Deutsche auf Ranglisten:Weltmeister des Mittelstands

Für alles gibt es eine Rangliste - sogar für Ranglisten. Ein Unternehmensberater will nun festgestellt haben, dass es nirgends so viele Weltmeister wie in Deutschland gibt. Vor allem die mittelständische Wirtschaft ist erfolgreich. In Fußball und Wissenschaft sieht es nicht mehr so toll aus - dafür im Fingerboarden und Rückwärtslaufen.

Elisabeth Dostert

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Prof. Dr. Hermann Simon

Quelle: dpa

Schon wieder naht Silvester. Da ziehen die Menschen gerne Bilanz. Wer war schneller, besser, klüger, größer, reicher. Es gibt für alles eine Rangliste. Ohne Wettbewerb, Ehrgeiz und Eifer kein Fortschritt. Also wird gemessen, was die Statistik her gibt. Und ein wenig geschönt wird sie auch. Man muss die richtige Frage stellen und die geeignete Grundmenge nehmen, um seiner Zielgruppe die gewünschte Platzierung zu bescheren. Wer erntet die dicksten Kartoffeln? Wer hat die dümmsten Bauern?

Irgendwo ist jeder Spitze! Bestimmt. Vielleicht ist nur die Rangliste noch nicht erstellt. "Die Deutschen messen sich gerne", sagt der Bonner Unternehmensberater Hermann Simon (Archivbild). "Noch lieber messen sich aber die Amerikaner und Engländer." Das ist vielleicht einer der Gründe, weshalb die beiden Nationen so oft ganz vorne landen. Sie haben immer das Maß im Kopf, das nächste Ranking. "Aber die Deutschen holen auf", sagt Simon, "es wird gemessen und quantifiziert, was das Zeug hergibt."

Simon ist selbst ein Meister der Messung. Er misst am liebsten Hidden Champions, heimliche Weltmarktführer, weil auf diesem Feld keiner so gut ist wie die Deutschen. Simon hat darüber Bücher geschrieben, auch weil sich die Ranglisten immer wieder ändern. Sie wurden in viele Sprachen übersetzt, weil auch andere Länder gerne so viele tolle Unternehmen hätten. Haben sie aber nicht. In keiner Rangliste schneiden die Deutschen besser ab. Simon hat ein paar Rankings verglichen.

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Deutsche auf Ranglisten:Heimliche Champions

Miele baute den ersten elektrischen Geschirrspüler Europas

Quelle: pa/obs/obs7Miele & Cie. KG

Simon wäre kein Unternehmensberater, wenn unter allen Rekordlern seine Schützlinge nicht ganz vorne lägen. 1307 von weltweit 2734 Hidden Champions stammen aus Deutschland. Und das, obwohl Deutschland so ein Winzling ist, je nach Maß. Nur 1,2 Prozent der Weltbevölkerung leben in Deutschland, aber fast die Hälfte der Weltmarktführer. Würth oder Trumpf, Stihl oder Miele (Foto: Der erste elektrische Geschirrspüler Europas) mögen dem ein oder anderen noch einfallen.

Aber was ist mit Firmen wie JAB Anstoetz, weltweit führender Verlag für Heimtextilien. Oder Rational? Kein ander verkauft so viel Gartechnologie an Großküchen wie das börsennotierte Familienunternehmen aus Landsberg am Lech. Wer kennt RUD aus Aalen? Auch ein Familienunternehmen, wie viele dieser Heimlichtuer. Alle in der Geschäftsführung heißen mit Nachnamen Rieger, so wie einer der beiden Gründer. Die Gruppe stellt Ketten her. Klingt nach einem banalen Produkt, ist aber, so wie es diese Familie macht, Hightech. Die Ketten stecken in Panzern und schwerem Baugerät, Schneeketten macht die Firma auch.

Sorgen müssen sich die deutschen Weltmeister keine machen. "Unsere Position ist nicht in Gefahr", glaubt Simon. Eine kleine Einschränkung macht er dann doch. Die Frage sei, wie die Chinesen ins Spiel kommen. Die finden jedenfalls Gefallen an den deutschen Weltmarktführern, ein paar der Champs haben sie schon gekauft, den Autozulieferer Kiekert zum Beispiel, und den Baumaschinenspezialisten Putzmeister.

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Deutsche auf Ranglisten:Umsatzmeister

Rueckblick 2012: Wandel bei Schlecker kam zu spaet

Quelle: dapd

Viele der Weltmarktführer sind nicht börsennotiert, dann wäre es mit der Heimlichtuerei auch schnell vorbei. Und weil sie häufig in Nischen agieren, tauchen nur ganz wenige Deutsche in der Liste Global Fortune 500 des US-Magazins Fortune auf. In die Rangliste der 500 umsatzstärksten Konzerne der Welt schafften es nur 32 Firmen, das waren 6,4 Prozent. Wirklich keine Glanzleistung. VW landete 2012 immerhin auf Platz zwölf, vier Plätze vor dem Versorger Eon, also vor der Energiewende.

