Abgasskandal:Porsche-Software setzt VW-Chef Müller unter Druck

  • Mit dem Auffliegen der Schummel-Software bei Porsche erreichen die Manipulationen im Volkswagen-Konzern eine neue Dimension.
  • Von diesem Freitag an gilt ein Verkaufsstopp für ein Porsche-Cayenne-Modell, zudem müssen 22 000 Autos zurückgerufen werden.
  • Das setzt auch den jetzigen VW-Chef Müller extrem unter Druck. Er war bis Herbst 2015 noch Porsche-Chef.

Von Michael Bauchmüller, Berlin, Max Hägler und Stefan Mayr

Die Ingenieure hatten mal wieder ziemlich viel Fantasie. Der Porsche Cayenne kann erkennen, wenn er auf den Rollenprüfstand geschoben wird. An der Art der Lenkradbewegung, am Luftdruck in der Umgebung. Es habe da, sagt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), "kumulativ" Hinweise gegeben. "Das ist einer der komplexeren Fälle." Mittlerweile redet man im Plural, wenn es um Schummeleien im Volkswagen-Konzern geht. Diesmal eben beim Sportwagenbauer. Bei unabhängigen Tests war das vor einigen Wochen aufgefallen, der Spiegel hatte darüber berichtet - dann prüften sie bei Porsche selbst nach. Und stellten fest: tatsächlich ist auch hier Schummel-Software verbaut. Sie gaben, wie sie selbst sagen, diese Infos an das Kraftfahrtbundesamt (KBA) weiter. Und dann griff eben der oberste Chef ein: "Wenn es so eine Software gibt, dann ist sie illegal und muss entfernt werden."

Von diesem Freitag an darf der Porsche Cayenne TDI mit Drei-Liter-Motor (Variante Euro 6) zudem in Deutschland nicht mehr zugelassen werden: Es gilt ein Verkaufsstopp. Erst wenn Porsche eine neue Software entwickelt hat, die von der Flensburger Auto-Behörde zugelassen ist, darf es wieder verkauft werden. Zudem werde ein "amtlich verpflichtender Rückruf" angeordnet. 7500 der Autos sind in Deutschland zugelassen, weitere 14 500 im Rest Europas. Die Kosten für den Rückruf muss Porsche tragen.

Darüber hinaus ist auch der VW-SUV Touareg ins Visier geraten. In der Drei-Liter-TDI-Version ist der Motor nahezu baugleich zum Cayenne. Ob hier ebenfalls eine Betrugssoftware installiert ist, soll nun überprüft werden. Wie es aus dem Volkswagen-Konzern heißt, habe man mit der Behörde eine Korrektur durch ein Software-Update im Rahmen eines Rückrufes vereinbart. Von dem Pressetermin am späten Nachmittag wurde der Volkswagen-Konzern indes offenbar überrascht. Das öffentlichkeitswirksame Vorgehen sei dem Wahlkampf geschuldet, hört man aus dem Konzern. Dobrindt wolle in Zeiten von Dieselskandal und Kartell-Vorwürfen den Aufklärer geben. All das erinnert an einen Donnerstagabend Anfang Juni. Damals ordnete Dobrindt unvermittelt einen Rückruf bei Audi an. 24 000 Autos der Modellreihen A7 und A8 mit V6- und V8-Dieselmotoren müssten in die Werkstatt zum Zwangs-Update, bestimmte der Verkehrsminister. Der Rückruf sorgte für Aufregung bei Audi. Denn eigentlich wollte man das selbst kommunizieren. Dass Dobrindt dem zuvor kam, wurde dem Audi-Management als Schwäche vorgeworfen.

Diesmal lief die Information zwischen Politik und Wirtschaft wenigstens ein klein wenig besser. Dobrindt hatte selbst mit Volkswagen-Chef Matthias Müller Kontakt aufgenommen, um ihn über die Entscheidung zu informieren. Dieser habe ihm zugesagt, "dass er vollumfänglich kooperiert", sagte der Verkehrsminister. Zufällig war Müller am Donnerstag auch mit Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) zusammengetroffen. Bei dem Besuch in Wolfsburg lobte die Ministerin die deutsche Ingenieurskunst - um dann gleich einzuschränken: "Im Dieselskandal wurde diese Ingenieurskunst falsch mobilisiert." Müller widersprach nicht.

Der Rückruf setzt auch VW-Chef Müller gehörig unter Druck

Für den VW-Chef wird die Luft nun zunehmend dünn - schließlich war er vorher, bis Herbst 2015, Porsche-Chef. Jeder Vorwurf, der in seinem alten Zuständigkeitsbereich auftaucht, belastet ihn in seinem jetzigen Job. Die betroffenen Modelle sind Autos der Baujahre 2014 bis 2017 - also konstruiert zu einer Zeit, als er Chef war in Stuttgart. Und: Es ist ein neuer Fall, anders als das bei Audi jüngst, anders als das Cayenne-Problem vor zwei Jahren. Als in den USA aufflog, dass der VW-Konzern bei Abgaswerten schummelt, waren bald auch Porsche Cayenne von Rückrufen betroffen. Doch das waren US-Varianten. Nun dreht es sich um Motoren der Abgasklasse Euro 6, also um angeblich ganz saubere. Und die Schummeltechnik ist, wie man aus dem Konzern hört, auch eine andere. Es ist, wenn man so will, ein weiterer Fall aus dem direkten Verantwortungsbereich von Müller. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Kurzem wegen möglicher Abgasmanipulationen. Dabei war er doch geholt worden, um den Dieselsumpf trocken zu legen, hatte auch eine Art Unbedenklichkeitserklärung abgegeben, bevor er nach Wolfsburg wechselte, um die Führung des Gesamtkonzerns zu übernehmen. Bei Porsche in Stuttgart und bei Volkswagen in Wolfsburg geben sie indes weiter die Linie aus: Dieselmotoren kommen von der anderen Konzerntochter, von Audi. Tatsächlich bündelt Audi die Kompetenz in Sachen Diesel-Technik und steht weitgehend im Zentrum, wenn es um den Skandal geht. Porsche-Betriebsrats-Chef Uwe Hück hat deswegen zuletzt massive Kritik an den Audi-Kollegen geübt. "Audi hat uns Diesel-Motoren mit drei Defeat Devices geliefert, also kranke Motoren", sagte er der Bild am Sonntag. "Wir fühlen uns von Audi betrogen." Die Feineinstellung der Motoren macht der Sportwagenbauer indes teils selbst: Die Frage ist also, ob die Ingenieure in Stuttgart das hätten bemerken und melden müssen.

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