Kfz-Versicherung:Wer zahlt bei Winterschäden am Auto?

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So sahen nach dem Schneewochenende einige Autos in München aus. Wer kommt nun für den Schaden auf? (Foto: Robert Haas)

Bei extremer Witterung rutschen Autos in den Graben, Bäume stürzen unter der Last des Schnees aufs Blech. Die Versicherung springt aber nicht immer ein. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Birgit Kruse und Felix Reek

So viel Schnee in so kurzer Zeit gab es seit den Wetteraufzeichnungen noch nie im Süden Deutschlands. Das wirkt sich auch auf den Verkehr aus. Tage später sind weiterhin nicht alle Straßen geräumt und die öffentlichen Verkehrsmittel weit entfernt vom Regelbetrieb. Bäume wurden entwurzelt, Oberleitungen beschädigt, Autos rutschten in Gräben. 785 Mal rückten am Wochenende allein die Einsatzkräfte der Feuerwehr München aus. Dafür mussten die Fahrzeuge sogar mit Schneeketten ausgerüstet werden.

Das Chaos ist bislang nicht ganz beseitigt. Nicht nur, dass noch immer viele Pkws unter dicken Schneehaufen vergraben liegen. In vielen Straßen sind Äste von den Bäumen abgebrochen. Und wer es in den vergangenen Tagen zu seinem Auto geschafft hat, der ist möglicherweise auf der glatten Fahrbahn ins Schlingern gekommen und wurde in einen Unfall verwickelt.

Bei den Versicherungen wird es in diesen Tagen vermutlich viel zu tun geben. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Mit Sommerreifen bei Schnee unterwegs - zahlt die Versicherung?

"Eine generelle Winterreifenpflicht gibt es in Deutschland nicht, stattdessen eine situative (§ 2 (3a) StVO)", teilt der ADAC mit. Das heißt, bei Glatteis, Schneeglätte und Schneematsch darf nur mit Winterreifen gefahren werden. Diese Vorgabe zu ignorieren, gefährdet nicht nur den Autofahrer selbst, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer. Winterreifen weisen aufgrund ihrer speziellen Gummimischung und Profilierung deutlich bessere Fahreigenschaften bei Schnee und Kälte auf. "Bei einem Unfall, egal ob mit Beteiligung anderer oder ohne, wird der Versicherer deswegen sehr genau schauen, ob grobe Fahrlässigkeit besteht", sagt Peter Grieble vom Verbraucherschutz Baden-Württemberg. In diesem Fall gilt ein geringerer oder gar kein Versicherungsschutz. In manchen Verträgen lässt sich grobe Fahrlässigkeit aber auch ausschließen, das heißt, die Versicherung greift auch, wenn grob fahrlässig gehandelt wurde. Entscheidend für die Versicherer ist auch, ob die falsche Bereifung Auswirkungen auf den Unfall hat, so Sabine Schaffratz von der Allianz. Es gilt zu beweisen: "Mit Winterreifen wäre dieser Schaden nicht passiert", so Schaffrath. "Das wird ziemlich schwer. Es kann aber sein, dass die Mitschuld anders bewertet wird, weil beispielsweise mit der vorgeschriebenen Bereifung der Bremsweg kürzer gewesen wäre." Sie weist darauf hin, dass dies auf keinen Fall eine Aufforderung sein soll, mit Sommerreifen im Winter zu fahren. "Wir sollten alle darauf achten, dass wir mit einem sicheren Fahrzeug unterwegs sind. Dies kann dazu beitragen, schwere Unfälle zu vermeiden."

Wer hat Schuld bei einem Unfall auf Glatteis?

Glatte Fahrbahnoberflächen sind selbst für Autos mit Winterreifen fatal. Kontrolliertes Fahren ist unter diesen Bedingungen fast unmöglich. Bei einem Unfall kommt es hier auf den Einzelfall an. Der TÜV Nord zitiert hier ein Urteil des Oberlandesgerichts: "Jeder Autofahrer muss sich bei Glatteis darauf einstellen, dass sich schon geringste Fahrfehler anderer Verkehrsteilnehmer gravierend auswirken können." Die Fahrweise sollte also dementsprechend angepasst werden. Bei einem Zusammenstoß müssen Unfallgeschädigte damit rechnen, immer eine Teilschuld zu haben.

