Biokraftstoff für Passagierjets:Bio geht in die Luft

Lesezeit: 3 min

Weil die Luftfahrt bald in den Emissionsrechtehandel der EU einbezogen wird, will sie weg vom Kerosin. Die Lufthansa testet im Linienflug zwischen Frankfurt und Hamburg.

Andreas Spaeth

Es wird die größte Testserie, die es im Luftverkehr je mit Biokraftstoff gegeben hat: Bis zu achtmal täglich fliegt der Lufthansa-Airbus A321 mit dem Taufnamen Nördlingen auf Linienflügen zwischen Hamburg und Frankfurt hin- und her. Dabei wird das Triebwerk Nummer zwei (auf der rechten Seite) zur Hälfte von synthetischem Biokraftstoff angetrieben - für volle sechs Monate. Drei Viertel des Antriebs kommen weiterhin aus der Energie des herkömmlichen Kerosins vom Typ Jet A1.

Vollgetankt: Biokraftstoff für Passagierjets (Foto: aspa)

Eigentlich war der Start des Tests bereits für April geplant, doch hat sich unerwartet die Zulassung für das sogenannte HVO (Hydrotreated Vegetable Oils)-Kerosin aus dem pflanzlichen Öl von Palmen, Soja, Raps, Jatropha, Camelina oder Algentrockenmasse verzögert.

Jetzt soll es im Mai oder Juni soweit sein, dass sich erstmals im harten Flugalltag erweisen muss, ob Biotreibstoff die in ihn gesetzten Erwartungen der Luftfahrtbranche erfüllen kann. Die Zeit drängt: Zum Jahresende wird die Luftfahrt in den Emissionsrechtehandel der EU einbezogen. Das wird für Fluggesellschaften und Passagiere teuer werden: bis zu 1,5 Milliarden Euro pro Jahr, schätzen Experten.

Durch Kerosin aus nachwachsender Biomasse anstelle fossiler Brennstoffe würde der Ausstoß von Treibhausgasen drastisch gesenkt, um 35 bis zu 80 Prozent, so bisherige Erkenntnisse, weil beim Wachstum der Biomasse CO2 aus der Atmosphäre abgezogen wird. Damit müssten die Airlines längerfristig auch weniger Emissionsrechte erwerben.

Bereits seit 2008 hat es einzelne Testflüge gegeben, bei denen Virgin Atlantic, Air New Zealand, Continental Airlines, Japan Airlines, KLM und zuletzt TAM jeweils in einem (von zwei oder vier Triebwerken) einmalig 50 Prozent Biotreibstoff beimischten. Die hundertprozentige Nutzung von Bio-sprit ist bisher nicht erlaubt.

Obwohl die Testflüge nur sehr punktuelle Erfahrungen lieferten, waren diese positiv. Die Triebwerke liefen auch mit dem neuartigen Gemisch störungsfrei, technische Probleme traten nirgends auf. Vor allem zeigte sich, dass der Energiegehalt von Biokerosin um etwa vier Prozent höher ist, und damit für die gleiche Transportleistung weniger verbraucht wird.

A380 mit Flüssiggas
:Airbus macht auf grün

Der Flugverkehr muss in Zukunft unabhängiger von Erdöl werden. Das meint nicht nur Airbus. Jetzt flog ein A380 erstmals mit einem synthetischen Treibstoff.

Nun sind genaue Daten gefragt: "Die beiden Triebwerke der Nördlingen sind genau wie das Flugzeug relativ neu, vor allem sind beide Motoren gleich jung, das ist wichtig, um vergleichbare Ergebnisse zu erhalten", sagt Joachim Buse, der im Lufthansa-Konzern für das Thema Biotreibstoffe zuständig ist.

Luftverkehr
:Fliegen in der Zukunft

Ingenieure und Wissenschaftler liefern sich einen Ideenwettbewerb über den Flieger der Zukunft.

