So haben wir uns Peak Oil nicht vorgestellt. Der schwarze Saft ist weder knapp noch teuer. 1972 hatte der Club of Rome das Ende des Erdölzeitalters ausgerufen. Bis zum Jahr 2000 sollten die wichtigsten Ressourcen aufgebraucht oder extrem teuer sein. Doch die Ölpreise sind zuletzt gesunken, obwohl der globale Verbrauch kontinuierlich steigt.
Schon klar, nachhaltig ist das nicht. In Deutschland hat sich der CO₂-Ausstoß im Verkehrsbereich innerhalb der vergangenen 27 Jahre praktisch nicht verändert. Mit gravierenden Folgen: Kürzlich wurde die höchste CO₂-Konzentration der vergangenen drei Millionen Jahre in der Atmosphäre gemessen. 81 Prozent der Deutschen befürworten laut einer KfW-Umfrage daher die "Verkehrswende". Allerdings ist die Skepsis gegenüber der E-Mobilität groß: Nur jeder Zweite glaubt, dass die Stromer in 20 Jahren eine dominante Rolle spielen werden. Selbst Ernst Ulrich von Weizsäcker, der heutige Präsident des Club of Rome, warnt davor, den Verbrennungsmotor zu verteufeln. Fragt sich bloß, wie die CO₂-Werte im Verkehr um 15 Prozent bis 2025 und um 30 Prozent bis 2030 sinken sollen. Das sind die aktuellen Klimaziele der EU-Kommission.
Fakt ist, dass Elektro- und Erdgasantriebe momentan unter der Nachweisgrenze von einem Prozent liegen. Dabei lassen sich die Klimaziele ohne eine starke Form von Elektrifizierung (mindestens als Plug-in-Hybrid) kaum schaffen. Ausgehend von 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer im Jahr 2021 sollen Pkws bis 2030 unter 70 Gramm je Kilometer bleiben. Ein Wert, den heute kein Auto mit konventionellem Antrieb erreicht.
Auf eine Elektro-Quote von zehn Prozent, wie sie ab 2019 in China vorgeschrieben wird, verzichtet die EU-Kommission allerdings. Eben weil es in der Klimabilanz von E-Mobilen viele Fragezeichen gibt. Dazu gehören die energieintensive Gewinnung von Batteriematerialien wie Kobalt und Nickel ebenso wie die aufwendige Zellproduktion oder der Kohle-lastige Energiemix in Deutschland. Auch in China macht es wenig Sinn, Elektroautos vorzuschreiben, während gleichzeitig Hunderte von Kohlekraftwerken gebaut werden, um den rasant steigenden Energiehunger des aufstrebenden Landes zu sättigen. Damit wird das Emissionsproblem aus den Städten lediglich in die Peripherie verlagert.
Probleme mit der Stromversorgung
Elektrofahrzeuge haben aber einen entscheidenden Vorteil gegenüber allen anderen Alternativen: Sie nuckeln den Strom ohne (teure und energiezehrende) Wandlungsprozesse direkt aus der Leitung. So es denn eine gibt. Stärker als je zuvor ist der Verkehr dabei von kräftigen Investitionen in den Energiesektor abhängig. Angesichts der miserablen Ladeinfrastruktur in Deutschland ist die Vorstellung, dass 2030 mehr als jedes dritte Auto als (Teilzeit-)Stromer verkauft wird, noch ziemlich abwegig.
Probleme mit der zusätzlichen Stromversorgung gibt es nicht nur in den Städten, sondern auch auf Netzebene. Die gute Nachricht: Der Anteil von erneuerbaren Energien in den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr nimmt kontinuierlich zu: 2016 lag er bei 31,7 Prozent. Bis 2030 soll er laut den Plänen der Bundesregierung bei über 50 Prozent liegen - rund ein Drittel Fotovoltaik und zwei Drittel Windenergie. Dass unsere Nachbarländer fluchen, weil wir das Netz regelmäßig mit überschüssigem Öko-Strom an die Belastungsgrenze treiben, sei mal dahingestellt. Nur so viel: Es fehlt nicht an der Nachfrage, sondern an den Übertragungsmöglichkeiten. Denn der Strom wird nicht dort verbraucht, wo er hergestellt wird.
Deutschlands strategische Öl- und Energiereserve wird zum Problem
Das Problem verschärft sich, wenn der Bedarf an elektrischer Energie im Straßenverkehr tatsächlich rasant steigen sollte: Womit werden unsere Elektroautos eigentlich angetrieben, wenn kaum Wind weht und der Himmel voller Wolken hängt? Aktuell wird an dem Mega-Ziel des nachhaltigen Verkehrs im großen Stil geforscht. Im Rahmen der "Kopernikus"-Projekte stellt das Bundesforschungsministerium bis 2025 rund 400 Millionen Euro für den Umbau des Energiesystems bereit. Das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, weil auf Netzebene nicht in Millionen-, sondern in Milliardenbeträgen gerechnet wird.
Genau die richtige Energiemenge zum richtigen Zeitpunkt: Die Versorgung ist in Deutschland nicht trivial, weil mehr als 60 Prozent der Energie importiert werden muss. Seit der ersten Ölkrise gibt es eine strategische Ölreserve: Rohöl und entsprechende Produkte müssen für mindestens 90 Tage bevorratet werden. Auch ein Viertel des jährlichen Gasverbrauchs wird im deutschen Erdgasnetz vorgehalten. "Wenn wir das Energiesystem auf regenerative Energiequellen umstellen, dann funktioniert diese Art der Speicherung und Bereitstellung nicht mehr", sagt Professor Ferdi Schüth, Direktor am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung und Vizepräsident der Max-Planck-Gesellschaft: "Die Windleistung kann zum Beispiel zwischen Null und 10 000 Megawatt in wenigen Stunden schwanken. Damit wird die Speicherfrage zentral."
