Fahrverbots-Urteil:Kann man jetzt noch einen Euro-6-Diesel kaufen?

Diesel-Fahrverbote: Blaue Plakette für Euro-6-Norm

"Dieses Fahrzeug erfüllt die Euro-6-Norm", sagt die Plakette. Aber reicht das in ein paar Jahren noch?

(Foto: dpa)

Heute noch sauber, morgen mit Fahrverboten belegt: Was Besitzer eines Euro-5-Diesel jetzt erleben, könnte neuen Modellen auch bald blühen.

Von Thomas Harloff

Vor drei Jahren war die Lage für die Autokäufer noch simpel: Fast die Hälfte von ihnen griff zum Diesel, denn der sparte Sprit und schonte damit nicht nur den Geldbeutel, sondern auch die Umwelt - so die Annahme. Die Frage, was genau aus dem Auspuff kam, stellte sich nur eine Minderheit. Es gab zwar einige Dieselautos, die bereits die Euro-6-Norm erfüllten, also beim Zulassungstest auf dem Rollenprüfstand maximal 80 Milligramm Stickoxid pro Kilometer ausstießen. Aber sie wurde erst im September 2015 für alle neu zugelassenen Autos zur Pflicht. Bis dahin entsprachen Euro-5-Diesel, deren Stickoxid-Emissionen im Labor bei 180 Milligramm pro Kilometer liegen durften, uneingeschränkt den Regeln. Also griffen die Autokäufer zu - das Euro-5-Auto war zudem im Zweifel das billigere.

Heute ärgern sich viele dieser Autokunden über die damalige Entscheidung. Denn inzwischen ist viel passiert. Der VW-Dieselskandal. Verdächtigungen gegen viele andere Hersteller. Druck von der EU-Kommission, dass Städte mit hoher Stickoxidbelastung für sauberere Luft sorgen müssen. Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die bis vor das Bundesverwaltungsgericht führten - und damit nun zu einem Urteil, das es Städten erlaubt, Fahrverbote für ältere Dieselautos zu verhängen. Auch für nur drei Jahre alte Euro-5-Diesel.

Derzeit scheint die Lage wieder so simpel zu sein wie damals. Diesel-Pkw mit der Euro-6-Abgasnorm sind nicht von Fahrverboten betroffen. Sie können bedenkenlos gekauft werden, sagen zumindest die Hersteller und drücken immer mehr dieser Modelle in den Markt. Auch mit sogenannten Umweltprämien, über die sie Rabatte gewähren, wenn Neuwagenkäufer ihren alten Diesel gegen einen aktuellen eintauschen. Derzeit sind mehr als vier Millionen Euro-6-Diesel auf deutschen Straßen unterwegs, gut ein Viertel des gesamten Dieselbestandes ist nach dieser Abgasnorm zertifiziert. (Nähere Informationen zur Abgasreinigung von Euro-6-Diesel hier.)

Allzu sicher sollten sich die vier Millionen Besitzer dieser Autos jedoch nicht fühlen. Darauf wies Barbara Hendricks (SPD) bereits im vergangenen Sommer hin: "Auch Euro-6-Fahrzeuge halten die Grenzwerte nicht ein und können ohne Nachrüstungen von etwaigen Fahrverboten nicht ausgenommen werden", sagte die Bundesumweltministerin damals. Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen hält gar 95 Prozent aller Euro-6-Diesel für "Mogelpackungen" und fürchtet Fahrverbote für solche Autos. Das Umweltbundesamt (UBA) geht davon aus, dass sie im Realbetrieb im Schnitt sechsmal mehr Stickoxide ausstoßen als erlaubt - also 480 statt 80 Milligramm pro Kilometer. UBA-Chefin Maria Krautzberger glaubt deshalb nicht, dass allein eine Durchwälzung des Bestandes auf deutlich mehr Euro-6-Diesel die Stickoxidbelastung spürbar verringern wird.

