EZB:Draghi warnt Europas Populisten

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In einem Brief warnt EZB-Chef Mario Draghi Euro-Staaten vor dem Austritt aus der Währungsunion. (Foto: picture alliance / dpa)
  • In einem Brief an italienische Europapolitiker stellt EZB-Präsident Draghi klar: Länder, die die Euro-Zone verlassen wollen, müssen vorher ihre Verbindlichkeiten zahlen.
  • Die Notiz ist eine Warnung an Politiker, die sich einen Austritt ihrer Länder aus dem Euro wünschen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Mario Draghi werden viele Eigenschaften zugeschrieben. Die des Briefeschreibers zählte bisher nicht dazu. Zu Unrecht, wie ein Blick auf die Internetseite der Europäischen Zentralbank verrät. Der Präsident hat in diesem Jahr schon einiges an Post erledigt, allein am vergangenen Freitag schrieb er sechs Briefe. Ein Schreiben ist besonders interessant, weil Draghi sich darin überraschend zum möglichen Austritt eines Euro-Landes aus der Währungsunion äußert: Das ginge nur, wenn es vorher seine Rechnungen bezahlte, und zwar vollständig.

Es ist der letzte Satz eines zweiseitigen Briefes, der aufschreckt. "Sollte ein Land das Euro-System verlassen, müsste dessen Nationalbank die Ansprüche oder Verbindlichkeiten mit der Europäischen Zentralbank vollständig ausgleichen", schreibt Draghi an zwei italienische Abgeordnete des Europäischen Parlaments. Es ist eine klare Aussage, die auf langen, für Laien schwer verständliche technische Ausführungen über Buchungsvorgänge im Euro-Zahlungssystem folgt. Es klingt so, als wolle Draghi den Adressaten eine Botschaft mitgeben: Ein Austritt aus dem Euro wird teuer. Richtig teuer. Also hört auf, damit herumzuspielen.

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Es ist eine Warnung, die sich an alle richtet, die in Europa mit dem Ende der Währungsunion auf Stimmenfang gehen. Zuallererst geht sie an Draghis Heimatland. Dort verspricht die Fünf-Sterne-Bewegung des früheren Komikers Beppe Grillo ihren Anhängern, ein Referendum über den Verbleib im Euro abzuhalten - sofern sie nach den nächsten Wahlen, die spätestens 2018 stattfinden, an die Regierung kommen sollte. Die Abgeordneten Marco Valli und Marco Zanni, denen Draghi den Brief geschrieben hat, sitzen für die Fünf-Sterne-Bewegung im Europaparlament.

In der europäischen Volksvertretung sitzen auch die anderen Adressaten, an die Draghi seine Warnung richtet: der französische Front National, die deutsche AfD oder die österreichische FPÖ. Sie hatten sich just zum Zeitpunkt des Briefeschreibens gemeinsam in Koblenz versammelt, um bei allen Streitigkeiten einem gemeinsamen Ziel zu huldigen. Sie wollen die EU abschaffen - und das europäische Währungssystem gleich mit. Marine Le Pen, die Chefin des Front National, hat schon länger erklärt, aus der Euro-Zone austreten zu wollen. Die AfD ist sogar einst mit dem Ziel gegründet worden, dem Euro in seiner jetzigen Form zu entsagen.

Der Brief Draghis zeigt, dass er die Absichten zur Kenntnis genommen hat. Und dass er sie ernst nimmt. Wohl auch, weil nach dem Beschluss der Briten, aus der Europäischen Union austreten zu wollen, die anti-europäischen Ressentiments deutlich zugenommen haben. Für Italien würde es sehr teuer werden, sich aus der Euro-Zone herauszukaufen. Basierend auf den Daten von Ende November 2016, hätte die italienische Regierung eine Rechnung von 358,6 Milliarden Euro an das Euro-System zu zahlen. Diese Summe beziffert die Außenstände der Italiener gegenüber Partnern in der Euro-Zone.

Die Sorge, dass grenzüberschreitende Schulden der Euro-Länder untereinander am Ende nicht bezahlt werden könnten, gilt seit Längerem als einer der Gründe dafür, dass die Länder der Euro-Zone beieinander bleiben. Zu groß ist die Furcht, dass die Gläubigerländer am Ende auf ihren Außenständen sitzen bleiben. Schwächere Volkswirtschaften einschließlich Italien, Spanien oder Griechenland haben sehr hohe Verbindlichkeiten gegenüber stärkeren Volkswirtschaften angesammelt. Deutschlands Außenstände als größter Kreditgeber belaufen sich mittlerweile auf rund 754 Milliarden Euro. Die Unterschiede in den Zahlungsbilanzen sind in den vergangenen Monaten nochmals größer geworden.

Es gibt schon länger Warnungen, unter anderem von der Harvard-Volkswirtin Carmen Reinhart, wonach Kapital aus Italien abgezogen werde. Draghis Brief macht nun deutlich, dass es schon bald wieder sehr eng werden kann mit der Euro-Zone.

© SZ vom 24.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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