Schuldenkrise:Griechenland droht endgültig zugrunde zu gehen

Schuldenkrise: Der griechische Premier ist eine Art Vollstrecker für die internationalen Geldgeber des Landes - und doch sind sie mit ihren strikten Reformen dabei, seine Regierung zu Fall zu bringen.

Der griechische Premier ist eine Art Vollstrecker für die internationalen Geldgeber des Landes - und doch sind sie mit ihren strikten Reformen dabei, seine Regierung zu Fall zu bringen.

(Foto: AFP)

Alexis Tsipras ist ein Segen für die Kreditgeber seines Landes. Trotzdem sind sie dabei, ihn zu Fall zu bringen - und Europa gleich mit.

Kommentar von Mike Szymanski

Es ist möglich, dass die Hilfsprogramme für Griechenland auch deswegen in die Geschichte eingehen werden, weil sie am Ende noch jede Regierung in Athen zermürbt haben. Von Premier Alexis Tsipras mag jeder halten, was er will. Dass aber der Linkspolitiker nicht seinen Beitrag zur Rettung Griechenlands aus der Krise liefern würde, kann niemand mehr ernsthaft behaupten. Als Tsipras neulich sein Kabinett umbildete, geschah dies ausschließlich aus dem Grund, Brüssel entgegenzukommen. Wer noch ein bisschen Widerstandswillen gegen das Sparpaket aufbrachte, wurde aus der ersten Reihe der Regierung abberufen. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass die internationalen Kreditgeber Tsipras nie an der Spitze des Landes sehen wollten - und nun erkennen müssen, dass sie sich keinen besseren Vollzieher wünschen könnten.

Jetzt steht das Ende der jüngsten Überprüfung der Reformen bevor. Die Europäer sind unzufrieden, aber aus Sicht der Griechen liest sich die vorläufige Bilanz anders: In einer Studie gaben 77 Prozent der Befragten an, dass 2016 für sie noch einmal schlechter ausgefallen ist als das Krisenjahr 2015. Eine Mehrheit glaubt nicht an eine Besserung der Lage im nächsten Jahr. Auch das dritte Hilfspaket schnürt den Griechen die Luft zum Atmen ab. Es ist auf dem besten Weg, abermals neue Not zur alten Not hinzuzufügen.

Griechenland sollte bluten - und verblutet jetzt fast

Wer als Investor auf dieses Land blickt, kann nur darüber erschrecken, wie wenig Raum Griechenland zur wirtschaftlichen Erholung gegeben wird. Im Krisensommer 2015 ging es - wie sich immer deutlicher zeigt - weniger darum, Griechenland langfristig zu retten, als zunächst einmal die Zustimmung für die Milliardenhilfe in den Geldgeberländern zu sichern. Und dazu gehörte offenbar das Narrativ: Griechenland muss bluten. Daran leidet die Griechenland-Rettung bis heute.

Von Athen wird mehr verlangt, als es zu leisten vermag. Die aufgezwungene Abgabenpolitik treibt die Bürger in Steuerhinterziehung und Schattenwirtschaft. Es gibt praktisch keinen Anreiz mehr, sich in Griechenland als Selbständiger etwas aufzubauen - die Abgaben sind absurd hoch. Die gut Ausgebildeten flüchten aus dem Land. So lässt sich kein Aufschwung generieren.

Tsipras' Fall wäre mehr als nur ein Kollateralschaden

Wer dem Land helfen will, darf sich um die Frage einer nennenswerten Schuldenerleichterung nicht länger herumdrücken. Leider aber tut die deutsche Regierung genau dies - und provoziert dadurch womöglich Tsipras' Fall. All die schmerzhaften Reformen bisher hat der Premier seinen Bürgern unter der Maßgabe abgetrotzt, dass am Ende die Schuldenlast sinkt und das Land eine Perspektive für ein Leben ohne Hilfsprogramme bekommt. Verweigern sich hier die Geldgeber, nehmen sie in Kauf, dass die Regierung innenpolitisch scheitert; über Neuwahlen wird bereits spekuliert.

Dann aber dürfte die Krise schneller und heftiger auf der europäischen Agenda zurück sein, als alle erwartet haben. Eigentlich kann sich das niemand leisten.

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