Toni Kroos bei Real Madrid:Auserwählt für den königlichen Hof

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Die WM ist kaum vorbei, schon bricht die Transferfreude aus. Fleißigster Investor ist Real Madrid, das sich von Toni Kroos mehr Variabilität erwartet. Auch Torschützenkönig James Rodríguez soll kommen - Sami Khedira könnte bald weg sein.

Von Benedikt Warmbrunn, München/Madrid

Cristiano Ronaldo trägt die Nummer 7, Karim Benzema die 9, Gareth Bale die 11. Frei wäre die Nummer 10 gewesen. Am Donnerstag hat Real Madrid bestätigt, dass Toni Kroos zum Champions-League-Sieger wechseln wird, mit einem für den spanischen Rekordmeister angenehm beiläufigen Tonfall. Neun Zeilen, fertig. Um eine Rückennummer ging es nicht, auch nicht um die 10. Am Nachmittag trat er mit einem weißen Trikot vor die spanische Presse.

Darauf die Nummer 8. Kroos, 24, wird also den FC Bayern verlassen, ein Jahr vor dem Ende seines Vertrages, angeblich für eine Ablösesumme in Höhe von 30 Millionen Euro; in Madrid erhält der Mittelfeldspieler einen Sechsjahresvertrag, spekuliert wird über ein Jahresgehalt in Höhe von sechs Millionen Euro - netto. Er zieht weg aus München, ohne dort das ganz große Versprechen eingelöst zu haben, das er in seinen Füßen trägt.

Toni Kroos gilt in der Branche als Hochbegabter, seit Jahren schon, an diesen Ansprüchen wurde er hoch und streng gemessen. Nun geht er als einer, dem so mancher im Verein nicht mehr zugetraut hatte, dieses Versprechen noch einzulösen. Er ist ein klassischer Zehner, der in München die Nummer 39 trug. Und der jetzt den Klub zu einem kuriosen Zeitpunkt verlässt: Er geht als Weltmeister. Als gereifter Spieler, der die WM in Brasilien geprägt hat.

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Nun bestätigen es beide Vereine: Toni Kroos wird in der kommenden Saison nicht mehr für den FC Bayern auflaufen, sondern für Real Madrid. Seine Ablöse soll bei rund 30 Millionen Euro liegen - und der Weltmeister hat sich wohl langfristig gebunden.

Am Donnerstagnachmittag wurde Kroos in Madrid im Estadio Santiago Bernabéu vorgestellt, als neuer Spieler im ohnehin üppig besetzten Mittelfeld von Real. Und als der Spieler, der das große Transferkarussell in Bewegung gesetzt hat.

Es ist ja ein wiederkehrender Mechanismus in der Fußball-Branche, dass unmittelbar nach einem wichtigen Turnier die Turnierhelden meistbietend verkauft werden. Manchmal sind Spieler dabei, die erst während des Turniers auf sich aufmerksam gemacht haben, nach der WM 2010 zum Beispiel verpflichtete Real die deutschen Nationalspieler Sami Khedira und Mesut Özil.

Nach diesem Muster geht Real nach dieser WM ebenfalls vor, der begehrte Spieler ist in diesem Sommer der Kolumbianer James Rodríguez, 23 Jahre alt, erst vor einem Jahr für 45 Millionen Euro vom FC Porto zum AS Monaco gewechselt, sein Vertrag läuft dort eigentlich noch bis 2018. Real und der Spieler aber verhandeln offenbar bereits, strittig ist noch die Ablösesumme, sie soll zwischen 60 und 75 Millionen Euro liegen.

James, mit sechs Treffern Torschützenkönig der WM, wäre der Spektakel-Transfer, den sich Real einmal jährlich leistet. Ein Spieler mit einem attraktiven, auffälligen Stil, eine auffällige, leicht größenwahnsinnige Ablösesumme. Toni Kroos ist dieser Transfer nicht.

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Real war lange nicht interessiert an diesem Spieler mit den feinen Füßen und dem Ruf des Phlegmatischen. Auch nicht, als sich in der Branche herumgesprochen hatte, dass Kroos unzufrieden war beim FC Bayern, weil der Verein ihm nicht das Gehalt zahlen wollte, das er, Kroos, für angemessen hielt. Real zierte sich dennoch weiter, die Verantwortlichen wollten in keinen Bieterwettbewerb eintreten, auch wollten sie sich keinen Konflikt mit den Münchner Verantwortlichen leisten. Wobei es dabei vor allem um einen Mann ging. Um Pep Guardiola.

Der Trainer des FC Bayern ist, neben Sportvorstand Matthias Sammer, bis zuletzt einer derjenigen im Verein geblieben, die Kroos unbedingt halten wollten. Guardiola findet, dass Kroos mit seinem genauen Fuß hervorragend in sein auf Ballbesitz aufbauendes System passt. Doch der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge und auch der ehemalige Präsident Uli Hoeneß wollten nicht mehr so recht an Kroos glauben, sie hielten ihn für weich, haben ihm lange nicht verziehen, dass er im Champions-League-Finale 2012 im Elfmeterschießen nicht antreten wollte.

Als Pep Guardiola im Frühsommer erkannte, dass Kroos nicht mehr beim FC Bayern bleiben werde, ließ er durchblicken, dass der FC Barcelona, sein ehemaliger Verein, die ideale Mannschaft für seinen verkannten Schüler sei. Doch Barcelona war nicht interessiert. Später erst informierte sich Real Madrid über den Deutschen.

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Carlo Ancelotti, der italienische Trainer von Real, will Kroos in sein Ensemble einfügen, um taktisch variabler agieren zu können. In der vergangenen Saison war Reals Stärke der schnelle Konter, vor allem über die Außenstürmer Cristiano Ronaldo und Gareth Bale. Mit Kroos - und vermutlich James Rodríguez - könnte Ancelotti auch ein ballsicheres (Kroos) und doch überraschendes (James) Mittelfeld aufstellen. Wodurch Kroos allerdings einen anderen Weltmeister verdrängt: Sami Khedira.

Der defensive Mittelfeldspieler spürte unter Ancelotti nie die Wertschätzung wie unter dessen Vorgänger, dem Portugiesen José Mourinho. Auch Khedira fand sich daher in der vergangenen Spielzeit im Kroos-Dilemma wieder: Real wollte nicht das Gehalt zahlen, das er, Khedira, für angemessen hielt.

Da Ancelotti zudem immer auf vier Verteidiger vertraut sowie auf Bale und Ronaldo, bleiben nur vier Startelfplätze für Feldspieler frei. Um einen streiten Kroos und der Kroate Modrić, Xabi Alonso hätte den des zentralen Strategen, Karim Benzema bliebe einzige Sturmspitze. Bliebe ein freier Platz. Bis James Rodríguez kommt. Weswegen Khedira nun ein weiterer Akteur auf dem Transferkarussell ist.

Der Argentinier Ángel Di María wird Real wahrscheinlich verlassen, Paris Saint-Germain ist interessiert. Und Khedira verhandelt bereits mit dem FC Arsenal in London, dem Verein, der bereits drei deutsche Weltmeister beschäftigt. Innenverteidiger Per Mertesacker, Linksaußen Lukas Podolski - und einen alten Bekannten: Mesut Özil, offensiver Mittelfeldspieler, drei Jahre lang Khediras Mannschaftskollege in Madrid. Der Spieler, der dort zuletzt die Rückennummer 10 tragen durfte.

© SZ vom 18.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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