Auf Glatteis in die Leitplanke gerutscht - wann zahlt die Versicherung?

Wenn das Fahrzeug aufgrund der Witterung ohne Beteiligung anderer von der Straße abkommt, übernimmt die Vollkaskoversicherung auch selbstverschuldete Schäden am eigenen Auto. Die Teilkaskoversicherung greift nur bei Schäden an der Windschutzscheibe. Die Haftpflichtversicherung springt ein, wenn der Pkw gegen die Leitplanke oder einen Baum rutscht und dort Schäden verursacht. Der Schutzbrief ermöglicht das Abschleppen oder Herausziehen aus dem Graben auf Kosten der Versicherung.

Wer ist schuld, wenn fliegender Schnee oder Eis auf der Autobahn mein Fahrzeug beschädigt?

"Wenn sich eine Eisplatte beim Anfahren oder während der Fahrt löst und Ihr Auto dadurch beschädigt wird, ist der Fahrer des verursachenden Fahrzeugs beziehungsweise dessen Kfz-Versicherung für den Ausgleich verantwortlich", sagt der TÜV Nord. Kann der Unfallverursacher nicht ermittelt werden, bleiben Autobesitzer, sofern sie nicht vollkaskoversichert sind, auf dem Schaden sitzen. Die Teilkaskoversicherung ersetzt nur eine beschädigte Windschutzscheibe. Autofahrer sollten deshalb vor Fahrtantritt ihr Fahrzeug von Schnee und Eis auf dem Dach, an allen Scheiben, den Scheinwerfern und Fahrzeugsensoren entfernen. Kommt es wegen schlechter Sicht oder herabfallender Eisbrocken zu einem Unfall, kann die Kaskoversicherung die Leistungen kürzen.

Nur ein Guckloch in der Scheibe freigekratzt und so einen Unfall verursacht - zahlt die Versicherung?

Wer kennt das nicht - es ist frühmorgens, die Zeit knapp und das ganze Auto unter einer Eisschicht verschwunden. Ein wenig auf der Frontscheibe freikratzen sollte reichen. Und schon ist ein anderes Auto touchiert, weil die Sicht so schlecht ist. "In diesem Fall müssen sich Autofahrer darauf einstellen, dass der Versicherer das als grob fahrlässig einstuft", sagt Peter Grieble von der VZ Baden-Württemberg. Das heißt, die Versicherung zahlt nicht. Es sei denn, grobe Fahrlässigkeit wurde im Vertrag ausgeschlossen. Was er keineswegs als Empfehlung verstehen will. Um die eigene Sicherheit und die aller anderen Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten, sollten alle Scheiben vollkommen eisfrei sein.

Ein Baum ist durch die Schneemassen auf mein Fahrzeug gekracht - greift meine Autoversicherung?

Sabine Schaffrath von der Allianz sagt zunächst einmal: "Kommt darauf an." "Die Kfz-Haftpflichtversicherung kümmert sich um die Schadenersatzansprüche Dritter, also wenn ich mit meinem Auto der Verursacher bin", so Schaffrath. Die Teilkaskoversicherung übernimmt einzelne Schadensbereiche beim eigenen Auto. Also zum Beispiel Brand, Hagel, Sturm oder Diebstahl. Wird das Auto von einem durch Schneelast umstürzenden Baum getroffen, ist in der Teilkaskoversicherung meistens nur die Windschutzscheibe versichert. Hier lohnt sich jedoch ein Blick in die Versicherungsbedingungen, da einige Versicherer Schäden verursacht durch Schneedruck in der Teilkaskoversicherung decken. Es ist aber auch möglich, dass es eine Haftung des Eigentümers des Baums gibt. Etwa, weil der Baum in keinem guten Zustand war und deswegen unter der Schneelast zusammengebrochen ist. Das muss aber ein Gutachter feststellen. Die Vollkaskoversicherung ist eine Erweiterung der Teilkaskoversicherung und deckt weitere Schäden ab - beispielsweise selbstverschuldete Unfalle oder Schäden durch Schneedruck, sollten diese nicht bereits in der Teilkaskoversicherung mitversichert sein (falls zu lang, alternativ Vandalismus). Ist der Ast durch Sturm oder Hagel auf dem Auto oder der Fahrbahn gelandet und hat so einen Unfall verursacht, zahlt ebenfalls die Vollkaskoversicherung, die Teilkaskoversicherung je nach Bedingungswerk erst ab Sturmstärke sieben oder acht.

