

© SZ vom 05.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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