Dodd-Frank-Gesetz:Mit Trump wird die nächste Finanzkrise wahrscheinlicher

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Der US-Präsident gibt den Banken mehr Freiheiten. Die Wall Street freut sich - doch die Entscheidung ist eine Katastrophe für die Altersvorsorge vieler Amerikaner.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Er hat es wieder getan. Donald Trump hat erneut gegen einen der Pfeiler getreten, welche die liberale Weltordnung tragen und den Menschen ein Leben in Wohlstand und Sicherheit verheißen. Erst trat er gegen Pfeiler wie Freihandel, Klimaschutz und humanen Umgang mit Flüchtlingen. Jetzt bollerte er gegen die Schutzregeln, die eine neue Finanzkrise wie jene 2008 verhindern sollen. Die entsprechenden US-Bankengesetze sind "ein Desaster", verkündete Trump - und unterschrieb wieder Dekrete.

Die Ironie der Geschichte will es, dass er als Geschäftsmann ausgerechnet in der Immobilienbranche wirkte, die im Zentrum der Finanzkrise stand. Banken gaben zahlungsschwachen Eigenheimkäufern zu viel Kredit, der in hochriskante Anlageprodukte zerstückelt wurde, die den Anlegern dann um die Ohren flogen. Bald danach flog das System der ganzen Welt um die Ohren: In der härtesten Rezession seit 80 Jahren verloren Millionen Menschen ihren Job, während die zockenden Banken mit Steuermilliarden gerettet wurden. Nie wieder!, schworen sich die westlichen Regierungen damals. In seltener Einigkeit zähmten sie die Banken, in den USA vor allem mit dem Dodd Frank Act. Es ist dieser historische Pakt, den Trump jetzt aufkündigt. Er macht damit eine neue Finanzkrise wahrscheinlicher, eine Wiederholung des Dramas von 2008, das der Erde immer noch wirtschaftlich schadet.

Was hat er für Argumente? "Ich habe so viele Freunde mit hübschen Geschäften, die kriegen wegen der Bankenregeln keine Kredite", behauptete er beim Empfang mit Managern im Dining Room des Weißen Hauses. Nun nimmt jeder Trump ab, dass er viele Freunde mit hübschen Geschäften hat. Der Rest seiner Behauptung aber sind alternative Fakten. US-Banken vergeben heute nicht weniger, sondern deutlich mehr Kredite als vor der Einführung der Dodd-Frank-Gesetze. In einer Untersuchung beklagten sich nur vier Prozent der kleinen Betriebe über zu wenige Darlehen, ein historischer Tiefstand.

Trumps Motivation erklärt sich eher durch die Leute, mit denen er sich umgibt. Sein Finanzminister, sein Wirtschafts-Chefberater und sein Chefstratege arbeiteten für die US-Investmentbank Goldman Sachs. Beim Empfang im Dining Room sagte Trump, niemand könne ihm Dodd Frank besser erläutern als "Jamie". Jamie Dimon leitet das größte Geldhaus Amerikas. Wenn Banker künftig die Gesetze machen, können sich die Banker freuen. Der Rest der Welt muss zittern.

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Von Harald Freiberger

Was Trump plant, könnte für Millionen Amerikaner zur Katastrophe werden

Welchen Schaden kann Trump anrichten? Für ein Schleifen von Dodd Frank braucht der Präsident Mehrheiten im Kongress, die ihm derzeit nicht sicher sind. Das ist die gute Nachricht. Doch womöglich bekommt er die Mehrheiten schneller, als die Optimisten glauben. Und indem er genehme Personen auf entscheidende Posten der Finanzaufsicht setzt, kann er die Geldbranche ohnehin wieder entfesseln. Den Chef der Verbraucherschutzbehörde will er so rasch wie möglich feuern. Ein hochrangiger Republikaner warnte Notenbankchefin Janet Yellen bereits, sie solle aufhören, über die Verschärfung internationaler Finanzregeln zu verhandeln - bis Trump die Schaltstellen mit Leuten besetzt habe, die in erster Linie die Interessen Amerikas verträten.

Die Europäische Union trifft das Vorgehen des US-Präsidenten zum schlechtesten Zeitpunkt. Wenn Amerikas Banken entfesselt werden, geraten Europas ohnehin teils strauchelnde Geldhäuser weiter in die Defensive. Geschäft wandert über den großen Teich, das Risiko einer Finanzkrise nimmt zu. Außerdem verlassen die Briten, die Banken traditionell lax behandeln, weshalb London zur europäischen Bankenmetropole aufstieg, demnächst die Union. Europas Grundsatz, seine Bürger vor einer neuen Finanzkrise zu bewahren, kommt unter Druck. Die Bundesregierung und ihre Partner müssen es die nächsten Jahre zur Top-Priorität machen, international für strenge Bankenregeln zu kämpfen - mit allem, was sie an Gewicht aufbringen.

Mal ganz abgesehen davon, was dem Rest der Welt droht: Was Trump plant, könnte für Millionen Amerikaner zur Katastrophe werden. Mit einem Federstrich kündigt er das Prinzip, wonach Finanzberater im besten Interesse ihres Kunden zu handeln haben. Das dürfte viele Bürger, deren Rente anders als in Deutschland stark von der Geldanlage abhängt, zum leichteren Opfer profitgieriger Banker werden lassen. "Die Finanzindustrie hasst Regeln, vor allem wenn sie Familien gegen schlechte Geldanlagen schützt", schreibt der Ökonom Paul Krugman. Wessen Interessen in der Ära Trump vorgehen, ist klar. Die Familien sind es nicht.

© SZ vom 07.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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