Elektromobilität:Mit dem Strom

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Elektroantriebe revolutionieren die Autowelt. Die deutschen Hersteller setzen derzeit aber vor allem noch auf Hybrid-Fahrzeuge.

Joachim Becker

Wir wollen weltweit Leitmarkt für Elektromobilität werden", wiederholt Bundeskanzlerin Angela Merkel immer wieder. Auch bei der Übergabe des Berichts der "Nationalen Plattform Elektromobilität" (NPE) im Mai pries sie den Standort Deutschland. Eine Million Elektroautos sollen bis 2020 über hiesige Strassen rollen.

Immer mehr Autos werden von Elektromotoren angetrieben. In Deutschland sollen es nach dem Willen der Bundesregierung in neun Jahren schon mehr als eine Million sein. Das größte Wachstum verspricht allerdings China: Vor allem die Metropolen fördern Fahrzeuge mit Batterien. (Foto: AP)

Damit das klappt, will die Bundesregierung mit einer milliardenschweren Forschungsoffensive und Steuervorteilen nachhelfen. Statt direkter Subventionen für den Kauf von E-Mobilen wird es für die Kunden jedoch nur Vorteile beim Parken und einen Entfall der Kfz-Steuer für zehn Jahre geben.

Nicht Deutschland, sondern China ist die Boomregion bei Elektrofahrzeugen. Bis 2020 sollen dort fünf Million E-Mobile unterwegs sein. Schon jetzt sind die Zentralregierung und viele vom Smog geplagte Metropolen bereit, den Kauf eines E-Autos mit insgesamt bis zu 14.000 Euro zu fördern.

Das muss für die deutschen Automobilhersteller kein Nachteil sein: "Gerade die leisen, emissionsfreien Elektrofahrzeuge eröffnen neue Perspektiven, um den schnell zunehmenden Individualverkehr in China zu gestalten. Die deutsche Automobilindustrie strebt dabei eine führende Rolle an", erklärt VDA-Präsident Matthias Wissmann.

Bis 2015 werde China 3,85 Milliarden Euro in die Elektromobilität investieren, erwartet der Verband der deutschen Automobilindustrie. Dagegen nimmt sich die deutsche Forschungsförderung vor allem für Batterietechnik in Höhe von einer Milliarde Euro bis 2013 eher bescheiden aus.

Die deutsche Autoindustrie allein will bis 2015 weitere zwölf Milliarden Euro für die Elektrifizierung aufbringen. Den Herstellern kann es relativ egal sein, ob sie die Elektromobile in Europa, Asien oder Amerika verkaufen. Da sie weltweit gut aufgestellt sind, profitieren sie überall vom Subventions-Wettbewerb zwischen den Staaten.

Elektromobilität: Batterieentwicklung
:Super-Akku gesucht

Die Lithium-Ionen-Batterie wird auf absehbare Zeit die wichtigste Kraftquelle für Elektroautos bleiben, doch sie bietet viel Verbesserungspotential. Forscher in Ulm entwickeln Kraftspender der Zukunft. Wunder darf man vorerst aber nicht erwarten.

Ein Großteil der 30.000 neuen Arbeitsplätze, die laut NPE bis 2020 rund um die Elektrofahrzeuge entstehen sollen, hängt jedoch von möglichst vielen E-Nutzern in Deutschland ab. Denn Elektromobilität beschränkt sich nicht auf die Antriebstechnik, sondern basiert auch auf zahlreichen Dienstleistungen rund um das vernetzte Fahren und eine intelligente Ladeinfrastruktur.

Elektromobilität
:Wir wollen laden

Eines schönen Tages werden alle Autos rein elektrisch fahren. Doch weil es rund um die Batterietechnik noch eine Menge zu tun gibt, werden verschiedenste Hybridvarianten die Brücken in die Zukunft schlagen müssen.

Mit welchem Nachdruck an der Infrastruktur in China bereits gearbeitet wird, zeigt das Beispiel Shenzhen. Ende nächsten Jahres sollen in der Millionenstadt 4000 Busse, 2500 Regierungsfahrzeuge, 2500 Taxis und 25.000 Pkw leise und abgasfrei unterwegs sein. Für 34.000 Elektrofahrzeuge entstehen etwa 200 Schnellladestationen, 2000 Ladestationen mit mittlerer Geschwindigkeit und 20.000 konventionelle Ladestationen.

