Klimapolitik:Zieht die Kohle ab!

Lesezeit: 3 min

Eine der wenigen guten Antworten auf die Erderwärmung: Norwegens Staatsfonds soll bald nicht mehr in Kohlekonzerne investieren. Richtig so - denn schlechtem Geld muss man nicht noch weiteres hinterherwerfen.

Kommentar von Michael Bauchmüller

Nach zehn Tagen Belagerung hatten es auch die Professoren in Edinburgh verstanden. Am Dienstag läutete die Uni ganz offiziell den Abschied von Kohle und Öl ein. Mit dem Stiftungskapital, immerhin knapp 300 Millionen Pfund, wollten sie nicht länger in drei der größten Rohstoffkonzerne der Welt investieren, befanden die zuständigen Finanzgremien. Auch lasse sich die Arbeit der Uni so besser unterstützen: Schließlich lehrt und forscht sie auch zum Klimawandel. Zehn Tage hatten Studenten ein Gebäude der Universität besetzt, um diese Logik begreiflich zu machen: Wer um den Klimawandel und seine Folgen weiß, kann sein Kapital nicht mit Firmen mehren, die ebendiesen mit verursachen. Drei Kohle- und Ölmultis müssen auf die Investoren aus Schottland wohl verzichten.

Eine der wenigen guten Antworten auf die Erderwärmung

Das war nur ein kleiner Schritt, das Erdbeben folgte am Mittwochabend. Da machten Norwegens Finanzpolitiker dem größten Staatsfonds der Welt zur Auflage, künftig nicht mehr in Kohlekonzerne zu investieren. Aus Firmen, die mehr als 30 Prozent ihrer Umsätze mit Braun- oder Steinkohle machen, muss der norwegische Pensionsfonds nun sein Geld zurückziehen. Bei mehr als 800 Milliarden Euro Kapital geht das an den Unternehmen nicht spurlos vorüber. Mehr als 50 Aktiengesellschaften sind davon weltweit betroffen, darunter auch der Essener Strom- und Braunkohlekonzern RWE.

Braunkohle-Abbau in Hambach am Niederrhein
:Verheizte Heimat

Flurtotalschaden: Seit gut 30 Jahren holt RWE im Tagebau Hambach Braunkohle aus der Erde, mittlerweile Deutschlands größtes Loch. Der Widerstand ist trotz Umsiedlungen, Feinstaub und Lärm gering. Selbst die Kartbahn, die einst Michael Schumacher bekannt machte, zieht geräuschlos um.

Eine Reportage von Mirjam Hauck, Hambach

Divestment nennt sich dieser gezielte Abzug von Kapital von den Wegbereitern des Klimawandels - Fonds, Banken und Versicherer machen mit. In einer Zeit, in der von globaler Klimapolitik auf die Schnelle nicht viel zu erwarten ist, bleibt es eine der wenigen guten Antworten auf die Erderwärmung.

In vielerlei Hinsicht. Zum Beispiel, weil es viel Kapital braucht, um von den Weltwirtschafts-Drogen Kohle und Öl wegzukommen. In den nächsten 15 Jahren werden Schätzungen zufolge 70 Billionen Euro in Infrastrukturen fließen, verteilt auf den ganzen Globus. Diese Investitionen werden mit entscheiden, ob die Welt einen grünen Pfad einschlägt oder auf einem schwarzen bleibt. Jeder Euro in saubere Energie, in alternative Antriebe oder klimafreundliche Städte kann helfen, die gigantische Klimahypothek der Industrialisierung abzutragen. Umgekehrt allerdings wird jedes neue Kohlekraftwerk, jede neue Ölplattform den Pfad in die Klimakatastrophe noch zementieren. Jenen Firmen Kapital zu entziehen, die damit Geld verdienen, ist da das richtige Signal.

Die Kohlenstoff-Blase ist längst auch bei den Mächtigen Thema

Das ist sogar ganz im Sinne einer vorausschauenden Anlagestrategie. Denn um einen gefährlichen Klimawandel zu verhindern, müssen 80 Prozent aller bekannten fossilen Bodenschätze unter der Erde bleiben; sie dürfen nie in Autos, Heizungen oder Kraftwerken verfeuert werden. Für die Unternehmen heißt das: In ihren Bilanzen stehen milliardenschwere Rohstoff-Vorkommen, die sie niemals werden heben dürfen. Sollten sich die Staaten - ob aus Einsicht oder unter dem normativen Druck der Katastrophe - endlich zu einer wirksamen Bremsung ihrer Emissionen entschließen, dann wird das bei Rohstoffkonzernen zu massiven Abschreibungen führen, die viele von ihnen nicht überleben werden. Schon sprechen Experten von einer " carbon bubble", einer Kohlenstoff-Blase. Wer jetzt, wie Norweger und Schotten, Geld aus den Unternehmen abzieht, macht diese Blase kleiner - und schützt sich selbst zugleich vor den Folgen ihres Platzens.

Umsiedlung wegen Braunkohleabbau
:Der Boden unter ihren Füßen

Wenn in Deutschland Konzerne Braunkohle fördern wollen, müssen ganze Dörfer weichen - und mit ihnen ihre Bewohner. Ein Besuch bei Menschen, die ihre alte Heimat verloren haben.

Aus der Lausitz von Nakissa Salavati

Das Thema ist längst auf der Tagesordnung der Mächtigen. Die Europäische Zentralbank lässt die Gefahren einer solchen Kohlenstoff-Blase prüfen, ebenso das Industrie- und Schwellenländerbündnis G 20. Schon weil an den Erträgen der oft staatlichen Öl- und Kohlekonzerne mitunter ganze Sozialsysteme hängen (und so manches Herrscherhaus), drohen desaströse Folgen für die Weltwirtschaft, sollte die Blase dereinst platzen.

Entscheidend ist deshalb, schlechtem Geld nicht noch weiteres hinterherzuwerfen. Eine Reihe von Entwicklungsbanken, darunter auch die Weltbank, haben das erkannt, sie geben kein Geld mehr für neue Kohlekraftwerke. Der nächste Schritt muss sein, auch die Exportförderung entsprechend umzubauen. Energiewende daheim, aber Hermes-Kredite für die Ausbeutung fossiler Energien in aller Welt - das ergibt wenig Sinn. Am Ende aber braucht es klare Botschaften für Investoren - und die kann nur ein globales Klimaabkommen mit fixen Zielen geben, inklusive eines Preises für den Kohlendioxid-Ausstoß. Das würde wirken.

Solange aber die Weltgemeinschaft solche Botschaften nicht aussendet, ist die Botschaft des divestments mehr als hilfreich. Denn diese Sprache versteht jeder Konzern.

© SZ vom 29.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: