Rallye als Hilfsprojekt:Schnitzeljagd im Schrottauto

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Das Team "Die Wüsten Kerle" auf ihrem Audi A6 Avant, der definitiv schon bessere Tage gesehen hat. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Idealismus und Abenteuerlust statt Sponsoren und Highspeed: Die Rallye "Allgäu-Orient" überwindet Grenzen an Land und in den Köpfen. Doch nicht nur die Hilfsgüter werden gespendet - auch der eigenwillige Hauptpreis.

Von Peter Münch

Die Sonne wirft bereits lange Schatten auf die mondkahlen Hügel der Judäischen Wüste, silbrig-salzig glitzert das Tote Meer im Abendlicht, als das "Team 21" sein Kommen mit einer beträchtlichen Staubwolke ankündigt. Vorneweg fährt der Ford Kombi, dahinter röhrt noch einmal der Grand Cherokee Jeep auf, bevor die heiß gelaufenen Motoren im Fahrerlager am Kalia Beach endlich Ruhe haben bei Kilometer 6000, ungefähr jedenfalls. Wieder eine Etappe geschafft, wieder Staub, Schweiß und Schlaglöchern getrotzt. "Das ist schon eine Reise", sagt Tatjana Bruns, "und ein Spaß."

Die Reise, das ist die "Rallye Allgäu-Orient", die von Oberstaufen nach Jordanien führt. Ist nicht so bekannt wie Paris-Dakar, aber mindestens so abenteuerlich - jedenfalls für die meisten der Teilnehmer, die sonst ihre Tage eher im Büro verbringen. Das "Team 21" wird gestellt von den drei mittlerweile 56-jährigen Studienfreunden Alexander Grieb, Gerhard Zickgraf und Detlef Duschek, dazu Duscheks Sohn Nikolai, seine Freundin Veronika Dietzinger und Tatjana Bruns.

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In drei Wochen durch 16 Länder. Über 6000 Kilometer in Autos, die nur gut 1000 Euro kosten dürfen. Die Rallye "Allgäu-Orient" ist eine Tortur, die nur mir viel Abenteuerlust und Idealismus zu ertragen ist.

Das Reglement verlangt Schrottkarren

Mit drei Autos sind sie am 10. Mai gestartet, der erste Wagen hat allerdings noch in Deutschland schlapp gemacht. Der Kolbenfresser ist kein schöner Tod, aber, wenn man ehrlich ist, auch kein ganz unerwarteter. Das "Team 21" nämlich ist ebenso wie alle anderen Teilnehmer der Rallye mit Schrottkarren unterwegs. Dies und manches mehr erfordert das Reglement: 111 Teams starten mit 333 Autos, die alle älter sind als 20 Jahre.

Kein Fahrzeug darf mehr wert sein als 1111,11 Euro, keine Übernachtung teurer als 11,11 Euro. Auf der Strecke, die 6666 Kilometer lang ist, ungefähr jedenfalls, darf keine Autobahn benutzt werden und keine Mautstraße und sowieso kein GPS, das ist Ehrensache. Der Sieger bekommt am Ende keinen Geldpreis und auch kein neues Auto. Er bekommt ein Kamel.

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Um den Sieg geht es bei dieser Rallye nur am Rande. Wichtiger ist, überhaupt anzukommen in Autos, die nicht mehr als 290 Euro kosten dürfen.

Michael Grimm

"Mit Motorsport hat das nichts zu tun"

So viel zum ausgefeilten Regelwerk. Zum zehnten Mal findet die Rallye in diesem Jahr schon statt, und der Andrang auf die Startplätze ist so groß, dass am Anmeldetermin im Juli schon nach wenigen Minuten übers Internet alle Plätze vergeben sind. "Am 7.7. um 3.33 Uhr musst du hellwach sein", sagt Tatjana Bruns. Nur die Schnellsten kommen durch, so ist das nun mal bei jeder Rallye - allerdings hier nur bei der Registrierung. Danach spielt die Geschwindigkeit eine eher untergeordnete Rolle. Dabeisein ist alles, und natürlich ist der Weg das Ziel. "Mit Motorsport hat das nichts zu tun", sagt Nikolai Duschek, "das ist mehr so eine Schnitzeljagd".

