Diesel-Urteil:"Das Verkehrsministerium fühlt sich der Autoindustrie verbunden"

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Krautzberger schlägt zwei neue Plaketten vor, um zu erkennen, welche Diesel sauber sind und welche nicht. (Foto: imago/photothek)

Die Chefin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger, sieht keine Alternative zu Diesel-Fahrverboten. Sie schlägt zwei neue Plaketten vor - damit mehr Menschen ihren Diesel weiterfahren können.

Interview von Michael Bauchmüller, Berlin

Fahrverbote - aber wie? Seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts stehen Kommunen vor einer schwierigen Situation: Sie dürfen alte Diesel aussperren, können das aber kaum kontrollieren. Nötig seien zwei verschiedene Plaketten, sagt Maria Krautzberger, die Präsidentin des Umweltbundesamtes - so hätten auch nachgerüstete Autos eine Chance.

Frau Krautzberger, das Bundesverwaltungsgericht hat Fahrverbote für zulässig erklärt. Wer trägt die Verantwortung?

Maria Krautzberger: Wir haben einen Grenzwert, der sich am technisch Machbaren orientierte. Aber die Hersteller haben das technisch Machbare nicht in ihre Autos eingebaut. Die haben alle möglichen Bedürfnisse bedient, nur nicht das nach guter Luft. Mit dem Ergebnis, dass ein Euro-5-Diesel durchschnittlich mehr Stickoxid emittiert als einer mit Euro 3 oder Euro 4 - zumindest vor den Software-Updates. Eigentlich ein Skandal.

Wir hätten die ganze Debatte nicht, wenn die Norm eingehalten worden wäre?

So ist es. Würde die Norm durchgängig auf der Straße eingehalten und nicht nur im Labor, dann hätten die wenigsten Städte ein Problem mit Stickstoffdioxid. Dann könnten wir uns die ganze Debatte um Fahrverbote sparen. Mit dem Urteil jetzt haben wir nur noch die Wahl, wie wir die Fahrverbote umsetzen. Es wird kein Weg daran vorbeiführen, jedenfalls nicht in den Städten mit den höchsten Überschreitungen.

Die Städte beklagen, dass sie Fahrverbote nicht kontrollieren können. Weil den Autos ein sichtbares Kennzeichen fehlt, ob sie Grenzwerten genügen oder nicht.

Wie sollen die Städte auch unterscheiden, ob da gerade ein Euro 5 vorbeifährt oder der sauberste Euro-6d-Wagen? Genau deshalb brauchen wir die blaue Plakette. Sonst landen wir in einem Flickenteppich kommunaler Lösungen, mit abgesperrten Streckenabschnitten, die den Verkehr nur verlagern. Allerdings wird eine einzige Plakette nicht reichen. Wir brauchen zwei.

Das müssen Sie erklären.

Damit hätten die Städte eine Möglichkeit, auf ihre jeweilige lokale Belastung zu reagieren. Deshalb schlage ich eine hellblaue Plakette für Euro-5-Diesel vor, die nachgerüstet wurden, und für bereits zugelassene Euro-6 Diesel. Eine dunkelblaue Plakette bekämen die Diesel mit den neuen Abgasstufen Euro 6d-TEMP oder Euro 6d, die deutlich weniger Stickoxid emittieren. Schon mit der hellblauen Plakette könnten dann viele Kommunen 2020 die Grenzwerte einhalten. Die dunkelblaue würde später eingeführt und wäre insbesondere in hoch belasteten Städten nötig.

Zum Beispiel?

München müsste sicherlich eine dunkelblaue Plakette vorschreiben, um den Grenzwert einzuhalten. Da dürften neben neueren Benzinern dann nur noch modernste Diesel fahren. Für Städte wie Mainz dagegen, in denen der Grenzwert nicht so arg überschritten wird, könnte eine hellblaue Plakette reichen. Hier könnten also mehr Autofahrer ihren Diesel weiterfahren, wenn er nachgerüstet wurde. Übrigens auch mehr, als die Leipziger Richter vorschlugen: Die sprachen von einem Verkehrsverbot für alle Euro-5-Autos.

Maria Krautzberger, 63, ist seit 2014 Präsidentin des Umweltbundesamtes. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Die Autoindustrie warnt, dass nachgerüstete Fahrzeuge mehr Kraftstoff verbrauchen. Das sei schlecht fürs Klima.

Wir sollten hier nicht den Gesundheitsschutz gegen das Klima ausspielen. Der Klimaschutz im Verkehrsbereich wird nicht an der Nachrüstung scheitern. Für klimafreundliche und lebenswerte Städte brauchen wir vor allem mehr Rad- und Fußverkehr und mehr Nahverkehr. Übrigens beträgt der Mehrverbrauch nach einer ADAC-Studie zwischen ein und sechs Prozent. Würden wir zukünftig Autos mit weniger PS kaufen, wäre das schnell wieder drin.

Millionen Bürger werden ihr Auto nicht nachrüsten können. Haben Sie mit denen kein Mitleid?

Moment, wir reden hier nur über rund 66 Städte, in denen die Grenzwerte überschritten werden. Wer da nicht hinfährt, braucht auch keine Plakette. Zudem gelten Umweltzonen meist nicht für das gesamte Stadtgebiet. Das kommt in der Diskussion immer ein bisschen kurz. Und Mitleid habe ich auch mit den Bürgern in den Städten, die schlechte Luft ertragen müssen. Die beiden Plaketten sind ein pragmatischer Vorschlag, um das Urteil jetzt schnell und mit Augenmaß umzusetzen.

Viele Bürgermeister setzen aber eher auf die Zeit als auf Plaketten. Erledigt sich das Thema nicht von selbst, wenn die Dieselflotte schrittweise ersetzt wird?

Ob die Plaketten wirklich gebraucht werden, muss jede Stadt selbst prüfen. Aber Fahrverbote drohen bereits jetzt, das hat das Bundesverwaltungsgericht klargemacht. Dann doch lieber eine einheitliche Lösung. In Städten, die nur ganz knapp über dem Grenzwert liegen, mag Abwarten funktionieren, auch mit mehr Nahverkehr und Software-Updates. In anderen dagegen wird das nicht reichen, wir haben das durchgerechnet. Da werden im Gegenteil erst Plaketten dazu führen, dass die Flotte rascher ersetzt oder wirksam nachgerüstet wird.

Wer soll diese Nachrüstung bezahlen?

Natürlich die Automobilindustrie. Das ist gar keine Frage.

Bisher will die Koalition nichts von Fahrverboten wissen, vor allem das Verkehrsministerium sträubt sich. Wie lange noch?

Das Verkehrsministerium fühlt sich leider immer auch der Autoindustrie verbunden. Das war bisher offensichtlich immer wichtiger als die reine Luft. Das geht mit diesem Urteil so nicht mehr.

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© SZ vom 06.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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