UN-Gipfel in Lima:Klimaschutz, so einfach wie nutzlos

UN-Gipfel in Lima: Aktivisten haben angesichts der drohenden Klimakatastrophe einigen hochrangigen Politikern schon einmal ein Plätzchen im Rettungsboot organisiert.

Aktivisten haben angesichts der drohenden Klimakatastrophe einigen hochrangigen Politikern schon einmal ein Plätzchen im Rettungsboot organisiert.

(Foto: AP)

Der Gipfel in Lima war eine Enttäuschung. Klimaschutz wird immer mehr zu einem Projekt der Freiwilligkeit: ohne Kontrolle, ohne Ehrgeiz, ohne Gewähr. Auch dem Gipfel 2015 in Paris droht das Scheitern. Europa muss jetzt für eine neue zwischenstaatliche Ordnung Mitstreiter suchen.

Ein Kommentar von Michael Bauchmüller

Es ist noch gar nicht lange her, da schienen die globalen Umweltprobleme Teile eines großen Puzzles zu sein, das es nur richtig zusammenzusetzen galt. 1992 war das, beim Earth Summit, dem Erdgipfel in Rio de Janeiro. Eben erst war der Eiserne Vorhang gefallen, am Horizont zeichnete sich eine Art neuer globaler Gemeinschaft ab. Endlich konnten Staaten auf grenzüberschreitende Probleme gemeinsame Antworten suchen. Und die Zahl der Puzzleteile für den Klimaschutz war sogar noch halbwegs überschaubar, das Problem lösbar. Es war die Geburtsstunde der Klimarahmenkonvention, der Mutter aller Klimakonferenzen.

Zwanzig Konferenzen später sind die Staaten der Welt der Lösung kein Stück näher gerückt. Im Gegenteil: Seit 1992 sind die klimaschädlichen Emissionen um mehr als 50 Prozent gestiegen. Fünf Mal haben die Wissenschaftler des Weltklimarats seither ihre Berichte vorgelegt, einer alarmierender als der andere. Der letzte erschien erst vor sechs Wochen.

Gemessen daran ist der Verlauf der jüngsten Klimakonferenz eine Katastrophe. Entwürfe für mehr Klimaschutz wurden präsentiert, verworfen und abgeschwächt erneut vorgelegt. Am Ende ist das wichtigste Ergebnis von Lima, dass das Treffen nicht am Streit um Kommata und Fußnoten scheiterte. Nun soll 2015 ein neues globales Klimaabkommen die Arbeit der Vorjahre krönen. Nur ist Verhandeln kein Selbstzweck - und ein neues Abkommen muss kein Garant dafür sein, dass sich die Staaten wirklich auf jenen Weg begeben, den sie 1992 beschlossen haben.

Die Willigen, die Fähigen und die Hilflosen müssen kooperieren

Denn was mit dem Kyoto-Protokoll einmal als verpflichtender Rahmen für Industriestaaten begann, wird immer mehr zu einem Projekt der Freiwilligkeit: ohne Kontrolle, ohne Ehrgeiz, ohne Gewähr. Die Beliebigkeit ist der Preis dafür, dass am Ende alle Länder dabei sind, sie macht Klimaschutz einfach und nutzlos zugleich. Diese Entwicklung hat sich in Lima fortgesetzt - und hat die Delegierten trotzdem nicht daran gehindert, sich anschließend gegenseitig auf die Schulter zu klopfen. Der Klimaschutz hätte Besseres verdient als solche Konferenzen.

Immerhin aber hat das Treffen offenbart, warum alle Bekenntnisse zum Klimaschutz - zuletzt selbst aus China - am Ende stets in sinnlose Wortklaubereien münden. Die Staaten wollen den Klimaschutz für die Zeit nach 2020 organisieren, verharren aber in der Weltordnung von 1992.

Seinerzeit ließ sich leicht klären, wer den Kampf aufnehmen muss und wer nicht. Die Industriestaaten hatten schon zur Genüge Treibhausgase in der Atmosphäre abgeladen. Entwicklungsländer dagegen wollten sich, ganz zu Recht, Chancen auf Wachstum nicht durch den Kampf gegen die Erderwärmung verbauen lassen. An dieser starren Aufteilung hält selbst ein aufstrebendes Land wie China bis heute fest - obwohl es bald genauso viel Treibhausgase produziert haben wird wie die Vereinigten Staaten. Das kann nicht funktionieren.

Für die Willigen schlägt jetzt die Stunde der Diplomatie

Wirksame Klimapolitik verlangt nichts weniger als eine neue zwischenstaatliche Ordnung, die einerseits historische Verantwortung umfasst, andererseits aber auch die Verantwortlichen der Gegenwart in die Pflicht nimmt. Gelingen müsste das 2015, wenn in Paris ein neues Klimaabkommen entstehen soll. Dafür müssten die Staaten das gemeinsame Interesse an einer Lösung des Klimaproblems stärker gewichten als Verteilungsfragen in einer globalisierten Ökonomie. Das sind sie in Lima schuldig geblieben.

Deshalb ist ein Durchbruch 2015 umso schwerer erreichbar. Womöglich gelingt es, die alte Weltordnung der Klimapolitik aufzubrechen - aber nur um den Preis, dass die größten Emittenten Klimaschutz ohne jede Garantie vereinbaren. Oder es gelingt nicht: Dann wird die Klimakonferenz in Paris so scheitern wie einst jene in Kopenhagen. In beiden Fällen ließe sich ein katastrophaler Klimawandel nicht mehr aufhalten.

So muss es nicht kommen, noch bleibt ein Jahr Zeit. Die Konferenz in Lima, die anfangs von so vielen guten Nachrichten begleitet war, hat die schwierigen Fragen gnadenlos offengelegt. Für die Willigen unter den Staaten, allen voran die Europäer, schlägt jetzt die Stunde der Diplomatie. Sie werden Allianzen bilden müssen mit denjenigen, die unter einem Scheitern der Pariser Konferenz am meisten zu leiden hätten: mit den ärmsten Nationen, mit kleinen Inselstaaten, mit den ersten Leidtragenden des Klimawandels.

Und sie werden weiter beweisen müssen, dass Klimaschutz und Wachstum nicht im Widerspruch stehen. Ein wirksames Klimaabkommen wird nur gelingen, wenn die Willigen, die Fähigen und die Hilflosen gemeinsame Sache machen. Sonst wird die 21. Konferenz die letzte sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: