Netflix, Sky, Spotify:Streamen bald auch im EU-Ausland möglich

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Eine der beliebtesten Serien: House of Cards. Ab 2018 können Streaming-Kunden die Folgen auch im europäischen Ausland schauen. (Foto: obs)

Die EU will Online-Abodienste wie Sky, Netflix oder Spotify europaweit nutzbar machen. Was ändert sich jetzt für Kunden?

Von Markus Mayr, Alexander Mühlauer, Brüssel und Caspar Busse, Brüssel/München

Für Fußballfans muss das qualvoll sein: Wenn der Lieblingsklub am Bundesliga-Sonntag um Meisterschaft oder Abstieg spielt und sie nicht live am Bildschirm dabei sein können. In diese Verlegenheit kommen etwa jene Fans, die in Deutschland beim Pay-TV-Sender Sky das Fußballpaket zwar gebucht haben, sich aber zur Spielzeit im Ausland aufhalten. Inhalte für den deutschen Markt ließen sich bisher nur eingeschränkt in anderen EU-Staaten abrufen. Doch das soll sich nun ändern. In Brüssel haben sich EU-Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten am Dienstagabend darauf verständigt, dass Kunden ihre Online-Abos für Fernsehen, Sport, Musik, Bücher und Videospiele von 2018 an in der ganzen Europäischen Union nutzen können. Die wichtigsten Punkte im Überblick.

Wie können Abonnenten Online-Dienste künftig nutzen?

In Zukunft spielt es keine Rolle mehr, wo man eine Serie von Netflix oder Amazon Prime schauen will, ob zu Hause auf der Couch oder am Strand in Spanien. Der Zugang zur Online-Filmwelt, für den ein Kunde in Deutschland bezahlt hat, soll ihm von 2018 an EU-weit gewährt werden. Dasselbe gilt für Sportereignisse wie die Fußball-Bundesliga, deren Rechte derzeit vor allem beim Pay-TV-Sender Sky liegen; ebenso für Abos von E-Books, Musikstreamingdiensten oder Videospielplattformen. Alle kostenpflichtigen Online-Inhalte sollen Bürger auf Reisen uneingeschränkt abrufen können. Die Regeln müssen noch formell vom Europäischen Rat und Parlament bestätigt werden.

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Welche Einschränkungen müssen Nutzer bisher bei Reisen im europäischen Ausland hinnehmen?

Bislang gibt es in Europa digitale Grenzen. An die stößt jeder, der bestimmte Video- oder TV-Streamingdienste im EU-Ausland nutzen will. Diese geografischen Zugangsbeschränkungen (Geoblocking) sollen nun abgeschafft werden. Die digitalen Schlagbäume wurden einst von Filmverleihen und Sportveranstaltern errichtet. Sie vermarkten ihre Lizenzrechte in jedem Land einzeln. Und so gibt es etwa auch in Spanien oder Griechenland Anbieter, die Bundesligaspiele live zeigen. Deutsche Urlauber können sich diese natürlich in dortigen Sportbars anschauen, aber nicht auf ihrem Tablet, das sie dabei haben. Die Anbieter können nämlich anhand der IP-Adresse erkennen, in welchen Land sich ein Internetnutzer aufhält. Diese Adresse ist so etwas wie ein Kennzeichen für Rechner im Netz und wird vom jeweiligen Verbindungsanbieter vergeben, der eine Länderkennung in den Zahlencode integrieren muss. Damit kann ein Anbieter den Standort des Nutzers bestimmen - und schon bleibt der Bildschirm schwarz.

Wie soll Missbrauch künftig verhindert werden?

Die Anbieter von Online-Diensten sollen weiter kontrollieren können, wo sich die Nutzer aufhalten und wo sie tatsächlich zu Hause sind. Um das herauszufinden, können sie bestimmte Daten anfordern: Wohnsitz, Kreditkartennummern sowie IP-Adressen von Rechnern. Damit soll verhindert werden, dass sich zum Beispiel ein in Belgien lebender EU-Bürger ein Abo der britischen Premier League holt, obwohl er nicht im Vereinigten Königreich lebt.