Das Schöne an Ranglisten ist, sie sind so vergänglich. Die Dinge ändern sich. Metzgermeister Anton Schlecker reüssierte in mehreren Ranglisten: einer der reichsten Deutschen, größte Drogeriemarktkette Europas. Jetzt ist er einer der größten Pleitiers. Sicher löst ihn irgendwann jemand ab.

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Deutsche auf Ranglisten:Tennis-Asse

Steffi Graf, 1988

Quelle: DPA-SZ

Ach Steffi! Mehr als zwölf Jahre ist es her, dass Stefanie Maria Graf (Foto vom Wimbledon-Sieg 1988) ihren Rücktritt vom Profitennis erklärte - als Nummer drei der Welt. Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Sie macht noch Werbung. Aber eine Rangliste der Werbeikonen hat Simon nicht geliefert. Und wer im wiedervereinigten Deutschland Geborene kauft ein Pesto von Barilla oder Tee aus der Linie Harmonie für Körper und Seele der Firma Teekanne, nur weil eine blonde Frau dafür Werbung macht?

Die Liste der deutschen Top-Tennisspielerinnen hat Simon gar nicht angeguckt. Ist auch schon lange her, dass eine Deutsche ganz vorne lag. Angelique Kerber aus Kiel rangiert derzeit auf der WTA-Rangliste auf Platz 5. Immer noch besser als der beste Mann, Philipp Kohlschreiber auf Platz 20. Das Allensbach-Institut hat mal knapp tausend Deutsche befragt, welche Personen aus Kunst, Sport und Kultur in den vergangenen 60 Jahren am wichtigsten waren. 44 Prozent nannten Steffi Graf, Platz fünf.

Der wichtigste von allen kam aus einem anderen Metier: Heinz Rühmann. So einer, der es auch im Leben von ganz unten bis nach oben schafft, ist einfach nicht zu schlagen. Sie sind die Lieblinge der Ranglisten. Auf Platz zwei - gleichauf mit Fußballkaiser Franz Beckenbauer - landete Loriot, der uns auf ganz andere Weise wie Heinz Rühmann vorgeführt hat, wie wir so sind, wir Deutschen: manchmal gar nicht lustig. Platz vier versteht auch keinen Spaß: Michael Schumacher.

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Deutsche auf Ranglisten:Streckenrekorde

Sebastian Vettel

Quelle: dpa

Die Deutschen lieben Autos, besonders schnelle. Zehn von 62 Formel-1-Weltmeistertiteln gingen an Deutsche. Drei fuhr Sebastian Vettel (Foto) ein, sieben Michael Schumacher, inzwischen schon Rentner. Über seinen ersten Titel, 1994, wird immer noch diskutiert, weil er damals Damon Hill in Adelaide aus dem Rennen rammte. Der nimmt ihm das auch immer noch übel. Vermutlich Neid! Ist ja auch die aufrichtigste Form der Anerkennung, soll Wilhelm Busch, deutscher Top-Zeichner, gesagt haben. Schumacher soll von Ehrgeiz besessen sein. Ohne Ehrgeiz keine Konkurrenz, keine Statistik und keine Rankings.

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Deutsche auf Ranglisten:Kicker

EURO 2012 - Niederlande - Deutschland

Quelle: dpa

Fußball, siehe oben, lieben die Deutschen schon auch. Kaum ein Dorf ohne Verein, für die Beschäftigung am Wochenende so wichtig wie die freiwillige Feuerwehr. Drei Mal wurden die Deutschen Fußballweltmeister. 1954, da war es noch ein Wunder, 1974 ein Heimspiel und dann 1990. Dreisatz: In 15,8 Prozent aller Turniere siegten die Deutschen. Noch öfter war es allerdings ziemlich knapp. Jogi Löw weiß, wie weh es tut, es nur fast geschafft zu haben. Vielleicht wäre es ihm an manchen Tagen lieber, er würde gar nicht in diesen verdammten Listen auftauchen, so wie die Nationalmannschaft von Burkina Faso. Die hat sich bislang noch nie für eine Weltmeisterschaft qualifiziert. Ein wenig Schönfärberei betreibt Simon an dieser Stelle auch. Knapp 16 Prozent ist keine so schlechte Quote. Aber Brasilien war schon fünf Mal Fußballweltmeister. Und Italien kann auch einen Titel mehr vorweisen.

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Deutsche auf Ranglisten:Olympioniken

Julius Brink und Jonas Reckermann

Quelle: dpa

Schlechter als im Fußball sieht es bei den deutschen Olympioniken aus. Von 5669 Goldmedaillen in den Jahren 1896 bis 2012 holten sie nur 539, macht 9,5 Prozent. Den ewigen Medaillenspiegel führen die Vereinigten Staaten mit 1064 Goldenen an vor Russland mit 697. 2012 in London standen die Deutschen elf Mal ganz oben auf dem Podest. Und wie wurden die Sieger gefeiert, zumindest einige: Diskuswerfer Robert Harting, wieder mit einem neuen Hemdchen, die Beach-Volleyballer Julius Brink und Jonas Reckermann, der Ruder-Achter - wer im Boot saß, wissen allerdings die wenigsten. Auch Top-Positionen in Ranglisten sichern keinen individuellen Ruhm.

