Elektromobilität:Wie die deutschen Hersteller beim E-Auto an die Spitze kommen wollen

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Der Audi e-tron Sportback, hier noch als Konzeptstudie, baut auf einer komplexen Einzelplattform auf. (Foto: Audi)
  • Die deutschen Autohersteller sind bei der Elektromobilität eher hinten dran als vorn dabei.
  • Das liegt auch daran, dass in ihre aktuellen Plattformen nur schwer E-Motoren und Batteriepakete integriert werden können.
  • Doch neue Architekturen, die diese speziellen Anforderungen berücksichtigen, entstehen gerade.

Von Georg Kacher

Die Zeit drängt. Die deutschen Hersteller sind beim Elektroauto eher Nachzügler als Vorreiter. Neue Antriebsarchitekturen sollen die alte und neue Welt verbinden. Besser als es beispielsweise der e-Golf macht, der zu schwer, zu ineffizient und zu teuer ist.

Auch Audi, BMW und Mercedes zahlen Lehrgeld. Der Audi e-tron (2018) und der fast baugleiche e-tron Sportback (2019) sind trotz Q5-Basis komplexe Solitäre. Für sie wird ein eigenes Werk neu eingerüstet, weil der modulare Längsbaukasten leider doch nicht so modular ist wie erhofft. Der Elektro-X3 von BMW (2020) und der Mercedes EQ-C (2019) orientieren sich stärker an der Großserie und werden auf bestehenden Anlagen gefertigt. Die ursprünglich als Verbrenner konzipierten Elektro-Crossover können daher den Raumvorteil des E-Antriebs nur bedingt ausspielen. Trotzdem sind auch der e-smart und der für 2019 avisierte E-Mini nach diesem alten Plattformprinzip gestrickt.

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Der PHEV - nicht nur Übergangslösung

Der Plug-in-Hybrid (PHEV) ist die aktuelle Hassliebe von Technikern, Gesetzgebern und Konsumenten. Der skalierbare Zwei-Komponenten-Antrieb benötigt unverhältnismäßig viel Platz, ist entsprechend schwer und belastet das Budget. Aber er ergibt im Kurzstreckenbetrieb durchaus Sinn, denn 2015 lagen 86 Prozent aller Fahrten unter 100 Kilometer (Acqua Data). Zu Hause laden, am Arbeitsplatz laden, dann wird ein Schuh draus.

Doch die meisten PHEV-Nutzer sind Lademuffel. Um sie umzuerziehen, müsste das Fahrprofil - Vorbild China - in Echtzeit überwacht und der Antrieb per Fernsteuerung an der Stadtgrenze automatisch auf Batteriekraft umgeschaltet werden. Aktuell endet der Reichweiten-Korridor der Stromer bei etwa 50 Kilometern, doch mit der nächsten Batterie-Generation will man diesen Wert verdoppeln.

Den superpotenten Verbrennern droht der Niedergang

Während sich die Kosten pro Kilowattstunde bis 2020 auf rund 80 Euro halbieren dürften, steigt mit den stärkeren Akkus auch die Motorleistung. Die logische Konsequenz: großvolumige Sechs-, Acht-, Zehn- und Zwölfzylinder werden nicht mehr benötigt und nur noch für eingeschworene Sportfahrer am Leben erhalten. Das trifft vor allem Anbieter wie AMG-Mercedes oder BMW M, die künftig mit elektrifizierten Ladern und Hinterachsen mächtig anschieben, aber nicht weit genug stromern können.

Der Niedergang der superpotenten Verbrenner macht den Weg frei für platzsparende Quermotoren, die als Drei-, Vier- und Fünfzylinder in verschiedenen Leistungsstufen mit bis zu 450 PS darstellbar sind. Entsprechend bestückt, stellt ein konsequent abgestimmter PHEV sogar dem reinen Batterieauto (BEV) die Sinnfrage. Denn der reine Stromer nutzt meist nur ein Fünftel des Energieinhalts, muss aber zur Absicherung der Reichweite (mindestens 400 Kilometer auf dem Papier) rund um die Uhr fünf Fünftel durch die Gegend schleppen.

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Erdgas und synthetische Kraftstoffe wären eine spannende CO₂-neutrale Alternative mit vielversprechender Infrastruktur, doch die Politik fordert BEVs - egal, wo der Strom herkommt und ab wann starke Lader flächendeckend verfügbar sind. Die Industrie liefert, allen voran Volkswagen, wo man sich nach dem Diesel-Drama mit der Umwelt und den Kunden möglichst rasch versöhnen will.

Während sich die Wolfsburger im VW-Konzern um den skalierbaren modularen Elektrobaukasten kümmern (Akkus mit einer Kapazität von 48/60/73 kWh, Motoren mit 75/90/110 kW Leistung), arbeiten Audi und Porsche gemeinsam am Elektrobaukasten für Premiumfahrzeuge (PPE). So wie der Audi e-tron ist auch der Porsche Mission E (kommt 2019) ein Schnellschuss, dessen aufwendige Flachboden-Architektur nicht beliebig ausgerollt werden kann.

Erst PPE schafft eine breite Basis für alle Mittel- und Oberklasse-Autos, die nach 2021 auf den Markt kommen, denn das von unten zugängliche Batteriepaket ist in Länge, Höhe, Breite und Zelltechnik variabel. Angetrieben werden entweder nur die Hinterräder oder alle vier, wobei bis zu drei E-Maschinen im Einsatz sind. Dass es dem VW-Konzern mit der E-Offensive ernst ist, beweisen auch die Nachfolger von Macan und Q5, die zwischen 2022 und 2024 alternativlos auf E-Antrieb umgestellt werden.

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Mercedes verfolgt mit EVA 2 (Electric Vehicle Architecture) ein ganz ähnliches Konzept. Die Leistungsspanne reicht von 170 bis 450 kW, die Reichweite von 420 bis 660 Kilometer. Mit Luftfederung, Aktivfahrwerk, Hinterachslenkung und 105 kWh-Batterie ist EVA überdurchschnittlich gut bestückt. Geplant sind vier eigenständig eingekleidete Raumfahrzeuge, zwei SUV und zwei leicht höher gesetzte Limousinen, die zwischen C- und E-Klasse beziehungsweise zwischen E- und S-Klasse liegen sollen. Porsche hängt die Anforderungen an das Ladenetz mit der 800 V/150 kW-Hochvoltstrategie besonders hoch, während Mercedes auch mit langsameren 200/400 Volt-Säulen zurechtkommt.

BMW glaubt an eine langsam steigende E-Auto-Nachfrage

BMW plant mit dem iNext für 2021 ein autonom fahrendes Elektroauto - diesmal ohne Carbon-Kern und Range Extender. Der noch namenlose Fünftürer, dessen Proportionen stark an den Jaguar i-Pace erinnern, basiert auf einer Weiterentwicklung des aktuellen Modulbaukastens (CLAR WE). Das soll den Preis deutlich unter jenen 60 000 Euro halten, die Audi für den e-tron eco verlangen will. Der kolportierte 3er mit E-Antrieb ist eine Ente, beim i8-Nachfolger (2022) ist die Entscheidung zwischen BEV und PHEV noch nicht gefallen, und von der neuen 8er-Reihe (Coupé/Cabrio/Gran Coupé) soll es gar keine E-Variante geben. Fahrlässig oder goldrichtig? BMW glaubt offenbar an eine relativ langsam steigende Nachfrage, die erst 2025 mit der Verfügbarkeit von Feststoff-Batterien deutlich anziehen wird.

Die Konvergenzplattform Weil die Verbrenner nur ganz langsam den ungeordneten Rückzug antreten, rechnen Auguren für 2025 immer noch mit einer satten Dreiviertel-Mehrheit für das Establishment. Selbst 2050 dürfte dieser Anteil noch mindestens zehn Prozent betragen. Anders ausgedrückt: während klassische Antriebe Bestand haben, baut der PHEV die Brücke zum BEV.

