Jean-Claude Juncker:Einer hält den Laden zusammen

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Der Mediator: EU-Kommissionschef Juncker (rechts) half Premier Tsipras, den Antrag auf Verlängerung der Kredithilfe zu verfassen. (Foto: Geert Vanden Wijngaert/AP)
  • In der Einigung im Schuldenstreit mit Griechenland haben die EU-Kommission und vor allem ihr Vorsitzender Jean-Claude Juncker eine zentrale Rolle gespielt.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Die Europäische Kommission hat maßgeblich dazu beigetragen, dass es der neuen, unerfahrenen Regierung in Athen und den Euro-Partnern in letzter Sekunde gelungen ist, sich auf die Verlängerung des Kreditprogramms zu einigen. Praktisch ununterbrochen, sagte am Dienstag ein hoher EU-Diplomat in Brüssel, habe der "vielsprachige" Kommissionschef Jean-Claude Juncker zum Telefon gegriffen, um zu moderieren und um zu verhindern, dass nationale Politiker "Öl ins Feuer der Griechenland-Krise" gießen und damit einen Austritt des Landes aus der Euro-Zone herbeiführen könnten. "Wir müssen den Laden zusammenhalten", hieß es in Brüssel.

Brüssel hält sich für zuständig, die Euro-Länder nicht

Junckers Vermittlungsversuche wurden in einigen Hauptstädten skeptisch beurteilt. Der vertraulich vorgetragene Vorwurf lautete, der Streit mit Athen sei eine Angelegenheit der Euro-Währungsunion und damit zwischenstaatlich zu regeln. EU-Diplomaten in Brüssel bewerten die Vermittlung dagegen als berechtigt und nötig. Wenn es nur darum ginge, dass ein Gläubiger, nämlich die 18 Euro-Partner, mit seinem Schuldner, Griechenland, verhandle, wäre die Behörde nicht gefragt, hieß es.

Es gehe allerdings nicht um ein reines Gläubiger-Schuldner-Verhältnis, sondern um europäische Politik. Die Kommission ist die Hüterin der Europäischen Verträge. In dieser Funktion ist sie auch dafür zuständig, dafür zu sorgen, dass die Gemeinschaft beieinander bleibt. Juncker hatte bei seinem Amtsantritt im November 2014 angekündigt, er werde aktiv in der europäischen Politik mitmischen und sich nicht darauf beschränken, Gesetzesvorschläge vorzulegen oder Vorgaben aus den Mitgliedstaaten abzuarbeiten.

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Juncker hat die "größte europäische Festplatte"

Auch die Währungsunion ist eine politische Gemeinschaft; die Staats- und Regierungschefs haben Junckers Behörde aus diesem Grunde auch beauftragt, Szenarien für deren Weiterentwicklung zu entwerfen. Schließlich ist die EU-Kommission Teil der vormaligen Troika, sie prüft im Auftrag der Euro-Länder sowohl Reformfortschritte als auch Haushaltsbücher in Athen. Als Behördenchef und "ausgestattet mit der größten europäischen Festplatte" habe Juncker die Rolle des Mediators übernommen, sagte ein EU-Diplomat. Der Luxemburger vermittle zwischen den in großspurigen Wahlversprechen gefangenen Griechen und den in enge gesetzliche Vorgaben sowie ebenfalls nationale Versprechen gezwängten Euro-Partnern.

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Juncker redete allein 18 Mal mit Griechenlands Premierminister Alexis Tsipras, dem er nicht nur bei Formulierungen half, sondern auch mitteilte, dass die Versuche von Tsipras und Finanzminister Yanis Varoufakis, die Euro-Länder zu spalten, um Frankreich und Italien als Verbündete zu gewinnen, sinnlos seien. Juncker machte keinen Hehl aus seinem Ärger mit Athen: "Hochgradige Erfahrung ist mir bisher nicht begegnet." Er redete mit Kanzlerin Angela Merkel, die im vergangenen Jahr dazu beitrug, dass Juncker Behördenchef wurde. Und mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der mit ihm zusammen vor zwei Jahrzehnten die Währungsunion auf den Weg brachte. Die Führungen in Berlin und Athen sprachen trotz der akuten Krise bis zum vergangenen Donnerstag überhaupt nicht miteinander.

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Es reden sogar Juncker und Dijsselbloem wieder miteinander

Ohne die Interventionen, sagte ein EU-Diplomat am Dienstag, hätte die griechische Regierung wohl keine Verlängerung beantragt. Bemerkenswert sei, dass die Gefahr, Hellas könnte versehentlich aus der Euro-Zone stolpern, Juncker sogar mit Jeroen Dijsselbloem, seinem Nachfolger als Vorsitzender der Euro-Gruppe, zusammengebracht habe. Dijsselbloem hatte Anfang 2013 das Amt übernommen und sich später in einer TV-Show abfällig über Juncker geäußert. Dieser hatte daraufhin die Konversation mit ihm eingestellt.

Die Sorge um Griechenland hat den alten Streit vergessen gemacht. Der frühere und der amtierende Vorsitzende der Runde der Euro-Finanzminister saßen unter anderem vergangenen Dienstag zusammen, um der Regierung in Athen zu helfen, die richtigen Worte für den Antrag zur Verlängerung des Kreditprogramms zu finden. Das europäische Krisenmanagement, hieß es Dienstag in Brüssel, habe "mal wieder funktioniert".

© SZ vom 25.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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