Manche bezeichnen sie als ein Übel unserer Zeit, andere halten sie für die tollste Autogattung überhaupt. Ein Trend sind sie aber auf jeden Fall, diese angeblichen Allrounder, die sich Sports Utility Vehicle - oder kurz SUV - nennen. Manch ein Hersteller ist sogar von ihnen abhängig, zumindest auf dem deutschen Markt. Nissan zum Beispiel. Aktuell bieten die Japaner hierzulande insgesamt 13 Modelle an, doch allein 60 Prozent des Absatzes entfallen auf drei SUVs in unterschiedlichen Größen: Juke, Qashqai und X-Trail. Gäbe es dieses Trio nicht, lägen Nissans Verkaufszahlen in Deutschland unter denen von Porsche. Im Sog des traditionell erfolgreichen Qashqai konnten die Japaner auch den aktuellsten Vertreter aus ihrer SUV-Palette, den X-Trail der dritten Generation, etablieren. Verglichen mit 2014 stiegen dessen Absatzzahlen im vergangenen Jahr auf mehr als das Doppelte an. Ein Erfolg auch für die Nissan-Designer, die das kernig-kantige Aussehen der beiden Vorgänger-Generationen in eine rundlich-gefällige, massenkompatible Optik geändert haben. Nun trägt der X-Trail wie seine Markenbrüder die aktuelle Nissan-Einheitsfront mit zentraler Chromspange im Kühlergrill, die beim flüchtigen Hinsehen an einen zu groß geratenen Nasenring erinnert. Die vormals gute Rundumsicht leidet unter den kleineren Fensterflächen und breiten Dachsäulen, die Fahrzeugenden lassen sich schwerer abschätzen als zuvor.
Da wird das Paket aus Konnektivitäts- und Sicherheitssystemen fast zur Pflicht, denn damit kann der X-Trail von oben auf sich selbst und seine direkte Umgebung blicken. Vier Kameras erzeugen ein Bild aus der Vogelperspektive, das auf dem zentralen Sieben-Zoll-Display darstellt, wie nah sich das Auto an Hindernissen befindet. Die Auflösung ist zwar nicht die beste und die Farben sind wenig kontrastreich, aber eine große Hilfe ist das System im Alltag allemal. Mit 2000 Euro ist das Paket nicht gerade billig, aber mit Navigationssystem, Möglichkeiten der Smartphone-Integration und elektronischen Assistenten wie Verkehrszeichen- und Müdigkeitserkennung, Totwinkelüberwachung und automatischer Unterstützung bei Notbremsungen und Parkmanövern ist es ordentlich bestückt.
Die Preisgestaltung spricht sowieso für den X-Trail. Die Allradversion ist bereits ab 32 200 Euro zu haben. Damit ist der Nissan nicht nur günstiger als ein vergleichbares deutsches Mittelklasse-SUV oder ein Land Rover Discovery Sport, sondern auch als die japanischen Konkurrenten Honda CR-V und Mazda CX-5. Und er bietet einen weiteren Vorteil: Für 800 Euro extra gibt es eine dritte Sitzreihe, die den X-Trail zum Siebensitzer macht. Wer lieber Ladegut als Personen transportiert, sollte jedoch besser auf die zusätzlichen Plätze verzichten, weil dann der Kofferraum etwa 100 Liter größer ist. In der ersten und zweiten Sitzreihe befinden sich sowieso die besseren Plätze, allein der großzügig bemessenen Knie- und Kopffreiheit wegen. Zudem bieten sie einen guten Langstreckenkomfort. Dass sich die Fondsitze längs verschieben lassen und deren Lehne in ihrer Neigung verstellbar ist, macht den Innenraum noch einen Tick variabler.