"China will die grünste Autonation der Welt werden", sagt Volkswagen-Chef Martin Winterkorn - und der Mehrmarkenkonzern will davon kräftig profitieren: "Wir wollen und werden das ,Elektroauto für alle' anbieten. Aber wir wissen auch, dass das nur Schritt für Schritt geht", erklärte er auf dem Wiener Motorensymposium.

Dort skizzierte er die Antriebsstrategie des Konzerns: "Ich freue mich, ankündigen zu können, dass Volkswagen 2013, 2014 und 2015 eine Reihe von Plug-in-Hybriden auf den Markt bringen wird", sagte Winterkorn.

Aus seiner Sicht verbinde diese Kombination von Verbrennungsmotor und Elektroantrieb das Beste aus zwei Welten: "Einen uneingeschränkten Aktionsradius, ein hohes CO2-Minderungspotential und nicht zuletzt deutlich geringere Anschaffungskosten gegenüber einem Batteriefahrzeug."

Bei den sogenannten Plug-in-Modellen lässt sich die Batterie auch extern über das Stromnetz laden. Bekannt war bereits, dass VW mit umgebauten E-Versionen des Kleinwagens Up und des Golf Blue E-Motion 2013 starten wird. Die Plug-in-Hybride sollen konventionelle Antriebe mit einer elektrischen Reichweite von etwa 50 Kilometern kombinieren. Nur so erreichen Nullemissionsfahrzeuge kurzfristig eine volle Alltagstauglichkeit.

Atomausstieg und Elektromobilität
:Für und wider, immer wieder

Was würde ein schneller Abschied von der Atomenergie für die Elektromobilität bedeuten? Würde die neue Antriebstechnik ihren Betriebskostenvorteil durch höhere Strompreise einbüßen? In Expertenkreisen ist man - wie immer - geteilter Meinung.

"Es gibt in Sachen Batterie nach wie vor keine zufriedenstellende und wirklich großserienreife Lösung", betonte Winterkorn. Für viele Kunden komme das reine Elektroauto heute allenfalls als Zweitfahrzeug in Frage. Und schließlich werde es zunächst auch vor allem ein Großstadt-Phänomen sein.

Die Botschaft auf dem Wiener Motorensymposium 2011 war in zahlreichen Vorträgen unüberhörbar: Die deutschen Hersteller wollen auch im aufziehenden Elektro-Zeitalter ihren Vorsprung bei Otto- und Dieselmotoren nutzen. Sie werden den Schwerpunkt zunächst nicht auf reine Batteriefahrzeuge legen.

Bei BMW wird 2013 das erste vollelektrische Automobil mit einer leichten Karbonkarosserie in Serie gehen. Doch größere Volumina schaffen auch die Münchner nur mit der Elektrifizierung der gesamten Modellpalette in Schritten.

BMW hat kürzlich den Prototypen eines BMW 5er Plugin-Hybrids vorgestellt, der ebenfalls 2013 in Serie gehen soll. Die Limousine kann bei konstanten 60 km/h bis zu 75 Kilometer rein elektrisch zurücklegen.

Auch bei Daimler und Audi laufen die Vorbereitungen für das Elektrozeitalter auf Hochtouren. Auf der Auto China zeigten alle deutschen Hersteller vor wenigen Wochen, wie sie sich die Stromer auf zwei und vier Rädern vorstellen. Die chinesischen Hersteller stellten ebenfalls ein buntes Angebot an Batterie-, Hybrid- oder Plug-in-Hybrid-Studien aus. Selbst Brennstoffzellenfahrzeuge waren dort so selbstverständlich, als würden sie morgen in Serie gehen.

"Die Chinesen wissen genau, dass sie mit dem Verbrennungsmotor keinen Blumentopf mehr gewinnen können", sagt Audi-Entwicklungsvorstand Michael Dick. "Deshalb stürzen sie sich voller Elan auf die alternativen Antriebe. Da müssen wir gut aufpassen, dass wir die Nase vorn behalten."

© SZ vom 10.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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