Als Justin Trudeau, der smarte Premierminister Kanadas, im Februar das Weiße Haus in Washington besuchte, da kam der neue Hausherr aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Von einem "wundervollen Treffen" mit dem Kollegen sprach Donald Trump, von einem "großartigen Freund, Nachbarn und Verbündeten". Kanada und die USA, so der US-Präsident, würden künftig wirtschaftlich noch enger zusammenrücken, beide Länder seien "umso stärker, je mehr wir unsere Kräfte im Welthandel bündeln".
Seit dieser Woche kann von einer solchen Bündelung keine Rede mehr sein, vielmehr treffen die genannten Kräfte gerade ungebremst aufeinander. Am späten Montagabend nämlich kündigte Trump an, dass die USA Bauholzimporte aus Kanada künftig mit einem Importzoll von etwa 20 Prozent belegen werden. Betroffen sind Lieferungen im jährlichen Wert von rund fünf Milliarden Dollar. Wirtschaftsminister Wilbur Ross begründete die Entscheidung damit, dass die kanadische Holzindustrie zu Unrecht hohe staatliche Subventionen erhalte und die amerikanische Konkurrenz mit Dumpingpreisen ausmanövriere. Den USA bleibe gar nichts anderes übrig, "als Ausgleichszölle einzuführen".
Signal für Deutschland
In seinem Wunsch, die heimische Industrie "wieder groß" zu machen, schreckt Trump also auch vor Konflikten mit den engsten Verbündeten nicht zurück. Kanada ist für die USA der mit Abstand bedeutendste Export- und nach China der zweitwichtigste Importmarkt der Welt. Das rigorose Vorgehen muss auch die deutsche Wirtschaft alarmieren, die wegen ihres gewaltigen Ausfuhrüberschusses im Handel mit den USA im Weißen Haus besonders kritisch beäugt wird. Trump hat in seiner kurzen Amtszeit bereits zwei Verfahren eingeleitet, die deutschen Stahlherstellern das Geschäft auf dem amerikanischen Markt erheblich erschweren könnten.
Die jetzigen Maßnahmen gegen Kanada gehen jedoch weiter, denn sie richten sich nicht nur gegen einzelne Unternehmen, sondern gegen eine ganze Branche. Es könnte der Anfang eines echten Handelskriegs sein, denn Trump hatte erst jüngst auch die Subventionierung kanadischer Molkereiexporte als "Sauerei" bezeichnet.
Tatsächlich ist die Rollenverteilung von Gut und Böse bei näherem Hinsehen aber nicht so eindeutig, wie man angesichts der "America first"-Parolen des Präsidenten und der Strategie des "ökonomischen Nationalismus" einiger Berater vermuten könnte. Der amerikanisch-kanadische Holzstreit ist keine Erfindung Trumps, er schwelt vielmehr seit Jahrzehnten.
Ron Wyden, der demokratische Senator des Bundesstaats Oregon, bezeichnete ihn einst als die "am längsten andauernde Schlacht seit dem Trojanischen Krieg". Anders als in den USA gehören die Nadelwälder, aus denen Kanadas Bauholzexporte stammen, meist nicht privaten Eigentümern, sondern den Provinzregierungen. Die Gebühren, die diese für das Fällen der Bäume an die Zentralregierung in Ottawa zahlen müssen, liegen weit unter den marktüblichen. Auch schottet Kanada den eigenen Holzmarkt gegen Importe aus dem Ausland teilweise ab.
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Preise für Bauholz ziehen an
Bisher war es stets gelungen, den Streit durch mehrjährige Abkommen oder Entscheidungen von Schiedsgerichten beizulegen, die bei der Gründung der nordamerikanischen Freihandelszone Nafta eingerichtet worden waren. Als die Verhandlungen über einen neuen Vertrag im vergangenen Herbst jedoch ins Stocken gerieten, nutzte die US-Holzindustrie die Chance, den neuen, mit protektionistischen Ideen flirtenden Präsidenten um die Verhängung von Zöllen zu bitten. Die kanadische Regierung will sich allerdings wehren: Sie bezeichnete die Einführung der Tarife als "unfair" und "unbegründet" und kündigte an, auf dem Verhandlungswege - notfalls auch gerichtlich - dagegen vorzugehen.
Die Leidtragenden der Trump'schen Industrieschutzpolitik könnten indes die US-Verbraucher sein. Da die Holzimporte aus dem Nachbarland nötig sind, um in den USA den Bedarf zu decken, werden Kunden womöglich bald deutlich mehr für Möbel oder den Bau eines Hauses bezahlen müssen. An den Rohstoffbörsen ist der Preis für Nadelhölzer bereits um mehr als 20 Prozent gestiegen, weil die Händler die Verhängung von US-Zöllen geahnt hatten.
Doch Kanada ist nicht der einzige Nafta-Partner, den Trump ins Visier genommen hat. Auch die Abschottung gegen den südlichen Nachbarn Mexiko treibt er voran. Hier liegt die Priorität allerdings nicht auf der Verhängung von Zöllen, sondern auf dem Bau jener zehn Meter hohen Grenzmauer, die Drogengeschäfte erschweren, vor allem aber den Zustrom illegaler mittel- und südamerikanischer Arbeiter in die USA stoppen soll. Dabei ist immer noch unklar, wie die Errichtung der Grenzanlage genau finanziert werden soll. Sie wird unterschiedlichen Schätzungen zufolge zehn bis 25 Milliarden Dollar kosten.
Bisher verweigert der Kongress die Milliarden für die Mauer an der Grenze zu Mexiko
Trump hatte in den vergangenen Tagen versucht, den Kongress unter Druck zu setzen und die laufenden Beratungen über einen Nachtragshaushalt dazu zu nutzen, die ersten Mauer-Milliarden loszueisen. Der Zusatzetat muss bis Ende dieser Woche verabschiedet sein, da der Regierung sonst das Geld ausgeht. Alle nicht "unerlässlichen" Tätigkeiten müssten dann vorübergehend eingestellt werden. Die oppositionellen Demokraten und auch einige Republikaner weigern sich jedoch, die laufenden Budgetgespräche und die Mauer-Debatte zu verknüpfen.
Am Montagabend deutete Trump einen Rückzug an - offenbar ist ihm klar geworden, dass der zu erwartende Zorn vieler Bürger über geschlossene Behörden und unbezahlte Zwangsurlaube statt beim Kongress wohl bei ihm abgeladen werden würde. Auf lange Sicht sollen nach seinem Willen ohnehin die Mexikaner selbst für die Errichtung der Grenzanlage zahlen. Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto weigert sich jedoch naturgemäß. Die Fronten sind verhärtet.
Nietos Amtskollege Trudeau hingegen hat sich offenbar schon Gedanken gemacht, mit welchen Washingtoner Regierungsberatern er diplomatisch anbandeln muss, um mäßigend auf den US-Präsidenten einwirken zu können. Mitte März tauchte der kanadische Premier eines Abends überraschend am New Yorker Broadway auf, um das Musical "Come From Away" anzusehen - Arm in Arm mit Ivanka Trump.