Olympisches Verkehrschaos in London:Not und Spiele

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London bereitet sich auf ein drohendes Verkehrschaos während der Olympischen Sommerspiele 2012 vor. Vor allem die Luft soll sauber werden - und bleiben. Viel zu tun. Doch wer packt es an?

Joachim Becker

Die Angst geht um in London: Während der Olympischen Sommerspiele 2012 könnte der Individualverkehr in der englischen Metropole großflächig zum Erliegen kommen. Auf allen wichtigen Straßen wird eine Spur für die "olympische Familie" mit mehr als 10.000 Athleten plus Tross reserviert.

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Dabei ist das Verkehrschaos schon heute berüchtigt. Im Schnitt sind Motorfahrzeuge in London nur mit 17 km/h unterwegs - so langsam wie fast nirgendwo sonst in Europa. Wenn zu den sieben Millionen Einwohnern noch die erwarteten zwei Millionen Sportfans kommen, dann erlebt das Verkehrsnetz an der Themse seinen ultimativen Stresstest. Je nach Temperament sprechen englische Politiker daher von der "weltweit größten Party" oder von der "umfassendsten logistischen Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg".

"Der nächste Sommer wird unglaublich verkehrsreich. Deshalb tun wir alles dafür, um London 2012 zu Spielen des öffentlichen Transports zu machen", sagt Sebastian Coe, Chef des olympischen Organisationskomitees. Wie die Zuschauer rechtzeitig zu den Sportveranstaltungen und wieder zurückkommen, ist eine Frage der nationalen Ehre geworden.

London ist das Herz des Schienennetzes im United Kingdom, sternförmig laufen alle Fernzüge und Pendler-Verbindungen dort zusammen. Auch die U-Bahnen sind im wachsenden Wirtschaftszentrum des Landes gerammelt voll. Vermeiden lässt sich der Verkehrsinfarkt nur, wenn der öffentliche Nahverkehr ausgebaut und dann ein Teil der zehn Millionen Autofahrten täglich auf Bahn, Bus und Fahrrad verlagert wird. Dafür liefert Olympia 2012 den Masterplan.

8,2 Milliarden Euro steckt Transport for London (TfL) in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. 650 Millionen Euro trägt die ODA ( Olympic Delivery Authority) dazu bei. Seit 2005 graben die Stadt- und Verkehrsplaner um die Wette.

Der Olympiapark liegt nur sechs Kilometer östlich des Stadtzentrums im Stadtteil Stratford. Allein der Transport der Baumaterialien auf das 200 Hektar große, ehemalige Industriegelände war eine logistische Meisterleistung.

In dem neuen Stadtteil am Fluss Lea sind zwölf Sportstätten inklusive des Olympiastadions wie Pilze aus dem Boden geschossen. Viele Veranstaltungen finden also in fußläufiger Entfernung voneinander statt. So lassen sich nicht nur das Transportaufkommen, sondern auch die Sicherheitsmaßnahmen auf ein vernünftiges Maß beschränken.

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Die zentrale Lage hat aber noch einen entscheidenden Vorteil: In Athen verrotteten viele abgelegene Sportstätten nach den Olympischen Spielen 2004 ungenutzt, die neu gebaute Straßenbahn vom Stadtzentrum zur Küste ist nicht ausgelastet. Im Gegensatz zur hellenischen Chaos-Planung machen die Londoner Verkehrsprojekte auch langfristig Sinn: Der Olympiapark als künftiges Wohngebiet wird mit der London Underground, mehreren Vorort-Eisenbahnlinien und der Docklands Light Railway in ein feinmaschiges Verkehrsnetz eingebunden.

Insgesamt sollen zwölf verschiedene Zugverbindungen die Massen direkt ins olympische Zielgebiet bringen. Im neuen Bahnhof Stratford International halten sogar Eurostar-Züge und ein High-Speed-Shuttle mit dem Namen Olympic Javelin (Olympischer Speer).

Die Bahnsteige in bestehenden Bahnhöfen wurden für längere Züge mit mehr Passagieren erweitert. Bis zu 145.000 Zuschauer muss das Verkehrsnetz in olympischen Stoßzeiten zusätzlich aufnehmen - eine überschaubare Zahl angesichts von zwölf Millionen Fahrgästen, die Tag für Tag öffentlich transportiert werden.

Privatwagen haben während der grünen Spiele dagegen wenig Chancen. Motorisierte Besucher werden auf 350.000 Park&Ride-Parkplätze umgeleitet, von denen die meisten extra für die Sommerspiele entstanden sind. Draußen bleiben müssen auch 1200 der berühmten Black Cabs. Die Uralt-Taxis sind für mehr als 30 Prozent der Feinstaubemissionen in der innersten City verantwortlich. Deshalb werden diejenigen mit mehr als 15 Jahren auf dem Buckel in den Ruhestand geschickt.

Um Athleten, Offizielle und Medienvertreter mobil zu halten, wird BMW als Nachhaltigkeitspartner 4000 verbrauchsarme Fahrzeuge zur Verfügung stellen. Obwohl auch gepanzerte Luxuslimousinen für die Staatsgäste dazu gehören, darf die Flotte im Schnitt nicht mehr als 120 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Möglich wird das durch den Einsatz von 160 BMW ActiveE. Die Stromer fahren lokal abgasfrei.

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Luftreinhaltung steht bei Boris Johnson ganz oben auf der Agenda. 2012 will der Bürgermeister mindestens 150 Wasserstofffahrzeuge auf den Straßen sehen. An der nötigen Tankstelleninfrastruktur wird gearbeitet. Bis 2020 sollen nicht nur Nullemissions-Taxis unterwegs sein, sondern ganz London als europäische Hauptstadt für E-Fahrzeuge Ruhm einfahren. In den nächsten Monaten werden daher mindestens 1300 Ladestationen im Rahmen der Initiative Source London entstehen.

Ein zentrales Abrechnungssystem von Siemens wird die Infrastruktur an Supermärkten, Parkhäusern und auf Firmenparkplätzen vernetzen: "Unsere Software E-Mosphere regelt die Identifikation der Nutzer und die einheitliche Abrechnung. Der Betreiber London Traffic kann zudem zentral die Verfügbarkeit der Ladestationen abfragen - auch die Endkunden finden im Internet die nächste freie Ladestation in Echtzeit", sagt Roland Edel, Leiter innovative Mobilitätslösungen.

Das dreijährige Pilotprojekt hat Leuchtturmfunktion für das neue Siemens Geschäftsgebiet Mobility&Logistics: "Als Partner von Source London wollen wir operative Erfahrungen sammeln, die wir künftig für kommerzielle Ausschreibungen in anderen Megacitys nutzen können", so Edel.

Vorbildlich ist auch die Bereitstellung von öffentlichen Ladeplätzen für E-Mobile. Angesichts der Londoner Bodenpreise ist dieser Raum viel wertvoller als die elf Millionen Euro an Fördergeldern für Ladeboxen. Bei Neubauprojekten muss künftig einer der fünf vorgeschriebenen Stellplätze mit einem Ladeanschluss versehen werden.

Ehrgeiziges Ziel: Kein Londoner soll mehr als eine Meile zur nächsten Ladestation laufen müssen. Was die Briten wirklich zum Umstieg auf E-Antriebe bewegen könnte, ist freilich die Befreiung von der Congestion Charge. Stromer fahren umsonst durch Londons Zentrum - das ist ein Wort bei einer Citymaut von mittlerweile fast zwölf Euro pro Tag.

© SZ vom 28.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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