Jedes Land in Europa hat eine andere Energiestrategie. Die Alpenländer pumpen einfach Wasser den Berg hinauf, wenn der Strom billig ist. Wird zusätzliche elektrische Energie gebraucht, schießt das kühle Nass wieder bergab und treibt Turbinen an. "Mechanische Energiespeicherung ist aber keine besonders dichte Art der Vorratshaltung. In Deutschland reicht die Speicherkapazität für rund 20 Minuten des Energiebedarfs, dann sind die Pumpspeicherkraftwerke leer", sagt Ferdi Schüth, "und es gibt kaum eine Chance, das zu erweitern." Auch die neuen chemischen Speicher, die mit der Energiewende Einzug halten, sind keine große Hilfe: Selbst wenn jedes Auto auf hiesigen Straßen (rund 45 Millionen) ein Tesla Model S mit 100 Kilowattstunden Speicherkapazität und randvoll geladen Batterien wäre, dann ließe sich damit lediglich der deutsche Strombedarf für zwei Tage decken.
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Elektroantriebe sind aufgrund ihrer Effizienz um den Faktor drei besser als Verbrenner. Doch die Energiespeicherung in Batterien hat Nachteile. Das sieht auch Ernst Ulrich von Weizsäcker so. Der Präsident des Club of Rome empfiehlt, "überschüssigen Windstrom, der sonst vernichtet wird, in Wasserstoff oder Methan umzuwandeln und damit den klimaneutralen Verbrennungsmotor zu füttern". Viele Experten heben die Vorteile eines flüssigen chemischen Energiespeichers hervor: "Ich sehe kein kommerziell eingesetztes Flugzeug, das mit einer Batterie fliegt. Das werden wir über die Speicherdichte von Kohlenwasserstoffen machen müssen", sagt Ferdi Schüth, "deshalb sollten wir in die effiziente Elektrolyse die meisten Forschungsanstrengungen stecken."
Das Grundproblem besteht seit 100 Jahren
Erneuerbarer Kraftstoff - die Idee ist im Prinzip 100 Jahre alt. Die deutschen Chemiker Franz Fischer und Hans Tropsch entwickelten aus der Kohlevergasung ein Verfahren für flüssige Treibstoffe. Außer Kohle und Erdgas sind dazu auch andere energiereiche Rohstoffe geeignet wie Wasserstoff, Biogas, Holz, landwirtschaftliche Abfälle oder Haushaltsmüll. Doch an dem Grundproblem des Fischer-Tropsch-Prozesses hat sich in 100 Jahren kaum etwas geändert: Um passgenaue Kohlenstoffketten zu stricken, braucht man viel Geld und Energie. In einer neuen Studie im Auftrag des Verbands der deutschen Automobilindustrie (VDA) kommen die Deutsche Energie-Agentur (Dena) und die Ludwig-Bölkow-Systemtechnik (LBST) zu einem ernüchternden Ergebnis.
"Derzeit belaufen sich die Kosten für E-Fuels auf bis zu 4,5 Euro pro Liter Dieseläquivalent", so die Autoren der Studie. Audi betreibt zwar seit 2012 eine Pilotanlage für e-Gas in Werlte. Außerdem wollen die Ingolstädter eine Anlage für e-Diesel in der Schweiz aufbauen. Doch die geplante Kapazität von 400 000 Liter pro Jahr reicht nur für ein paar Tausend Autos.
Scheitert die Energiewende auf deutschen Straßen letztlich also am teuren Öko-Strom? "Allein für die Kraftstoffversorgung Deutschlands würden im Fall von Fotovoltaik zirka 1000 Sonnenanlagen im weltgrößten Maßstab mit 550 Megawatt Leistung benötigt", erklärt die Forschungsgesellschaft Dechema. Wahlweise könnten auch doppelt so viele Offshore-Windparks genutzt werden, die nicht viel billiger sind. Auch der Umweltverband Transport und Environment kommt in einer neuen Studie zu dem Schluss, dass zusätzlich 50 Prozent der heutigen Stromproduktion in Europa gebraucht würde, um die bestehende Flotte mit dem nachhaltigen Sprit zu versorgen.
Synthetische Kraftstoffe könnten den Strompreis verteuern
In der Kraftstoffstrategie der Bundesregierung sind diese zusätzlichen Kapazitäten noch gar nicht vorgesehen. Auch weil der Bau solcher Kraftwerke Milliarden an Investitionen verschlingen und den Strompreis weiter verteuern würde. Das gilt selbst für Importe aus Regionen mit hohem Angebot an Sonne oder Wind. Damit ließen sich laut Dena die Kosten für alternativen Sprit langfristig auf einen Euro pro Liter Dieseläquivalent drücken.
Doch das ist alles Zukunftsmusik. Bis 2025 wird es keinen nachhaltig produzierten Kraftstoff im großindustriellen Maßstab geben. Auch die frühere Begeisterung für Biotreibstoffe ist durch die "Tank oder Teller"-Diskussion abgekühlt. Der Sprit vom Acker macht Nahrungsmitteln Konkurrenz, auch indirekt durch eine Umnutzung von Anbauflächen. Biokraftstoffe der zweiten Generation aus Abfall, Stroh oder Holzresten sind hingegen nur begrenzt verfügbar. Deshalb wird nachwachsender Sprit wohl bei vier Prozent des Gesamtenergiebedarfs im Verkehr stagnieren, schreibt die Forschungsgesellschaft Dechema.
Die Hoffnung, den aktuellen Fahrzeugbestand mit Verbrennungsmotoren umweltfreundlicher zu machen, bleibt also eine schöne Utopie.