Artenschutz:Machtlos gegen Gier, Gauner und das große Geld

Nature, 2nd prize stories - 2016 World Press Photo

Mit Elfenbein lassen sich immense Gewinne erzielen, etwa im Südsudan.

(Foto: Brent Stirton/dpa)

Die Organisierte Kriminalität verschiebt weltweit Elfenbein, Nashornpulver und andere Schätze der Natur. Der Ausverkauf bedrohter Arten hat erst begonnen.

Von Michael Bauchmüller

Dem Aasgeier geht es schlecht, richtig schlecht. Binnen drei Geier-Generationen, so fanden Forscher der Universität York heraus, schrumpfte ihr Bestand in Afrikas Savannen um 80 Prozent, mancherorts verschwanden die Aasfresser ganz. Die meisten wurden vergiftet. Sie störten bei der Arbeit.

Einem Elefanten die Stoßzähne herauszuhacken, ist eine mühselige, blutige, eine brachiale Angelegenheit. Die Wilderer klettern auf das tote Tier, mit der Axt hacken sie den Kiefer auf. Sie zertrümmern so lange die umliegenden Knochen, bis sich der Stoßzahn endlich lockert. Was das mit Aasgeiern zu tun hat? Sie verraten die Wilderer, rufen Ranger auf den Plan - denn in der Zwischenzeit haben die Geier längst begonnen, über dem Kadaver zu kreisen. Deshalb müssen sie sterben. Die Wilderer legen Kadaver aus, vergiftet mit Cyanid. Daran verenden die Geier. So geht es zu im Geschäft mit den Schätzen der Natur.

An diesem Wochenende beginnt in Johannesburg die 17. Konferenz des Washingtoner Artenschutz-Abkommens, eine Versammlung der Machtlosen. Das sogenannte Cites-Abkommen soll den illegalen Handel mit bedrohten Arten unterbinden. Doch stattdessen regieren Gier, Gauner und das große Geld. Und Prestige, Aberglaube und Sammelwut machen schon Erreichtes wieder zunichte. Experten sprechen mittlerweile von einer Wildereikrise, wie es sie seit Jahrzehnten nicht gegeben hat, allen internationalen Anstrengungen und Exportverboten zum Trotz. Wie konnte das passieren?

Der Elefant ist vielleicht das prominenteste, aber längst nicht das einzige Opfer. Auch das Schuppentier muss dran glauben. Acht verschiedene Arten sind auf der Welt bekannt, vier in Asien, vier in Afrika. Den Schuppen werden in Ostasien alle möglichen Wirkungen zugetraut. Zwischen 2001 und 2014 wurden von chinesischen Behörden fast 35 000 Kilo Schuppen sichergestellt, das entspricht rund 60 000 toten Schuppentieren. Auch in Deutschland stieß der Zoll binnen drei Jahren auf 700 Kilo der Hornplättchen. Wie viele Schuppen unentdeckt geschmuggelt werden, weiß kein Mensch. Und weil die asiatischen Arten schon so gut wie ausgerottet sind, wächst die Nachfrage nach Tieren aus Afrika. Mittlerweile stehen alle acht Schuppentier-Arten vor dem Aussterben.

Dem Rhinozeros geht es nicht besser. Im vorigen Jahr wurden nach Zählungen von Naturschützern 1342 Nashörner erlegt, so viele wie nie zuvor. Ihr Horn wird pulverisiert, es gilt als leistungssteigernd und soll gegen allerlei Krankheiten helfen. Um an das Horn zu gelangen, greifen Wilderer zur Kettensäge. Dem Totoaba wiederum, einem bis zu zwei Meter langen Fisch, droht seine Schwimmblase zum Verhängnis zu werden, sie gilt in Fernost als Mittel gegen Unfruchtbarkeit. Begehrt sind dort auch Bären, seien es ihre Tatzen oder ihr Fleisch. Geschützt sind sie alle. Geholfen hat das kaum.

Hinter dem tödlichen Boom steht eine neue Mittelschicht vor allem in Asien, die sich auf einem globalen Markt scheinbar grenzenlos versorgen kann. "Das ist ein bisschen wie in Deutschland nach dem Wirtschaftswunder", sagt Franz Böhmer, der sich beim Bundesamt für Naturschutz mit dem illegalen Handel befasst. "Sobald die Familie Geld hatte, bekam die Mama einen Pelzmantel." Der Pelz von einst ist in Fernost das "weiße Gold" Elfenbein oder Rhinopulver. In deutschen Terrarien ist es das besonders seltene Tier: der Leopardgecko aus dem Iran, die Kragenechse aus Australien. Liebhaber finden sie im Internet. Auch geschützte Hölzer wie Palisander, rotes Sandelholz oder madagassisches Ebenholz lassen sich dort bequem erstehen.