Nissan-X-Trail-Fahrer erwartet im Innenraum ordentlicher japanischer Großserien-Chic. Hier gibt es viel Plastik, na klar, aber die Verarbeitung ist solide, das Design stimmig, die Anzeigen sind übersichtlich. Nicht restlos überzeugen kann der zentrale Touchscreen. Die Menüstruktur erscheint zwar logisch, aber sobald die gewünschte Funktion gefunden ist, wird es fummelig. Die berührungsempfindlichen Felder sind teilweise zu klein geraten, was sich vor allem bei unebener Fahrbahn als Nachteil erweist. Eine Bodenwelle zur falschen Zeit, und man erwischt die völlig falsche Funktion. Da der Monitor keine haptische Rückmeldung gibt, bindet er viel Aufmerksamkeit beim Suchen und Finden des gewünschten Menüpunktes.
Auch das Fahrwerk hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Es ist einen Tick zu straff geraten, auf Unebenheiten reagiert der X-Trail etwas polternd und unsensibel. Plus und Minus auch beim Motor: Der 1,6-Liter-Turbodiesel - als einzige Alternative gibt es einen 163 PS starken 1,6-Liter-Turbobenziner - gefällt mit Durchzugsstärke und niedrigem Geräusch- und Vibrationsniveau. Mehr noch als die überschaubaren Fahrleistungen - elf Sekunden von Null auf Hundert und 186 km/h Höchstgeschwindigkeit - irritiert aber die Anfahrschwäche. Ein Resultat des ausgeprägten Turbolochs unterhalb von 1750 Umdrehungen, hier fällt das maximale Drehmoment von 320 Newtonmetern ziemlich stark ab. Ein Indiz, dass das manuelle Sechsganggetriebe in den niedrigen Gängen nicht ideal abgestuft ist. Dafür lässt es sich leicht und präzise schalten.
Dafür geht der gemütliche Turbodiesel sorgsam mit dem Treibstoff um. Trotz einiger flotter Autobahnetappen liegt der X-Trail 1.6 dCi bei einem Testverbrauch von 7,2 Litern. Das ist mehr, als die Normangabe verspricht, aber dennoch akzeptabel für ein 4,64 Meter langes, 1655 Kilogramm schweres und mit Winterreifen ausgerüstetes SUV.
Dass ein so konzipiertes Auto Kurven eher als lästige Pflicht empfindet, liegt in der Natur dieser Fahrzeuggattung und den Grenzen der Physik begründet. Dennoch bleibt der Nissan auf kurvigen Straßen spurstabil und lässt sich mit der leichtgängigen und präzisen Lenkung exakt dirigieren. Dass der X-Trail im Normalfall als Fronttriebler unterwegs ist, stört nicht weiter. Wird auf rutschiger Fahrbahn mehr Traktion benötigt, reicht ein Dreh am Regler auf der Mittelkonsole, und der X-Trail wird zum Allradler. Nun verteilt das System die Kraft des Motors automatisch auf die einzelnen Räder und portioniert sie so, wie es am sinnvollsten ist. Wer sich doch einmal ins Gelände verirrt, kann die Traktion mit einer zuschaltbaren Differenzialsperre noch einmal steigern.
Einen bleibenden Eindruck hinterlässt der Nissan X-Trail zwar nicht, aber er präsentiert sich als ein unkomplizierter, zuverlässiger und variantenreich einsetzbarer Begleiter mit vernünftiger Kostenbilanz. Das ist es wohl, was die Fahrer eines solchen Soft-Geländewagens an einem Auto schätzen - und was die SUVs von Nissan so erfolgreich macht. Technische Daten Nissan X-Trail Acenta 1.6 dCi 4WD: R4-Dieselmotor mit 1,6 Litern Hubraum und Turboaufladung; Leistung 96 kW (130 PS); max. Drehmoment: 320 Nm bei 1750/min; Leergewicht: 1655 kg; Kofferraum: 550 - 1982 l;0 - 100 km/h: 11,0 s; Vmax: 186 km/h; Testverbrauch: 7,2 l / 100km (lt. Werk: 5,3; CO2-Ausstoß: 139 g/km); Euro 6; Grundpreis: 32 200 Euro Das Testfahrzeug wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.