Dirndltrends 2016:Bitte alles wieder einpacken

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Hochgeschlossene Blusen, Dirndl in Vintage-Farben (wie hier von Julia Trentini), Kupfertöne und wenig Dekolleté: Das sind die Dirndltrends 2016. (Foto: Julia Trentini, dpa; Collage SZ.de)

In vier Tagen beginnt das Oktoberfest. Nur was zieht man an? Expertentipps für die Wiesn-Saison 2016, die ganz im Zeichen alter Zeiten steht - und nach wenig Dekolleté verlangt.

Von Jana Stegemann

Sobald das Bier auf dem 183. Oktoberfest läuft, startet auch das Schaulaufen auf der Theresienwiese. Welche Bluse, welche Farbe, welches Accessoire liegt im Trend? Um die Suche nach dem perfekten Outfit zu erleichtern: Anregungen und Expertentipps für die Wiesn-Saison 2016.

Wer hingeht, trägt zumeist immer noch Tracht - ober eben das, was er dafür hält. Doch Rettung für die Rüschen- und Bling-Bling-gereizten Augen naht. "Die Wiesn wird modisch gesehen insgesamt ruhiger und traditioneller", sagt Gabriele Hammerschick, Chefeinkäuferin Trachten bei Lodenfrey in München. Eine Rückbesinnung auf Traditionen und Werteverbundenheit hat auch die Münchner Designerin Julia Trentini ausgemacht. "In dieser Saison wird noch mehr mit dem Konservativen gespielt. Das zeigt sich an hochgeschlossenen Dirndln mit Stehkragen, die teilweise streng anmuten können." Es gehe vor allem darum, "ein bisschen angezogener" zu sein. Gouvernanten-Chic neu interpretiert.

Auch Andreas Kammermeier, Leitung Einkauf Tracht beim Traditionshaus Ludwig Beck in München, beobachtet diesen Trend im Kaufverhalten. "Beliebt sind Retro-Formen der Dirndl, wie es sie in den Sechziger- und Siebzigerjahren schon mal gegeben hat." Statt offenherzigem Dekolleté trägt die modebewusste Trachtlerin jetzt hochgeschlossene Dirndlblusen mit kleinem V-Ausschnitt. Der Retrogedanke zeigt sich auch in Länge und Farben.

Ohne Glanz, aber mit Gloria

"Gedeckte, kräftige Dirndlfarben wie rot, grün und blau sind sehr beliebt", weiß Julia Trentini, die ihre Kreationen aus dem Glockenbachviertel bis nach Hollywood verkauft. Gabriele Hammerschick hat zwei Trendfarben ausgemacht: "Dunkelrot und Oliv in sämtlichen Nuancen. Auch Taupe und Kupfer werden verstärkt nachgefragt." Vintagetöne zahlen auf den Retro-Trend ebenso ein, wie rauchblaue und altrosafarbene Dirndl. Wem das alles zu düster ist, der könnte vielleicht mit einer Obstfarbe glücklich werden: "Kirschrot steht wirklich jeder Frau in jedem Alter", findet Hammerschick.

Die dominierende Farbe des offziellen Wiesn-Maßkrugs ist allerdings rosa. Schweinchen, nicht alt. Vor 50 Jahren waren Dirndl vor allem hellblau und eben rosa, was aber daran gelegen hat, dass sie häufig aus Bettwäsche, Vorhängen und Tischtüchern gefertigt waren. Das Laken zum Trachtenoutfit zu machen, wäre in diesem Jahr also auch eine Vintage-Variante.

Dazu passt, dass 2016 auf allzuviel Glanz verzichtet wird. Das heißt aber natürlich nicht, dass alle im Aschenputtel-Kittel auf der Bierbank stehen sollen. Spitzenblusen aus matter Baumwolle und Klöppelspitze verkaufen sich ebenso gut wie Dirndl aus gewebten Baumwoll-Jacquardstoffen. Seidendirndl werden mit Baumwollschürzen gemäßigt und mit Kaschmir-Jäckchen veredelt. Die Trägerin setzt, wie auch in den vergangenen beiden Jahren schon, auf elegantes Understatement, hochwertige Materialien und solide Verarbeitung. Die Bettwäsche muss also doch besser zuhause bleiben.

