Plug-in-Hybride:Alles nur ökologischer Etikettenschwindel?

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Plug-in-Hybrid der dritten Generation: Der neue Mercedes A 250 e verbraucht offiziell nur 1,5 Liter Benzin auf 100 Kilometer - wenn er regelmäßig nachgeladen wird. (Foto: Daimler AG)

Plug-in-Hybrid-Fahrer profitieren von Umweltprämie und Steuerbonus. Ob die Autos tatsächlich sparsam bewegt werden, interessiert nicht. Das könnte sich ändern.

Von Joachim Becker und Christina Kunkel

Die Autohersteller taktieren bis zum Schluss. Gerade die deutschen Marken liegen weit über dem europäischen CO₂-Limit, das ab 2020 gilt. Kaum vorstellbar, wie sie ihr derzeitiges Niveau zwischen 120 und 130 Gramm pro Kilometer (g/km) schlagartig auf 95 g/km reduzieren wollen. Statt zu sinken, stagnieren die Flottenemissionen seit Jahren oder steigen aufgrund des SUV-Booms sogar. Hintergrund könnten aber auch Marktmanipulationen sein, um Milliardenstrafen zu vermeiden: Viele Elektrofahrzeuge sind - wenn überhaupt - nur mit langen Lieferfristen zu bekommen. Kritiker warnen, dass die Hersteller einen Nachfragestau erzeugen, um 2020 umso mehr emissionsarme Autos verkaufen zu können.

Fakt ist, dass die Verkehrswende bisher von Plug-in-Hybriden angeführt wird. Sie profitieren vom offiziellen Testzyklus, der ihre Verbrauchswerte künstlich kleinrechnet: Mit rund zwei Liter Durchschnittsverbrauch und weniger als 50 g/km CO₂ machen sie sich in der europäischen Flottenbilanz durch Supercredits doppelt bezahlt. Das ist gerade für Firmenwagennutzer in Deutschland interessant: Plug-in-Hybride werden nicht nur mit einer Kaufprämie von bis zu 3000 Euro (demnächst 4500 Euro) gefördert, sondern auch mit einem halbierten Steuersatz für die Privatnutzung belohnt. Flottenmanager wissen daher von Fahrern zu berichten, die den Steuervorteil gerne mitnehmen, auch wenn sie wenig Interesse am regelmäßigen Laden zeigen. Dabei kommt selbst ein Kompaktmodell wie der neue Mercedes A 250 e Plug-in-Hybrid ohne Abgase 74 Kilometer weit (nach NEFZ). Aus dem elektrischen Hilfsantrieb sind spurtstarke Superstromer mit einer Batteriekapazität von zehn bis über 30 kWh geworden. Auf dem Papier brauchen nur Langstreckenfahrer den Verbrenner überhaupt noch.

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Leichte Elektroautos ohne Reichweitenangst: Moderne Plug-in-Hybride sind als Allrounder kaum zu schlagen - behaupten ihre Hersteller. Auch die Ökobilanz sehe rosig aus: "Auf Basis der Daten über das Ladeverhalten kann abgeleitet werden, dass es ein starkes Interesse gibt, die elektrische Komponente zu nutzen", heißt es im Abschlussbericht des Forschungsprojekts "Premium", das die Nutzung von 360 elektrischen Fahrzeugen untersuchte. Nur an zwölf Prozent der Fahrtage habe bei den Plug-in-Hybriden kein Ladevorgang stattgefunden, so die Studie, die mit Unterstützung von BMW entstand. Auch eine Befragung des Fraunhofer-Instituts ISI ergab, dass 80 Prozent der E-Autobesitzer ihre Stromer fast täglich zu Hause laden. Was meist einen festen Parkplatz auf einem eigenen Grundstück voraussetzt. Wie repräsentativ ist diese Gruppe der ökologisch stark motivierten Elektropioniere mit eigenem Ladeanschluss? Wichtiger für die elektrische Massenmobilisierung dürften die komfortorientierten Fahrer sein.

