Nafta-Verhandlungen:Diese Frau soll Kanadas Freihandel mit den USA retten

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"Beim Handel geht es um Menschen. Es geht darum, die bestmöglichen Konditionen für Wachstum, für Jobs, für Wohlstand zu schaffen", sagt Kanadas Außenministerin Chrystia Freeland. (Foto: REUTERS)
  • Das Freihandelsabkommen Nafta zwischen den USA, Kanada und Mexiko wird gerade neu verhandelt.
  • US-Präsident Donald Trump hatte sich beklagt, der Vertrag sei für die USA nicht lukrativ genug.
  • Für Kanada führt Außenministerin Chrystia Freeland die Verhandlungen. Sie hat schon mehrfach bewiesen, dass sie sich gegen Lautsprecher durchsetzen kann.

Von Hans von der Hagen

Es war ein hässlicher Moment für Kanadas Regierungschef Justin Trudeau, als US-Präsident Trump die Doktrin "America first" ausrief. Es bedeutete, dass es nun auch für Trudeau hieß: America first. Er musste plötzlich dem Verhältnis zu den Vereinigten Staaten oberste Priorität einräumen. Und das umso dringlicher, als Trump das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta zwischen USA, Kanada und Mexico gleich ganz zu den Akten legen wollte. Wen aber sollte Trudeau nun der angriffslustigen US-Regierung entgegensetzen. Einen Mann hatte er für diesen Job nicht zur Hand. Aber eine Frau: Chrystia Freeland, 49, den Star seines Kabinetts. So machte er die Handelsministerin Freeland zur neuen Außenministerin. Ihrem so düpierten Vorgänger Stéphane Dion versprach er einen netten Diplomatenposten.

Freeland wird also die Nafta-Verhandlungen steuern, die am Mittwoch begonnen haben - nicht Dion und auch nicht der neue Handelsminister François-Philippe Champagne, in dessen Ressort eigentlich die Wirtschaftsbeziehungen zu den USA fallen. Dass Freeland für die heiklen Aufgaben taugt, hatte sie zuvor bewiesen: Bei den Verhandlungen Kanadas mit der EU über das Freihandelsabkommen Ceta hatte sie sämtliche taktischen Register gezogen.

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Als die Wallonen androhten, mit einem Veto Ceta doch zu Fall zu bringen, trat sie vor die Presse und fragte betroffen: Wie könne es denn sein, dass die EU nicht einmal mit einem "so freundlichen und geduldigen" Land wie Kanada eine solche Übereinkunft schließe? "Kanada ist enttäuscht", sagte sie. Tränen flossen. Und dann: "Wir haben uns entschieden, nach Hause zu fahren. Ich bin wirklich sehr, sehr traurig." Zurück ließ sie tief bestürzte Verhandlungspartner. So viel Dramatik waren die Brüssler nicht gewohnt. Am Ende gewann Freeland: Ceta tritt bald vorläufig in Kraft, und ihr einstiger Gegenspieler, der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette, ist längst abgetreten.

Freeland kommt auf dem diplomatischen Parkett gut klar. Dabei hilft auch ihr Werdegang: In den Achtzigerjahren studierte sie russische Geschichte und Literatur an der Harvard University. Später ging sie nach Oxford und Kiew. Freelands Interesse an der Ukraine ist familiär begründet: Ihre Großeltern flohen von dort nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland, 1948 wanderte die Familie nach Kanada aus. Ihre Mutter kam im bayerischen Bad Wörishofen zur Welt. Freeland arbeitete nach ihrem Studium als Journalistin für Zeitungen wie die Financial Times und den Economist. Meist war sie dabei für die osteuropäischen Themen zuständig.

Freeland hat ein Talent für große Auftritte

Nun kommt es bei den Nafta-Verhandlungen zur großen Bewährungsprobe für Freeland. "Beim Handel geht es um Menschen. Es geht darum, die bestmöglichen Konditionen für Wachstum, für Jobs, für Wohlstand zu schaffen", rief sie Parlamentariern zu. "Darum modernisieren wir Nafta." Die kanadische Globe and Mail wunderte sich über diesen "sunny spin", diesen "sonnigen Dreh". Man setze sich doch nicht zusammen, um Nafta besser zu machen, sondern weil Trump gesagt habe, dass die USA zu kurz kämen.

Aber es gehört eben auch zu Freelands Fähigkeiten, viele Dinge zum Guten wenden zu können - selbst die Ceta-Tränen, die in Kanada nicht gut ankamen. Das Talent für große Auftritte wird ihr dabei helfen. Darin ist sie übrigens ihrem Chef Trudeau ähnlich. Eine ihrer Lieblingsgeschichten über ihn geht so: Einmal sei Trudeau von einem Staatsoberhaupt gefragt worden, warum er so viele Frauen in seinem Kabinett habe. Trudeau habe geantwortet: Wenn er seine Minister allein nach Fähigkeiten ausgesucht hätte, säßen noch viel weniger Männer am Kabinettstisch.

© SZ vom 17.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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