Wirtschaft kompakt:Michelin-Bosse einfach mal eingesperrt

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Stundenlang haben Michelin-Mitarbeiter ihre Manager festgesetzt. Der Grund: Ein Kollege wurde gekündigt - weitere Streichungen drohen. Nachrichten aus der Wirtschaft.

Aufgebrachte Angestellte des Reifenherstellers Michelin haben in Frankreich vier Manager stundenlang eingesperrt. Anlass sei die Kündigung eines Mitarbeiters gewesen, erklärte ein Gewerkschaftsvertreter der Zeitung Le Parisien.

Bossnapping als Druckmittel und Feuer zur Warnung: Angestellte des französichen Reifenherstellers Michelin in Montceau-les-Mines haben Reifen in Brand gesetzt. Michelin will Stellen streichen. (Foto: Foto: AFP)

Etwa 60 Beschäftigte hätten den Direktor des Werks in Blanzy sowie drei weitere Manager von 18 Uhr bis kurz nach Mitternacht in einem Büro festgehalten.

Die vier wurden freigelassen, nachdem sich die Werksleitung zu weiteren Verhandlungen bereiterklärt hatte. Die Michelin-Angestellten setzten sich für einen Kollegen ein, der sich gewehrt hatte, Maschinen zu bedienen, für die er nicht ausgebildet war. Deshalb sei er gekündigt worden.

Wirtschaftsministerin Christine Lagarde verurteilte die Geiselnahme. Das Wirtschaftsministerium habe einen Krisenstab eingerichtet, um das Eskalieren von Spannungen zwischen Management und Belegschaft zu verhindern. "Wir wollen den Dialog verstärken mit den Unternehmen, die Opfer der Krise geworden sind", sagte sie.

Michelin will in dem Werk im Burgund knapp 500 Stellen streichen. In den vergangenen Monaten hatten Beschäftigte mehrerer Unternehmen in Frankreich aus Angst um ihre Arbeitsplätze mehrfach Manager festgesetzt oder mit Fabriksprengung gedroht, um bessere Abfindungen zu erzwingen.

Teilweise mit Erfolg: Die angedrohte Sprengung eines von der Schließung bedrohten Werks des Netzwerkausrüsters Nortel zeigte Wirkung. Nach langwierigen Verhandlungen sollen die Beschäftigen nun zwischen 30.000 und 50.000 Euro Abfindung bekommen, berichtete die Zeitschrift L'Expansion.

Die etwa 500 Angestellten der insolventen französischen Tochter des kanadischen Netzwerkausrüsters hatten am Vortag mehrheitlich für ein Ende des seit zwei Wochen anhaltenden Streiks gestimmt.

Ermittlungen wegen Tricksereien beim Kurzarbeitergeld

Wird hier aus der Krise Kapital geschlagen? Wegen des Verdachts illegaler Praktiken beim Kurzarbeitergeld hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart Ermittlungen gegen fünf Unternehmen in der Metallindustrie aufgenommen. Ein Sprecher bestätigte einen Bericht der Stuttgarter Nachrichten.

Es handele sich um kleinere und mittlere Betriebe. In vier Fällen habe es anonyme Anzeigen gegeben. Es werde wegen Betrugs ermittelt. Nähere Einzelheiten wollte der Sprecher nicht nennen.

Auch die Staatsanwaltschaft Tübingen geht dem Bericht zufolge möglichen Tricksereien bei einem Unternehmen nach. Ein Sprecher der dortigen Anklagebehörde sagte dem Blatt: "Offiziell wurde dort kurzgearbeitet."

Auf Druck des Chefs sollen die Mitarbeiter aber früher ausgestempelt und trotzdem normal gearbeitet haben. Die Firma spare damit Lohnkosten. Für die Zeit, die nicht gearbeitet werde, zahlt die Arbeitsagentur Kurzarbeitergeld.

Yahoo überrascht mit Gewinnplus

Gute Gewinne dank radikaler Sparkur: Der Internetkonzern Yahoo hat trotz eines erneuten Umsatzeinbruchs seinen Gewinn zuletzt erstmals wieder steigern können. Mit seinen Erwartungen für die nächsten Monate enttäuschte das US-Unternehmen die Anleger dagegen am Dienstagabend und schickte die Aktie auf Talfahrt.

Der Überschuss legte im zweiten Quartal durch harte Sparmaßnahmen um acht Prozent auf 131 Millionen Dollar zu. Dies war weit stärker als von Experten erwartet. Der Umsatz fiel aber wegen der Werbekrise zum Vorjahr um 13 Prozent auf 1,6 Milliarden Dollar (1,1 Milliarden Euro). "Wir bekommen vom Werbemarkt noch immer gemischte Signale", sagte der neue Finanzchef Tim Morse nach US-Börsenschluss im kalifornischen Sunnyvale.

Die seit Januar amtierende Konzern-Chefin Carol Bartz gab den Startschuss für eine komplett überarbeitete Yahoo-Website. Yahoo! öffnet sich damit für Inhalte und Dienste fremder Anbieter.

Den Gewinn belasteten im vergangenen Quartal rund 65 Millionen Dollar an Einmalkosten für den Konzernumbau. Yahoo strich unter anderem Tausende Jobs. Nun sollen aber etwa im Verkauf erstmals wieder punktuell Leute eingestellt werden, kündigte Morse an.

Bartz hatte angesichts der Krise von Yahoo eine umfassende Neuorganisation eingeläutet und für ein Stühlerücken im Management gesorgt. Finanzchef Morse gilt als ausgewiesener Kostensenker.

Daimler kürzt die Gehälter bei Tochterunternehmen

Im Daimler-Konzern erhalten Mitarbeiter von Tochtergesellschaften vom nächsten Monat an für die gleiche Arbeit deutlich weniger Geld, meldete die Stuttgarter Zeitung.

Ein Mitarbeiter einer IT-Tochter des Stuttgarter Autokonzerns sagte der Zeitung, ihm sei ihm mitgeteilt worden, dass er vom 1. August an auf rund acht Prozent seines Gehalts verzichten müsse.

Anders als bei dem Ende April abgeschlossenen Daimler-Sparpaket sei die Gehaltskürzung bei der Tochter nicht mit einer kürzeren Arbeitszeit verbunden. Auch gebe es keine Beschäftigungssicherung.

Eine Sprecherin des Autokonzerns bestätigte dem Blatt, dass im August bei der IT-Tochter Protics eine solche einseitige Kürzung eingeführt werde, die bis Ende Juni 2010 gelten solle. Sie wies darauf hin, dass bei der Bekanntgabe des Sparpakets im April angekündigt worden sei, dass auch Tochtergesellschaften einen Beitrag zur Kostensenkung bringen müssten.

Die jeweilige Umsetzung sei den einzelnen Töchtern überlassen. Die Daimler Protics GmbH in Untertürkheim beschäftigt 360 Mitarbeiter und erbringt unter anderem Dienstleistungen für das Datenmanagement.

Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung gibt es auch bei der Softwaretochter Daimler TSS in Ulm, die mehr als 350 Mitarbeiter beschäftigt, entsprechende Kürzungen. Die Daimler-Sprecherin wollte sich dazu nicht äußern. Sie konnte auch keine Angaben dazu machen, wie groß der Kreis der betroffenen Tochtergesellschaften ist.

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