Die bisherigen Plattformen sind limitiert

Welche Strategie wird dieser Gemengelage am ehesten gerecht? Mittelfristig bleibt es bei den bekannten Parallelwelten. Während neue Konzepte wie MEB/PPE, EVA 2 und CLAR WE die Elektrofraktion stützen, versuchen die meisten Hersteller, ihre konventionellen Baumuster möglichst lange über die Zeit zu retten. VW produziert schließlich knapp fünf Millionen MQB-Derivate pro Jahr, Mercedes lanciert 2018 mit der nächsten A-Klasse die Evolution einer bewährten Architektur, BMW baut immer mehr Fronttriebler auf konventioneller Basis. Diese Teilesätze lassen sich zwar in mehreren Stufen optimieren, aber sie tun sich schwer damit, die drei Disziplinen Verbrenner, PHEV und BEV unter einen Hut zu bringen. Das ist Aufgabe der sogenannten Konvergenzplattform.

Es passt gut zum Audi-Drama der vertanen Chancen, dass man in Ingolstadt schon vor fünf Jahren eine Multitraktions-Plattform entwickelt hatte, über die aber nie entschieden wurde. Jetzt ist man auf Schützenhilfe von VW und Porsche angewiesen, denn für die hauseigene MLB-Matrix (Motor längs) wird es keinen Nachfolger geben. Auch Mercedes muss umdenken. EVA 2 mag eine tolle Lösung für die E-Mobilität in der Oberklasse sein, doch die teure Monokultur ist weder mit dem PHEV-Ansatz noch mit dem Verbrenner kompatibel. BMW will mit der Weiterentwicklung der bestehenden Teilsätze die Voraussetzung schaffen, dass die betreffenden Modelle auch als Stromer vom Band laufen können. Gewiss ein gangbarer Weg, aber das Projekt mit dem Decknamen Pulsar zeigt, dass auch die Münchner langfristig auf eine voll flexible Integration der Systeme setzen.

In 20 Jahren ist Schluss mit der Verbrenner-Herrlichkeit

BMW wird noch einen weiteren Lebenszyklus des V8 durchwinken, beim Reihensechszylinder sind es sogar deren zwei. Doch dann ist Schluss mit der auf Leistung getrimmten Verbrenner-Herrlichkeit. Das heißt, dass die Konvergenzplattformen noch rund 20 Jahre Bestand haben, ehe eine völlig neue E-Architektur das Kommando übernimmt. Auch bei Mercedes ist in der neuen Konvergenzplattform kein Platz mehr für V6-, V8- oder gar V12-Kraftwerke. Um Raum zu schaffen für die in Form und Inhalt variablen Batteriepakete, werden Benziner und Diesel künftig hier wie dort ausschließlich quer eingebaut. Damit bringt man selbst in kleinen Autos einen etwa 225 Kilo schweren und 25 kWh starken Akku-Kit unter, der im PHEV für mindestens 100 reale Kilometer Reichweite gut ist.

Die große Stärke der Konvergenzplattform ist ihre Modularität. Diese DNA kann Frontantrieb mit oder ohne E-Unterstützung, sie kann zusätzlich den elektrischen Allradantrieb und sie kann im Mitteltunnel entweder Batterien oder - wenn sehr hohe Drehmomente und Zugkräfte im Spiel sind - die gute alte Kardanwelle unterbringen.

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Wenn sich bis 2025 die Energiedichte der Lithium-Ionen-Akkus tatsächlich um 50 Prozent verbessert, und wenn die flacheren Feststoffbatterien ab 2030 diese Leistung nochmals um den Faktor 2,5 erhöhen, ergeben vermutlich sogar E-Sportwagen Sinn, dann passt die Reichweite sogar für Fernlaster, dann hat man auch Herausforderungen wie induktives Schnellladen, Alterung der Batterie und den Kühl-Heiz-Kreislauf besser im Griff. In Verbindung mit Digitalisierung und autonomem Fahren ist die Elektromobilität nicht nur eine technische Herausforderung, sondern auch ein Appell an die Markenwelten, sich immer wieder neu zu erfinden.

© SZ vom 12.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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