Muscheln, Herzen und Minifrösche

Feierten Schneewittchenkragen, Samt und die traditionelle Knopfleiste 2014 und 2015 ein Comeback, ist es 2016 die Borte. "In dieser Saison leben alte Bortentechniken wieder auf", sagt Julia Trentini, "die sind allerdings sehr zeitintensiv." Für eine Borte mit Minifroschmäulchen ("Froschgoscherl") braucht es weder Brunnen noch Prinzen, sondern handwerkliches Geschick und mindestens zwei Stunden Zeit. Maschinell lässt sich dieser Zierrand, der offenen Froschmäulern gleicht, nicht herstellen. Ein bisschen schneller gehen die Herzrüsche und das Muschelband. Dennoch: "Das Handwerkliche ist aus der Tracht nicht wegzudenken. Es sollte aber nicht nach Heimatmuseum aussehen, sondern frisch und zeitgemäß", sagt Gabriele Hammerschick und rät daher, solche Dirndl mit Baumwollblusen in frischem Weiß zu kombinieren, gerne solche mit Kelchkragen. Blusen in Eierschalen-Tönen stehen vor allem Dunkelhaarigen.

Froschmäulchen am Ausschnitt: Die "Froschgoscherl" erleben 2016 ihre Renaissance als Borte. (Foto: Lodenfrey)

In die Länge gezogen

Neonfarbene Bling-Bling-Mini-Dirndl aus Polysonstwas mit Glitzerschürzen und Totenköpfen müssen wie jedes Jahr im Schrank bleiben. Besser noch im Geschäft. Oder in der Tonne. Dafür kommt die 65er-Länge zurück, sagt Andreas Kammermeier. Die war schon vor vierzig Jahren en vogue. Ein bisschen angezogener ist, wer ein Dirndl mit 80er-Länge trägt. Das reicht dann bis etwa zur Mitte der Wade. Ist aber eher was für Frauen ab 1,70 Meter Körpergröße. "Für alle, die nicht das komplette Bein zeigen wollen, eine spannende Länge", so Julia Trentini. Knöchellange Dirndl stauchen hingegen und sind eher für Frauen ab einer Größe von 1,75 Metern Größe geeignet. In jedem Fall gilt, dass die Schürze wenige Zentimeter, etwa eine halbe Handbreit, kürzer als der Rocksaum sein sollte.

Borten sind das große Thema 2016. Hier an Dirndl von Lena Hoschek. (Foto: dpa)

Flower-Power im Haar, Granatsteine um den Hals

Ursprünglich ein praktisches Arbeitskleid für junge Frauen und Dienstboten kam das Dirndl Jahrzehnte ohne Schmuck aus. Heute dürfen Accessoires hinzugefügt werden. Doch Obacht! "Bitte nicht zu viel Schmuck. Wer Ohrringe trägt, sollte die Kette weglassen", findet Gabriele Hammerschick. Auffälliges Geklimper ist dieses Jahr traditionell wieder den Brauereipferden vorbehalten. Julia Trentini rät zu Kropfband, Samtbändern - und altem Granatschmuck. "Schön ist, wenn nicht moderner Schmuck kombiniert wird, sondern der von der Oma." Stichwort: Retrocharme.

Andreas Kammermeier empfiehlt zarte Blumenhaarreifen - die passen beinahe zu jeder Farbe und Frisur und man braucht keinerlei Fingerfertigkeit wie bei aufwendigen Flechtzöpfen oder beim Einweben von Blumenkränzen.

Hirsch am Hals: dreireihiges Kropfband mit Antik-Schließe. (Foto: Lodenfrey)

Also was nun? Dirndl oder nicht?

Pünktlich zum Oktoberfest beginnt natürlich auch wieder die Diskussion nach Sinn und Unsinn der Trachten. Im vergangenen Jahr schaffte es das Thema sogar in die US-Presse. Was den Dirndlboom vor mehr als 15 Jahren ausgelöst hat, weiß heute niemand mehr. Kritiker monieren seitdem, dass die Wiesn durch Zunahme von Plastik-Lederhose und 50-Euro-Billig-Dirndl zum Oktoberfestfasching verkomme.

Seit einigen Jahren sieht man in den Festzelten zunehmend mehr Trachten-Abstinenzler. Noch ein Retro-Trend? Peter Wippermann, einer der bekanntesten Trendforscher Deutschlands, ist sich sicher: "Der Dirndl-Boom hat den Höhepunkt überschritten. Der unbeschwerte und jugendliche Spaß an Tradition hat durch die politische Gesamtsituation - Afd und neue Konservative - einen Dämpfer bekommen." Dazu passt, dass Frauen auf Volksfesten statt Tracht von Kopf bis Fuß immer häufiger Kleidung mit zurückhaltenden Trachtenelementen tragen. Das kann ein Trachtenblazer zu Jeans sein oder ein sogenanntes Dirndlkeid. Damit ist ein Baumwoll-Dress gemeint, der ohne Schürze auskommt, die Bluse direkt eingenäht und halblange oder Puff-Ärmel hat. Tracht in der Light-Version und damit ideal für Frauen, die sich in einem klassischen Dirndl unwohl fühlen - aber trotzdem irgendwie mitmachen wollen.

Ob in Dirndl oder nicht - allen eine schöne und sichere Wiesn!

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