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Deutsche auf Ranglisten:Merkel ganz mächtig

Kabinett

Quelle: dapd

Einmal im Jahr veröffentlicht das Magazin Time eine Liste der einflussreichsten Persönlichkeiten. Simon und seine Berater haben sich die Ergebnisse der Jahre 2009 bis 2011 angesehen. Nur so viel vorweg: Sie sind nicht besonders toll. Unter den 300 Persönlichkeiten finden sich nur zehn Deutsche. Ohne Kanzlerin Angela Merkel (Foto) sähe es düster aus. Seit die Jahresliste 2004 zum ersten Mal veröffentlicht wurde, schaffte es die CDU-Chefin fünf Mal in die Liste, auch 2009 und 2011, genauso häufig wie Apple-Gründer Steve Jobs. Das will doch was heißen.

Die Liste ist das Ergebnis eines halbdemokratischen Prozesses. Das Volk darf Vorschläge machen. Der kaum fassbare Aktivistenring Anonymous, zum Beispiel, sammelte dieses Jahr öffentlich rund 395 000 Ja-Stimmen ein, berichtet der Internetdienst Mashable. Ganz sicher kann man auch nicht sein, ob die gute Quote nicht doch nur das Resultat eines Hackerangriffs gewesen ist. Solche Spekulationen gab es im Netz. Die endgültige Wahl treffen die Time-Redakteure und da landete Anonymous auf Platz 36, einflussreicher als Investmentguru Warren Buffett und US-Präsident Barack Obama.

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Deutsche auf Ranglisten:Wirklich Nobel

Röntgen-Gedächtnisstätte Würzburg

Quelle: dpa

Kluge Köpfe - gemessen an der Zahl der Nobelpreise - gab es auch schon mal mehr in Deutschland. "Die meisten gab es vor dem Zweiten Weltkrieg", sagt Berater Simon. Männer wie Wilhelm Conrad Röntgen (1901 für Physik), Emil Fischer (1902 für Chemie), Rudolf Eucken (1908 für Literatur) und Carl von Ossietzky (1935 für Frieden). 97 von 773 Nobelpreisen gingen an Deutsche, 12,5 Prozent. "Aber heute sind die Amerikaner besser", sagt Simon: "Die lieben Eliten."

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Deutsche auf Ranglisten:Gebildet

Hochschulstandort Deutschland

Quelle: dapd

Das zeigt sich auch im Universitätsranking. Unter die 100 besten im World University Ranking 2011/2012 schafften es zwölf deutsche Hochschulen. Schön gerechnet! Als beste deutsche Einrichtung schafft es die Ludwig-Maximilians-Universität München "nur" auf Platz 45. Durchschnitt. Unter den besten Zehn landen sieben US-Unis, Institutionen wie Harvard, Stanford und Princeton. Nur drei britische Elitestätten können mit den Amerikanern mithalten. "Im Durchschnitt sind die Deutschen besser", tröstet Simon. Das amerikanische Bildungssystem ähnele eher dem Eiffelturm. Es gibt eine kleine, feine Elite. Das deutsche sehe eher aus wie ein Quader. Soll heißen: Im Schnitt sind die Deutschen besser gebildet als die Amerikaner, aber an die Spitze schaffen sie es seltener. "Das gilt für die Bildung und ganz viele andere Bereiche", sagt Simon.

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Deutsche auf Ranglisten:Kunststücke

Gerhard Richter Ausstellung

Quelle: Michael Kappeler/dpa

Kreativ sind sie jedenfalls, die Deutschen. Das zeigt der vom Manager Magazin jährlich veröffentlichte Kunstkompass, auch Ruhmesbarometer genannt, weil Ruhmespunkte vergeben werden. In die Top 100 schafften es 29 deutsche Künstler. Niemand heimste 2012 so viel Ruhm ein wie Gerhard Richter (Foto). Eine mittelgroße Arbeit kostet eine bis 1,5 Millionen Euro. Was ist mittelgroß? Unter die ersten 10 schafften es auch Georg Baselitz, Rosemarie Trockel und Anselm Kiefer. Noch hübscher wäre die Rechnung ausgefallen, wenn die deutsche Quote auf Basis der Top 10 erstellt worden wäre: 40 Prozent.

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Deutsche auf Ranglisten:Fingerboarden

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Quelle: lok

Ruhm ist ein schönes Maß. Wie die anderen Listen wohl aussähen, wenn der Ruhm die entscheidende Größe wäre? Und wo würde da Valentin Leiber landen? Der Mann aus Schleswig-Holstein ist Fingerboarder-Weltmeister. Er bewegt sein Miniaturboard mit den Händen. Thomas Dold fiel Simon auch nicht auf. Dold ist Doppel-Weltmeister im Rückwärtslaufen - auf 800 und auf 3000 Metern. Rückwärts und Ranking, passt auch irgendwie nicht.

© SZ vom 28.12.2012/bero
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