"Dahinter stecken mafiöse Strukturen"

Ein grotesker Kreislauf ist in Gang gekommen. Gerade weil etwa Elfenbein so rar ist, verspricht sein Besitz hohes Ansehen - schließlich ist es teuer. Weil es aber teuer ist, verspricht es hohe Renditen und steigert Tausende Kilometer entfernt den Anreiz, einem Elefanten den Schädel zu zertrümmern. Interpol taxiert das globale Geschäft mit dem Umweltfrevel auf jährlich bis zu 231 Milliarden Euro. Hinter Drogen, Waffenschmuggel und Menschenhandel kommt gleich die Wilderei. "Dahinter stecken mafiöse Strukturen", sagt Arnulf Köhncke von der Umweltstiftung WWF. "Die organisierte Kriminalität verschiebt Elfenbein und Schuppentiere gleichermaßen." Die Routen würden dabei permanent verändert, um die Verfolgung zu erschweren. Derweil ziehen die Wilderer in den Savannen Afrikas von Land zu Land. Immer dahin, wo sich große Bestände ohne großes Risiko erledigen lassen.

Das Ergebnis lässt schaudern. Als jüngst Forscher in Hubschraubern und Flugzeugen zum "großen Elefanten-Zensus" aufbrachen, da zählten sie noch 352 000 Tiere in Afrika. Nimmt man die 23 000 Elefanten Namibias hinzu, die der Zensus nicht erfasste, dann bleiben Afrika gut 375 000 Paar Stoßzähne - verglichen mit mehr als einer Million in den 1970er- Jahren. Jährlich, so errechneten die Forscher, sterben 30 000 Elefanten, allein zwischen 2007 und 2014 schrumpfte der Bestand um 144 000 Tiere. Es braucht nicht viel Rechenkunst, um das Ende zu ahnen.

Manager zählen zu den wichtigsten Abnehmern

Was tun? Soll man den Handel legalisieren, und damit den Wilderern das Wasser abgraben? So mancher Experte fordert genau das. "Handelsverbote sind vermutlich auf lange Sicht nicht die ideale Lösung", sagt Michael 't Sas-Rolfes, der an der Universität von Oxford zum Handel mit Elefanten und Nashörnern forscht. "Sie schaffen schlechte ökonomische Anreize." Sie bewirken nämlich Knappheit und damit steigende Preise.

Länder wie Südafrika und Tansania sitzen tatsächlich auf riesigen Beständen an Elfenbein. Es stammt aus gut geschützten Nationalparks, wo Elefanten kontrolliert gejagt werden. Sonst gäbe es dort, paradox genug, zu viele von ihnen. Andererseits: Als sich die Staaten 2008 dazu durchrangen, mehr als 100 Tonnen Elfenbein aus ihren Lagerbeständen zu verkaufen, zwang das den Markt keineswegs in die Knie, im Gegenteil. Das Elfenbein ging nach China und Japan, doch die Nachfrage wuchs, statt zu sinken - Studien zufolge um zwei Drittel. Ohnehin lassen sich illegal gehandelte Naturschätze kaum noch nachverfolgen, wenn Teile des Marktes legalisiert werden.

Blieben noch strengere Kontrollen - oder eine sinkende Nachfrage. In Vietnam etwa zielt neuerdings eine Kampagne auf junge Manager, sie nennt sich "Chi". Das Wort steht im Vietnamesischen für die Willenskraft, und für die sorgt bislang angeblich auch das Nashornpulver. Vietnam ist einer der größten Märkte dafür. "Manager zählen zu den wichtigsten Abnehmern des Pulvers", sagt Madelon Willemsen, die in Hanoi das Büro von Traffic leitet, einem Netzwerk zur Bekämpfung des illegalen Handels mit bedrohten Arten. "Sie konsumieren und verschenken Rhinozeros-Horn, um aller Welt ihren Reichtum zu beweisen." In einer groß angelegten Kampagne erfahren sie nun, dass Willensstärke innere Wurzeln hat, das beliebte Pulver dagegen das Rhinozeros bedroht. Mit Erfolg, sagt Willemsen. "Wir sind in dieser Gruppe auf dem Weg zu einer Nulltoleranz, was den Konsum des Hornpulvers angeht."

Ganz ähnlich erging es auch den Pelzmänteln des Wirtschaftswunders. Wurden sie einst stolz zur Schau getragen, verstauben sie mittlerweile in den Kleiderschränken. Aus dem Prestigeobjekt wurde ein Makel. "Aber das ist nichts, was man in ein, zwei Jahren schafft", sagt der NaturschutzBeamte Böhmer. "Das ist eine Aufgabe für eine ganze Generation."

Derweil hinterlässt der Aasgeier eine Lücke, die sich nie wieder wird schließen lassen - so wie jede Art, wenn sie einmal ausgerottet ist. Denn so schlecht sein Ruf ist, so wichtig ist seine Rolle im Tierreich: Er ist der Bestatter der Savanne, er kümmert sich um die Kadaver, ehe andere das tun. Gibt es den Geier nicht mehr, werden Säugetiere die toten Tiere ausweiden. Doch statt dabei Krankheitserreger zu eliminieren, so fürchten Forscher, werden sie die Krankheiten übertragen: auch auf Menschen. So schließt sich der Kreis.

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