Kritiker bezweifeln, dass Plug-in-Hybride oft genug geladen werden, um in der Praxis einen CO₂-Wert von 50 g/km zu unterschreiten. Mercedes hält dagegen, dass 90 Prozent aller Fahrten kürzer als 50 Kilometer seien. "Das heißt: Viele Fahrten können mit den aktuellen Plug-in-Modellen von Mercedes ausschließlich elektrisch zurückgelegt werden", so die Stuttgarter. Es müsste wohl eher "könnte" im Konjunktiv heißen. Obwohl die Niederländer besonders an der Elektromobilität interessiert sind, hat ihre Regierung viele Subventionen für die Teilzeitstromer gestrichen. Eine Tankkartenauswertung der niederländischen Organisation für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung (TNO) hatte zuvor Zweifel am Ladeverhalten der Plug-in-Nutzer geweckt. Doch auch diese Studie aus dem Jahr 2014 ist nicht mehr auf dem aktuellen Stand.

Sicher ist nur, dass Plug-in-Hybride ohne tägliches Laden keinen Vorteil beim Klimaschutz bieten. Mit leerer Batterie verbrauchen sie im Durchschnitt 7,6 Liter auf 100 Kilometer, haben Testreihen der englischen Prüforganisation Emissions Analytics ergeben. Statt weniger als 50 g/km CO₂ stoßen die "Ökoautos" dann rund das Vierfache aus - und werden trotzdem mit Subventionen belohnt.

Doch wie kommt man der Wahrheit näher? Die EU-Kommission zeigt zumindest auf den ersten Blick guten Willen: Ab Januar 2020 müssen die Hersteller bei allen Autotypen, die neu auf den Markt kommen, den Kraftstoffverbrauch im Fahrzeug messen und an die EU melden. Ab 2021 gilt die Vorschrift dann für alle Neuwagen. Gerade bei Plug-in-Hybriden ist diese Vorgabe besonders interessant - falls sich die auf dem Papier sehr niedrigen CO₂-Werte auf der Straße als Humbug erweisen.

Der Messzyklus passt wohl nicht zum Fahrverhalten

Mit den neuen EU-Vorgaben wird auch erhoben, wie viele Strecken die Hybrid-Fahrer tatsächlich rein elektrisch - also emissionsfrei - zurücklegen. Die WLTP-Werte, die für die Teilzeitstromer aktuell in den Papieren stehen, beruhen auf einer Berechnungsmethode, die einen hohen elektrischen Anteil zugrunde legt. Um Anreize für die Autohersteller zu schaffen, wurde zudem unterstellt, dass die Autos jeden Tag geladen werden. "Das Vorgehen ist erst einmal nachvollziehbar, weil es zum Zeitpunkt der Gesetzesentwicklung keine Daten gab, wie diese Fahrzeuge in der Realität betrieben werden," sagt Jan Dornoff vom Forschungsinstitut International Council on Clean Transportation (ICCT).

Die umweltfreundliche Organisation fordert daher, dass die WLTP-Werte der Plug-in-Autos den realen Messdaten angepasst werden. Sprich: Sollte sich bei der Auswertung der anonymisierten Hersteller-Daten herausstellen, dass die meisten Hybrid-Fahrer das Ladekabel aus Bequemlichkeit kaum nutzen, müssten die CO₂-Werte entsprechend angehoben werden. "Und zwar so schnell wie möglich", so Dornoff. Das ICCT empfiehlt, dass ab spätestens 2023 die CO₂-Werte von Plug-in-Hybriden auf Grundlage der realen Messdaten neu festgesetzt werden.

Sollten sich die Stecker-Hybride als ökologischer Etikettenschwindel erweisen, könnte es für die Hersteller teuer werden. Sie haben viele Plug-in-Hybride in den Markt gedrückt, um die CO₂-Limits möglichst kostengünstig zu erreichen. Dafür mussten sie zwar tief in die Fahrzeugarchitekturen eingreifen, um massige Batterien zwischen den Hinterrädern unterzubringen. Mit der Entwicklung komplett neuer Elektro-Architekturen konnten sie sich hingegen Zeit lassen. Das gilt wohl auch weiterhin: Ob die EU-Kommission tatsächlich schnell auf die realen Verbrauchswerte reagiert, ist fraglich. Die EU will zwar mit den Messungen sicherstellen, dass die Schere zwischen Realverbrauch und dem WLTP-Wert nicht weiter auseinander geht und will perspektivisch die Hersteller auch sanktionieren. Wirksam sollen diese Sanktionen jedoch nicht vor 2030 werden.

© SZ vom 16.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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