"Das Ziel des Tests ist die Gewinnung von Schadstoffdaten von Biofuels zum Vergleich mit herkömmlichem Kerosin über einen langen Zeitraum"" erklärt Johann-Dietrich Wörner vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR),""wir erwarten, dass deutlich weniger Rußpartikel gebildet werden."

In den sechs Monaten der Erprobung will man rund 1200 Tonnen an klimaschädlichem Kohlendioxid einsparen. Das Projekt, finanziert von Lufthansa und der Bundesregierung, leistet Pionierarbeit. Allein die für den Test nötigen 800 Tonnen Biokraftstoff zu beschaffen - "die größte weltweit je erzeugte Menge", so Buse - war eine Herausforderung.

Eine finnische Raffinerie bezog dafür pflanzliche Öle aus Asien, Rapsöl aus Europa und nutzte sogar finnische Schlachtabfälle als Biomasse. Der so gewonnene Biokraftstoff wurde dann zur Hälfte mit Jet A1 gemischt und nach Hamburg verschifft. Dort lagert er im Hafen und wird nach Bedarf zum Flughafen Fuhlsbüttel geliefert, wo er direkt vom Tanklastzug in die Tragflächentanks gelangt.

Das Thema Biokraftstoff in der Fliegerei nimmt derzeit Fahrt auf. Erst Ende März hat Airbus zusammen mit der rumänischen Fluggesellschaft Tarom in Rumänien ein Projekt gegründet, das den Aufbau nachhaltiger Produktions- und Verarbeitungskapazitäten für Biokerosin zum Ziel hat.

"Solar Impulse" gelandet
:Mission erfüllt

Bertrand Piccards Solarflugzeug hat unter Beweis gestellt, dass es auch in der Nacht fliegen kann. Die "Solar Impulse" war sogar länger unterwegs als geplant.

Günther Fischer

Dort soll Treibstoff aus dem Öl der Camelina-Pflanze (auch Leindotter genannt) hergestellt werden, die in Rumänien zu den heimischen Ölpflanzen zählt. Um nachhaltig zu sein und nicht mit der Lebensmittelproduktion zu konkurrieren, wird der Testanbau auf kontaminierten Böden und unbewirtschaftetem Land stattfinden.

Erst am vergangenen Mittwoch wurde in Madrid ein ähnliches Abkommen zwischen Airbus, der spanischen Regierung und Iberia unterzeichnet. In den USA konnte im März ein flugtechnischer Meilenstein mit Biokerosin aus Camelina erreicht werden: Ein F-22 Raptor-Kampfflugzeug der Air Force führte den ersten Überschallflug mit Biotreibstoff bei Mach 1,5 durch, es traten keine technischen Probleme auf.

Trotz aller plötzlichen Euphorie bleibt Tatsache, dass mittelfristig Biosprit nicht den Treibstoffbedarf der Luftfahrt decken kann. Der beträgt weltweit derzeit etwa 4,2 Millionen Barrel pro Tag, knapp fünf Prozent des globalen Verbrauchs an Rohöl gehen auf das Konto der Fliegerei.

Die Lufthansa-Gruppe allein verbrennt jeden Tag den Inhalt von umgerechnet 1000 Straßentanklastzügen in ihren Triebwerken. "Wenn wir fünf oder zehn Prozent des Bedarfs künftig als Biotreibstoff produzieren könnten, wären wir schon zufrieden", sagt Joachim Buse.

"Ein Prozent wäre 2015 erreichbar", schätzt Michael Hurd, Direktor für Umweltstrategie bei Boeing, "aber es ist erstaunlich, was die Branche schon jetzt an Fortschritten bei Biotreibstoff erreicht hat."

© SZ vom 4.4.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Sicherheit im Flugzeug
:Auf der Suche nach dem Limit

Moderne Werkstoffe im Flugzeugbau verlangen nach veränderten Crashtests, um Katastrophen zu vermeiden.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: