Raumsonde Rosetta:Esa bangt um "Philaes" Experimente

Aufatmen bei Europas Weltraumforschern: Das Kometen-Landegerät "Philae" sendet Signale - aber von welchem Ort? Das Labor steht wohl schräg unter einer Klippe. Die Wissenschaftler hoffen, dass dort genügend Licht auf die Solarzellen scheint.

Von Alexander Stirn

Die gute Nachricht: Philae ist wohlauf, reagiert und gibt Signale von sich. Die schlechte Nachricht: Wo genau sich der Racker aufhält und in welcher - womöglich misslichen - Lage er sich befindet, ist nach der historischen Tat vom Mittwoch noch unbekannt. Ebenso wie die Frage, ob er die wissenschaftlichen Erwartungen erfüllen kann.

Philae, eine Sonde mit den Abmessungen eines Küchenherds, hatte am Mittwochabend als erstes Raumschiff in der Geschichte der Raumfahrt auf einem Kometen aufgesetzt - dem etwa vier Kilometer langen Felsbrocken Tschurjumow-Gerassimenko, auch 67P genannt. Was zunächst nach einer sauberen Punktlandung aussah, Jubel in den Kontrollzentren und Lobpreisungen von Politikern auslöste, erwies sich bei genauerer Analyse allerdings als Wissenschaftskrimi.

Einen Kilometer hoch abgefedert

Probleme bei der Landung gab es zuhauf: Eine Düse an der Oberseite der nur 100 Kilogramm schweren Sonde, die Philae beim Aufsetzen auf den Kometen drücken sollte, zündete nicht - ein Fehler, den die Forscher im Vorfeld bereits befürchtet hatten. Doch auch die beiden Harpunen, mit denen Philae sich im Kometenstaub verankern sollte, lösten nicht aus - zur Überraschung des Kontrollteams.

ESA-Mission - Philae Mission

Aus einer Höhe von 30 Kilometern sah es noch sehr gut aus: der anvisierte Landeplatz war angepeilt, das Gelände eben. Von dort prallte die Sonde jedoch ab.

(Foto: dpa)

Das Landegerät setzte daher um 16.33 Uhr deutscher Zeit kurz auf, die drei Landebeine spürten den Kometenboden unter den Füßen, was die Experten im Kontrollraum zunächst als gelungene Ankunft interpretierten. Da Tschurjumow-Gerassimenko nur eine winzige Anziehungskraft erzeugt, hob Philae - ohne den Halt der Harpunen - allerdings kurze Zeit später wieder ab. Das Gerät flog auf einer Parabel, erreichte dabei eine Höhe von einem Kilometer und entfernte sich etwa die gleiche Distanz von seiner ursprünglichen Landestelle, sagte Stephan Ulamec, Philae-Projektleiter am Donnerstag beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Etwa zwei Stunden später setzte Philae erneut auf, nur um einen weiteren, kleineren Hüpfer zu vollführen. Um 18.32 Uhr kam der Lander schließlich zur Ruhe.

Verantwortlich dafür war offenbar nicht nur das Versagen der Harpunen, sondern auch die Beschaffenheit des Kometen. Erste Bilder, die Philae zur Erde gesendet hat, zeigen eine felsige Welt - nicht die erwartet staubige Landschaft. "Von dieser harten Oberfläche sind wir offenbar wie von einem Trampolin wieder abgeprallt", sagt Jean-Pierre Bibring, wissenschaftlicher Leiter der Mission.

Wo und wie die Sonde nun genau steht, ist derzeit nicht geklärt. "Nicht am angepeilten Ort, aber auch nicht allzu weit entfernt" - genauer können es die Philae-Forscher derzeit nicht sagen. Bisherige Daten lassen allerdings vermuten, dass die Sonde in einer unebenen Ecke des Kometen zur Ruhe gekommen ist. Eines der drei Landebeine könnte sogar in der Höhe hängen - ohne Kontakt zum Boden.

Energiemangel könnte die Experimente gefährden

Noch deutlich mehr Sorgen macht den Forschern eine Klippe in der Nähe des Landeplatzes, die auch auf den ersten Fotos zu sehen ist. Sie verdeckt teilweise die Solarzellen von Philae. "Statt wie erhofft sechs bis sieben Stunden Sonnenlicht pro Tag bekommen wir offenbar nur eineinhalb Stunden ab", sagt Koen Geurts, technischer Leiter des Landeteams. Noch ist das kein Problem. Die primäre Batterie der Sonde ist gefüllt, wird allerdings nur etwa 60 Stunden halten. Dann soll ein Akku übernehmen, der mit Sonnenlicht aufgeladen werden muss. Ob das klappt, ob die wissenschaftlichen Instrumente nach den ersten 60 Stunden weiter funktionieren, ist noch offen.

Bislang liefern sie aber wie erhofft Daten. So war es bereits in der ersten Nacht möglich, den Kometen zu durchleuchten - mithilfe von Radiosignalen zwischen Philae und ihrer Muttersonde Rosetta, die um Tschurjumow-Gerassimenko kreist. "Das war die erste Tomografie eines kleinen Himmelskörpers", sagt Jean-Pierre Bibring. Auch die Kameras an Bord liefern erste Aufnahmen. Ob Philaes Bohrer zum Einsatz kommen kann, der Proben aus zwei Handbreit Tiefe ans Tageslicht fördern soll, ist hingegen fraglich. "Da wir nicht fest verankert sind, könnten Bohrversuche dazu führen, dass unsere Sonde umkippt", sagt Stephan Ulamec.

Glückwünsche kamen am Donnerstag auch von einem, der selbst gerade eine Landung hinter sich hat: vom deutschen Astronauten Alexander Gerst. Der Geophysiker, der in diesem Jahr sechs Monate auf der Internationalen Raumstation verbracht hatte, gab nur einige Hundert Meter vom Philae-Kontrollzentrum in Köln entfernt eine erste Pressekonferenz - und nutzte die Gelegenheit, "ein großes Kompliment" an seine Kollegen auszusprechen. Für ihn, der nur 400 Kilometer von der Erde entfernt war, sei es unglaublich, ein derart kleines Ziel in mehr als 500 Millionen Kilometern Entfernung zu treffen. "Es ist einer der spannendsten Wissenschaftskrimis, die man sich vorstellen kann", sagte Gerst.

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