Kaum Euro-6d-Temp-Diesel auf dem Markt

Höhere Erwartungen darf man an Dieselautos mit der Abgasnorm "Euro 6d Temp" haben. Von September 2019 an müssen alle neu zugelassenen Autos deren Vorgaben erfüllen. Die unterscheiden sich zwar nicht von denen der Euro-6b-Norm, werden aber anders ermittelt. Um die normale Euro-6-Norm einzuhalten, reicht es, wenn ein Auto die Grenzwerte im Labor schafft. Euro-6d-Temp-Modelle müssen ihr Abgasverhalten auch auf der Straße nachweisen. Allerdings müssen sie dort nicht strikt den Stickoxid-Laborwert erfüllen. Sie dürfen im realen Betrieb 168 Milligramm pro Kilometer ausstoßen, also das 2,1-fache des Prüfstandwertes.

Für Barbara Hendricks sind solche Diesel schon heute der Schlüssel zu besserer Stadtluft: "Wenn Bürger ganz sicher sein wollen, dass sie eines Tages nicht von Fahrverboten betroffen werden, dann müssten sie ein Fahrzeug kaufen, das nach der Euro-6d-Norm zugelassen ist", sagte die Umweltbundesministerin im Sommer 2017. Auch der ADAC rät zu solchen Modellen. Das Problem: Selbst wer so ein Auto heute haben möchte, kann nur aus einem guten Dutzend Dieselmodellen wählen. Sie verteilen sich zudem auf nur wenige Hersteller, die sich wiederum im eher hochpreisigen Segment ansiedeln (hier eine vom ADAC zusammengestellte Liste). Für viele Autokäufer dürften diese Modelle schlicht nicht bezahlbar sein.

Den sauberen Euro-6-Diesel gibt es

Und so bleibt derzeit kaum etwas anderes übrig, als sich auf dem Euro-6-Markt umzusehen. Auch der bietet Diesel, die in Tests mit gutem Abgasverhalten überzeugten. Die Fachzeitschrift Auto, Motor und Sport testete die aktuellen Versionen des BMW 520d, Mercedes E 220d und Opel Zafira 1.6 Diesel mit Stickoxidwerten, die auch auf der Straße unter den gesetzlichen Vorgaben liegen. Der ADAC sah diese drei Modelle in seinem letzten Ecotest ebenfalls weit vorne. Er empfiehlt außerdem den Mercedes S 400d und den BMW 118d. Selbst die sehr kritische DUH erklärt, dass es den sauberen Diesel gibt - wenn die Abgasreinigung optimal eingesetzt wird. In ihren Tests schneiden Autos von Mercedes und aus dem VW-Konzern teils mit hervorragenden Werten ab.

Nur: In den Fahrzeugpapieren steht auch bei diesen Modellen die normale Euro-6-Norm. Sollten irgendwann auch für solche Autos Fahrverbote kommen, dann fragt kein Polizist oder Mitarbeiter des Ordnungsamtes nach den Tests der Autozeitschriften, des ADAC oder der Umwelthilfe. Dann müssten diese Autos qua Einstufung draußen bleiben, oder ihre Besitzer riskieren Strafen.

Dieselkäufer sollten flexibel bleiben

Doch all das sind bisher nur Annahmen. Wie die Situation in drei oder vier Jahren aussieht, kann heute noch niemand sagen. Dazu muss sich erst der Fahrzeugbestand erneuern und weiter die Luftqualität in Städten gemessen werden. Außerdem, davon ist auszugehen, werden sich auch Politik und Justiz weiter mit dem Thema beschäftigen. Solange das so ist, kann man Euro-6-Dieselfahrern und -käufern nur raten, möglichst flexibel zu bleiben. Ein solches Auto zu leasen oder so zu finanzieren, dass sie in drei oder vier Jahren die Situation noch einmal neu bewerten und im Zweifel auf ein anderes Auto umsteigen können.

Oder sie machen einen Bogen um jene Städte, in denen Fahrverbote diskutiert werden. Denn so heiß die Dieseldebatte derzeit auch geführt wird: Es werden auch nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes keine Diesel verboten, es muss deshalb kein einziges Auto verkauft oder gar verschrottet werden. Es sind lediglich Fahrverbote für die Zentren einiger Städte im Gespräch. Wer fast nur auf Landstraßen und Autobahnen, in kleinen Städten oder durch die Randbezirke großer Städte fährt, hat mit dem Auto kein Problem. Egal, welche Abgasnorm es erfüllt.

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