Kratzer auf dem Autodach durch Kinder - wer haftet?

Der Wintereinbruch hat auch seine schönen Seiten - zum Beispiel eine ordentliche Schneeballschlacht. Autodächer bieten den perfekten Nachschub. Beim Herunterkratzen mit den Händen können aber Schäden im Lack entstehen. "Das kommt sogar ziemlich häufig vor", sagt Peter Grieble von der VZ Baden-Württemberg. Bis sieben Jahre können Kinder nicht haftbar gemacht werden, so der Experte. Das heißt, der Autofahrer bleibt auf seinem Schaden sitzen, es sei denn, den Eltern kann eine grobe Verletzung der Aufsichtspflicht nachgewiesen werden. Sind die Kinder älter, greift die Haftpflichtversicherung der Eltern, wenn diese keine Klausel hat, die solche Fälle ausschließt.

Werde ich nach der Meldung des Schadens bei meiner Versicherung zurückgestuft?

Selbst wenn die Versicherung zahlt, egal ob Voll- oder Teilkasko, ist eine Rückstufung in eine ungünstigere Schadenfreiheitsklasse (SF-Klasse) meist unvermeidlich, so die Verbraucherzentrale NRW. Die Versicherungsprämie kann sich im Folgejahr deutlich erhöhen, da man in eine ungünstigere SF-Klasse rutscht. Wie zurückgestuft wird, listet jeder Versicherer in einer eigenen Tabelle auf. Zudem erfolge die Rückstufung unabhängig von der Schadenhöhe. Auch ein zuvor vereinbarter Selbstbehalt ist zu zahlen.

Wann lohnt es sich, den Schaden selbst zu bezahlen?

Das ist vorwiegend bei geringeren Sachschäden eine Option - sowohl für Fremd- als auch Eigenschäden, sagen die Verbraucherschützer und nennen eine Faustformel: Bis zu einer Höhe von 1000 Euro ist es demnach oft günstiger, selbst in die Tasche zu greifen.

Kann ich den Schaden zurückkaufen?

Oft ist es möglich, einen zunächst von der Versicherung übernommenen Schaden doch noch selbst zu zahlen und so eine Rückstufung zu vermeiden. Das sei auch deswegen eine gute Möglichkeit, da die Kosten eines Unfalls vorher nur schwer einschätzbar seien. Wie teuer eine Rückstufung in der Haftpflicht und der Vollkasko wirklich ausfällt, ist unterschiedlich. "Das ist abhängig von der Schadenshöhe, der SF-Klasse mit Rückstufungsschritt, über welchen Zeitraum ich die zukünftig höheren Beiträge betrachte und ob eine Rabattschutzklausel vereinbart ist. Die Rückstufungskosten können schnell vierstellige Beträge ausmachen", so Grieble von der VZ Baden-Württemberg. Für den Rückkauf des Schadens haben Versicherte in der Regel ein halbes Jahr nach der Regulierung durch die Versicherung Zeit. Welche Frist genau gilt, steht in den Unterlagen der Versicherung. Um nach einem Schaden erst gar nicht zurückgestuft zu werden, kann man auch einen Rabattschutz abschließen. Damit hat man meist einen Schaden im Jahr frei. Solche Optionen erhöhen den Versicherungstarif. Sie könnten sich etwa für Vielfahrer und bei kostspieligen Autos rechnen. Allerdings gilt dieser nur bei der jeweiligen Versicherung. Nach einem Schaden und Wechsel wird man in der Regel entsprechend zurückgestuft.

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