"Obwohl...", sagen die andern, und lassen den PS-stolzen Satz mal so unvollendet stehen. Spaß am Fahren gehört in jedem Fall dazu, sonst würde man bei täglich durchschnittlich zehn Stunden am Steuer eher leiden. Unterwegs müssen noch allerlei Aufgaben erfüllt werden - zum Beispiel ein Sechserpack Bier gegen Reifen eintauschen, mit denen dann eine Seifenkiste gebaut wird. Wer das albern findet, hat den Sinn nicht verstanden.

Es geht nämlich nicht nur darum, mehr oder weniger rasend Spaß zu haben, sondern dabei auch noch Gutes zu tun: Die Autos sind vollgepackt mit Hilfsgütern, die unterwegs und am Ziel verteilt werden. Das "Team 21" zum Beispiel unterstützt eine Blindenschule im jordanischen Irbid, im Gepäck sind Brillen, Schulsachen, Spielzeug. Am Ende bleiben auch die Autos zum Versteigern oder Ausschlachten in Jordanien. Insgesamt, so schätzt Gerhard Zickgraf, kommen bei der Rallye 300 000 Euro für wohltätige Zwecke zusammen.

Die Teams sind durchweg bunt gewürfelt: Alte und Junge, Männer und Frauen, Tätowierte und sogar gar nicht Tätowierte. Manche schweißt das Testosteron zusammen, manche die Liebe. Ein Paar auf Hochzeitsreise ist dabei, doch es soll auch andere geben, die das alles nicht ganz so romantisch erleben und sich eine Art Beziehungs-Kolbenfresser einhandeln. Doch insgesamt ist die Stimmung prächtig, auch an diesem Abend im Fahrerlager am Kalia Beach, am Tiefpunkt der Reise. Schließlich liegt das Tote Meer mehr als 400 Meter unter Normalnull.

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6000 Kilometer von Oberstaufen bis Amman - ohne Navi und Autobahn: Das ist die "Allgäu-Orient-Rallye". Am Ende musste die Tour vorzeitig abgebrochen werden. Für sueddeutsche.de berichtet das High-Performance-Team in einem Blog.

16 Länder in drei Wochen

Die rothäutigen Tagestouristen sind längst mit ihren Reisebussen verschwunden, und mittlerweile sind auch die Teams eingetroffen, deren schwächstes Glied am Abschleppseil hängt. Der Parkplatz gehört nun exklusiv den Rallye-Teilnehmern, die ihre Zelte aufbauen, in Kochtöpfen herumrühren oder in Motoren herumschrauben.

Nach einer Etappe, die von Jerusalem über Bethlehem inklusive israelischer Militär-Checkpoints zum Toten Meer führte, gönnen sich die Mitglieder des "Teams 21" das erste Bier und ziehen Bilanz.

16 Länder in drei Wochen haben sie gesehen, wenn sie das Ziel in Jordanien erreichen. In Mostar haben sie die alte, steinerne Brücke angesteuert, in Istanbul vor der blauen Moschee geparkt, und außerdem unterwegs ziemlich viele Werkstätten und noch mehr nette Menschen kennengelernt. Nach einer Fahrt quer durch die Türkei wurden die Autos per Fähre nach Israel gebracht.

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6000 Kilometer von Oberstaufen nach Amman - das ist die Allgäu-Orient-Rallye. Mehr als zwei Wochen war das Highperformance-Team aus Bayern unterwegs - und berichtete für sueddeutsche.de in einem Blog. Eindrücke vom Rallye-Wahnsinn in Bildern.

"Jeden Tag gab es ein Highlight"

Die alte Syrien-Route über Homs und Aleppo ist derzeit unbefahrbar wegen des Bürgerkriegs. Gefährlich wurde es bei ihnen höchstens mal, als ihnen in Albanien auf enger Strecke ein Lastwagen entgegenbretterte oder als kurz vor dem Kosovo die Kühe auf der Straße standen, unbeleuchtet in der Dämmerung. "Aber jeden Tag gab es ein Highlight", sagt Veronika Dietzinger. "Du gehst durch hundert Türen", meint Gerhard Zickgraf.

Eine Grenze liegt noch vor ihnen, über den Jordan geht es am nächsten Tag ins Zielland. "Von mir aus könnte das jetzt auch noch Wochen so weitergehen", sagt Alexander Grieb, und auch von den andern will noch keiner ans Ende der Reise und an die Trennung denken - nicht zuletzt an die Trennung von den Autos. "Das wird ein sehr emotionaler Moment", sagen sie. Und selbst das Kamel wäre da wohl kein adäquater Ersatz. Denn auch das bleibt am Ende in Jordanien und wird gespendet.

© SZ vom 29.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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