Sozialleistungen:Bürgergeld nimmt erste Hürde

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Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verteidigt das Bürgergeld gegen Kritik der Oppositionsparteien. (Foto: Michele Tantussi/Reuters)

Die Ampelkoalition setzt sich im Bundestag nach einer heftigen Debatte im Streit um die Ablösung von Hartz IV durch. Doch ob die Reform pünktlich kommt, bleibt unsicher.

Von Benedikt Peters

Die SPD-geführte Bundesregierung hat einen weiteren Schritt getan, um das Erbe der Agenda 2010 hinter sich zu lassen. Der Bundestag stimmte am Donnerstag für das sogenannte Bürgergeld, es soll das bisherige Hartz-IV-System ersetzen. Ob die Reform, die zu den wichtigsten Vorhaben der Ampel-Koalition zählt, allerdings wie geplant zum 1. Januar kommt, ist äußerst unsicher. Die Union droht damit, das Vorhaben im Bundesrat zu blockieren, die Entscheidung in der Länderkammer soll voraussichtlich am kommenden Montag fallen.

Mit dem Bürgergeld sollen Sozialleistungsempfänger künftig etwa 50 Euro mehr im Monat bekommen, der Regelsatz soll auf 502 Euro steigen. Die Anhebung entspricht in etwa der aktuellen Inflationsrate von gut zehn Prozent. Die Reform setzt aber noch weitere Schwerpunkte: Der Staat soll demnach insgesamt ein freundlicheres Gesicht zeigen und mehr Menschen in qualifizierte Arbeit bringen.

So will die Bundesregierung in den ersten zwei Jahren des Bürgergeldbezugs Mietkosten oder Raten für das Eigenheim in unbegrenzter Höhe übernehmen, damit die Betroffenen in dieser Zeit nicht mehr umziehen müssen. Aus- und Weiterbildungen sollen ebenso wie Nebenverdienstmöglichkeiten stärker gefördert werden. Es soll zudem weniger Sanktionen geben, wenn Bezieher nicht mit dem Jobcenter zusammenarbeiten. In den ersten sechs Monaten kann dann maximal zehn Prozent des Bürgergelds gekürzt werden.

Die Debatte im Bundestag drehte sich nicht nur um diese Punkte, sie zeichnete sich auch durch einen überaus giftigen Ton aus. Abgeordnete der Regierungsfraktionen warfen der Union mehrfach vor, Falschnachrichten zu verbreiten. Hintergrund ist ein Streit um die Frage, ob sich Arbeiten künftig noch lohnt. Die Union hatte dazu teilweise Rechenbeispiele weiterverbreitet, die Zusatzzahlungen für Geringverdiener, etwa Wohngeld und Leistungen für Kinder, außer Acht ließen. Außerdem hatten Christdemokraten nahegelegt, im Bürgergeld gäbe es künftig keine Sanktionen mehr. Die Union erfinde "alternative Fakten", kritisierte der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel.

CDU-Chef Friedrich Merz sprach nicht im Bundestag, dafür warf Fraktionsvize Hermann Gröhe der Ampelkoalition vor, sich einer Debatte über die Fehler des Bürgergelds zu verweigern. "Mit dieser Arroganz werden Sie scheitern", sagte er. Gröhe bekräftigte, dass die Union das geplante Schonvermögen - Bürgergeldempfänger sollen in den ersten zwei Jahren 60 000 Euro behalten dürfen, jede weitere Person im Haushalt 30 000 Euro - für falsch halte, ebenso wie die Lockerung der Sanktionen. Die Linke wiederum kritisierte, die geplante Erhöhung des Regelsatzes um etwa 50 Euro monatlich sei zu niedrig. "Das Bürgergeld ist zu wenig für Würde und auch zu wenig für eine neue Waschmaschine", sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch. Die Partei fordert eine Anhebung um mindestens 200 Euro.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) warb nach der Debatte um die Zustimmung der Union. Bei einem "Nein" im Bundesrat müsse ein Vermittlungsverfahren bis Ende November abgeschlossen sein, forderte Heil. Klappt das nicht, kann die Bundesregierung ihre größte Sozialreform nicht pünktlich umsetzen.

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