Wie lässt sich bisher tricksen, um diese Hürden zu umgehen?

Da es bestimmte Angebote nicht in jedem EU-Land gibt, versuchen schon heute viele Nutzer, die digitalen Schranken auszutricksen. Im Internet finden sich Anleitungen, wie man dem Videodienst über Browser-Erweiterungen und VPN-Dienste (Virtual Private Network) vorgaukeln kann, er habe es mit einem Nutzer aus einem anderen Land zu tun.

Warum braucht es die neue Regel überhaupt? Was sind ihre Schwächen?

Menschen schauen Filme immer häufiger online anstatt Fernsehen über Satellit oder Kabel zu empfangen. Die Musik findet sich nicht mehr im CD-Regal, sondern in einer Mediathek im Internet. Laut EU-Kommission nutzten zwei Drittel der Europäer im Jahr 2016 das Netz, um Spiele, Bilder, Filme oder Musik herunterzuladen oder zu streamen. Dazu benutzen sie zunehmend mobile Geräte wie Handys oder Tablets. Einer Umfrage zufolge will jeder dritte Europäer diese Dienste auch grenzüberschreitend in Anspruch nehmen.

Hinzu kommt, dass es in der Europäischen Union vom 15. Juni an keine Roaming-Gebühren mehr geben wird. Wenn Daten dann im Ausland genau so günstig wie in der Heimat mobil heruntergeladen werden können, wird die Lust der Reisenden im Urlaub zu streamen weiter ansteigen. Die neue Regel gilt allerdings nur für kostenpflichtige Dienste. Gratis im Netz abrufbare Inhalte fallen derzeit nicht unter die neue Vorschrift. Der "Tatort" in der ARD oder ein Hollywood-Film im ZDF zählen deshalb nicht dazu. Und wessen Heimatland keine legalen Streamingdienste anbietet, wird auch weiter das Nachsehen haben.

Kapital, Waren und Bürger können sich in der EU frei bewegen. Warum bisher Daten nicht?

Weil die EU noch dabei ist, so etwas wie einen digitalen Binnenmarkt zu schaffen. Mit der neuen Regel geht die Staatengemeinschaft einen ersten Schritt auf dem Weg hin zu einem europaweit einheitlichem Urheberrecht. "Die Einigung bringt konkrete Vorteile für die Bürger", sagte EU-Digitalkommissar Andrus Ansip. Dies sei ein wichtiger Schritt zur Beseitigung von Hindernissen im digitalen Binnenmarkt. Weitere Hürden sollen fallen. Geht es nach der Kommission, sollen es etwa Onlinehändler leichter haben, grenzüberschreitend Geschäfte zu machen.

Was heißt das für die Lizenzgeber?

Bislang wurden Lizenzen für Liveausstrahlungen von Sportereignissen oder für Filme von den Rechteinhabern einzeln für bestimmte Länder oder Regionen vergeben. TV-Rechte an Bundesligaspielen etwa werden exklusiv für den deutschen Markt verkauft, die Exklusivität durch Geoblocking verspricht hohe Einnahmen. Fallen länderspezifische Beschränkungen weg, könnte das erhebliche Auswirkungen haben. Ohne urheberrechtlichen Schutz über Grenzen hinweg würden einzelne Rechte wohl weniger wert sein. Treffen würde das nicht nur große Sportverbände, sondern auch kleinere Produzenten von Kino- oder Fernsehinhalten, denen möglicherweise Einnahmen entgehen.

Was sagen die großen Sender?

Technisch ist es für Sender und Bezahlplattformen wie Sky kein Problem, die Angebote in anderen Ländern freizuschalten. "Wir freuen uns, wenn unsere Kunden in all unseren Märkten überall in Europa künftig ihre Inhalten über unsere mobilen TV-Plattformen sehen können", teilte der Bezahlsender Sky am Mittwoch mit. Ob andere Anbieter im Inland frei verfügbare Inhalte, etwa die Mediatheken, auch in anderen EU-Staaten zugänglich machen, bleibt ihnen derzeit selbst überlassen.

© SZ vom 09.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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