Rosetta-Mission:Der Komet ist angebohrt

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In dieser Position - inmitten von Felsen - könnte Philae auf dem Kometen 67P gestrandet sein (Foto: ESA/Rosetta/Philae/CIVA)

Den Weltraumforschern läuft auf Komet 67P die Zeit davon. Landemodul "Philae" hat womöglich nur noch für wenige Stunden Strom. Der soll nun optimal genutzt werden.

Von Christoph Behrens

Mit 100 Wattstunden kommt man in der modernen Welt nicht weit: Fünf Stunden kann man damit am Laptop arbeiten, eine Stunde Fernsehen, einen Liter Wasser kochen. 100 Wattstunden - das dürfte in etwa die Energiemenge sein, die dem Landeroboter Philae auf dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko noch bleibt, schätzt Valentina Lommatsch vom Kontrollzentrum des Landemoduls am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Zwei Tage nach der spektakulären Premiere einer Kometenlandung geht der Weltraumorganisation Esa in 500 Millionen Kilometern Entfernung von der Erde der Strom aus. Philae habe "nur noch einige Stunden Lebensdauer mit seiner Batterie", sagte Projektleiter Philippe Gaudon von der französischen Raumfahrtbehörde CNES am Freitag. "Danach sollen eigentlich die Solar-Batterien übernehmen, aber der Roboter ist im Schatten." Der Roboter bekommt deshalb nicht wie geplant sechs oder sieben Stunden Sonnenlicht am Tag ab, sondern nur eineinhalb.

Kometenlandung von "Philae"
:Unscharfe Bilder aus dem All

Mancher Beobachter bemüht schon einen Vergleich mit der Mondlandung: Die Raumsonde "Philae" hat auf dem Kometen 67P aufgesetzt. Von dort soll sie vor allem Bilder liefern - die ersten Impressionen werden trotz Makel gefeiert.

Der Energiemangel trifft nun als erstes das wissenschaftliche Programm. Einige Experimente hat die Esa bereits eingeschränkt, darunter das Projekt "Ptolemy", das die Verhältnisse von Isotopen leichter Elemente im Kometenstaub bestimmen sollte. Dafür wagten die Forscher es, den Bohrer von Philae anzuwerfen. "Der Bohrkopf ist rund 25 Zentimeter in den Kometen eingedrungen", erklärte Gaudon. "Der Mechanismus hat funktioniert."

Ein Hunderttausendstel der Erdanziehungskraft

Zuvor hatten die Forscher gezögert, in den Kometen zu hämmern, da sie befürchteten, der Rückstoß könne das Raumfahrzeug bei der geringen Gravitation zurück ins Weltall schleudern. Der Komet ist nur etwa vier Kilometer lang, die Schwerkraft dürfte rund ein Hunderttausendstel der Erdanziehungskraft betragen, schätzen die Esa-Forscher. Legte man das 100 Kilogramm schwere Gerät auf dem Kometen auf eine Waage, würde diese also nur ein Gramm anzeigen.

Die Befürchtung eines unbeabsichtigten Abhebens erwies sich als unbegründet, doch die Lage Philaes bleibt problematisch. "Wir sind umgeben von Felsen, eine sehr unglückliche Position", sagte Lommatsch. Philae landete entgegen den Planungen in einer Schrägstellung, womöglich an einem Kraterrand oder in einer Felsspalte.

Das erste Panoramabild, das Philae auf dem Kometen geschossen hat - ein Fuß der Sonde ist noch zu erkennen. Die Sonde befindet sich wohl unter einer Klippe, befürchten die Forscher. (Foto: ESA/Rosetta/Philae/CIVA)

Kurz nachdem der Bohrer sich in Bewegung setzte, ging auch der Funkkontakt mit der Raumsonde Rosetta verloren, die den Kometen in einigen Kilometern Höhe umkreist und das Signal Philaes an die Erde weiterleitet. Die Forscher hoffen nun, dass die Batterie zumindest so lange hält, um die wissenschaftlichen Daten, die Philae gesammelt hat, an Rosetta zu übertragen. Die Verbindung wird wiederhergestellt, wenn Rosetta den Kometen umkreist hat. "Wir kalkulieren gerade, wieviel Strom das derzeitige wissenschaftliche Protokoll benötigt", sagte Lommatsch. Aktuelle Schätzung: rund 80 Wattstunden. Es wird also knapp.

Minus 150 Grad an der Oberfläche

Fieberhaft überlegen die Forscher nun, wie sich Philae so bewegen lässt, dass mehr Licht auf seine Sonnenkollektoren fällt. Überlegt wird etwa, ein Flugruder von Philae auszuklappen, "um den Lander aus dem Loch zu kicken", sagte Stephan Ulamec, der Leiter der Philae-Mission. Den Forschern könnte auch die Flugbahn des Kometen zur Hilfe kommen, der mit Philae huckepack in Richtung Sonne rast. Selbst wenn die Batterie in den nächsten Stunden ausfällt, wäre es denkbar, dass sich der Komet noch dreht und mehr Licht Philaes Solarflächen trifft. "Wir können hoffen, dass der Lander zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufwacht, wenn der Komet näher an der Sonne ist", sagte Ulamec.

Für die Wissenschaftler ist die Mission trotz der schwierigen Energieversorgung ein großer Erfolg. Die Instrumente Philaes haben in den ersten Stunden nach der Landung bereits wertvolle Daten übertragen. Mit den Infrarotsensoren der Sonde konnte Tilman Spohn vom Institut für Planetenforschung am DLR schon die Oberfläche des Kometen abtasten. "Wir schätzen, dass die Temperatur etwa Minus 150 Grad beträgt", sagte Spohn zu SZ.de.

Auch Raumsonde Rosetta funktioniere einwandfrei, schwärmt die Esa. Rosetta hatte Philae nach einer zehn Jahre währenden Reise auf 67P abgesetzt. Auf die Frage, was er den beiden Sonden denn mitgeben würde, könnten sie noch einmal starten, fiel Ulamec nur eines ein: "eine größere Batterie!"

Mit Material von dpa und AFP

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