Rückrunde des FC Bayern:Abhängig von Robbens Wucht

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Ein Egoshooter sei Arjen Robben, hieß es früher. Heute macht er allein den Unterschied. (Foto: imago/Pressefoto Baumann)
  • Beim FC Bayern geben derzeit einige Spieler Rätsel auf.
  • Umso mehr ist die Mannschaft daher auf Solonummern von Arjen Robben angewiesen, der auch in Stuttgart zum Sieg beigetragen hat.
  • Trainer Pep Guardiola will der Mannschaft die Robbenlastigkeit austreiben, bevor es ernst wird in dieser Saison.

Von Christof Kneer, Stuttgart

Diese Nachricht wird Alexander Meier, den führenden Torschützen der Bundesliga, wahrscheinlich beruhigen: Arjen Robben schaut nicht auf ihn. Meier muss sich also nicht unter Druck setzen, er muss nicht das Gefühl haben, dass ihm der Rivale bei jedem Torschuss kritisch auf den Innenrist schaut. "Ich gucke jetzt nicht, was Meier in Frankfurt macht", hat Arjen Robben nach dem Spiel in Stuttgart gesagt, mit einem kleinen geschmeichelten Schmunzeln, das andeuten sollte: Aber schön finde ich's schon, dass ihr Reporter mich nach der Torjägerkanone fragt.

Die Torjägerkanone sei ihm übrigens gar nicht wichtig, hat er noch gesagt, es gehe um die Mannschaft, und weil er dabei wieder geschmeichelt schmunzelte, durften sich die Reporter noch einen Satz dazudenken. Der Satz, den Robben (zwölf Saisontore) nicht sagte, aber bestimmt dachte, lautete: Aber so ein klitzekleines bisschen wichtig wäre mir diese Torjägerkanone natürlich schon.

Ein Egoshooter sei der Holländer, hieß es

Arjen Robben darf im Moment denken, woran er will, sogar an sich selbst. Robbens Dribblings haben sie immer gern genommen beim FC Bayern, aber es gab Zeiten in diesem Klub, da haben sie alles an Robben, was nicht Dribbling war, ziemlich kritisch gesehen.

Ein Egoshooter sei der Holländer, hieß es, ein Einzeltäter, einer, der nur glänzen könne, wenn er die Seitenlinie als Orientierungsmarke neben sich habe; einer, der lieber drei Loopings mache als einen naheliegenden Pass zu einem nahestehende Mitspieler rüberzuschieben. Aleinikow sei sein Kabinenspottname gewesen, wurde geflüstert, und wenn erst mal Guardiola käme, dieser Hohepriester des präzise definierten Mannschaftsspiels, dann. . .

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Gedacht waren, wahlweise, folgende Satzfortsetzungen: Dann würde Robben aber anders spielen müssen. Oder: Dann würde Robben schnell auf der Bank landen. Oder: Dann würde Guardiola den Robben wegschicken - wie einst in Barcelona den Ronaldinho, den Deco und den Eto'o. Wie man heute weiß, wäre folgende Satzfortsetzung korrekt gewesen: Dann wird der Robben immer besser.

"Die Qualitäten von Arjen Robben und David Alaba waren der große Unterschied", sagte Pep Guardiola nach dem 2:0 in Stuttgart. Guardiola liebt so ein Fazit nicht, ihm wäre es lieber, der beste Mann auf dem Platz wäre sein überlegenes System gewesen.

Aber seit der Winterpause, eigentlich schon seit dem letzten Spiel vor Weihnachten in Mainz, muss der Trainer nehmen, was er kriegen kann, zur Not auch einen Sieg wie in Stuttgart, der sich zwei Solonummern verdankt: Robbens euphorischem Schrägschuss (41.) kurz vor der Pause und Alabas euphorischem Freistoß kurz danach (51.). Guardiola weiß das nicht gern, aber er weiß es halt: In Stuttgart wirkten Robben und Alaba mit ihrer Wucht und ihrem Willen doch recht aleinikow.

"Man hat gesehen, dass wir aufgrund der letzten beiden Spiele ein bisschen verunsichert waren", bilanzierte Torwart Manuel Neuer, "aber dank Arjen haben wir wieder in die Spur gefunden." Neuer hat immer recht, aber die Frage, die sich aus seinem Fazit ergab, hat er listigerweise nicht mitgestellt. Die Frage muss lauten, warum der FC Bayern, der im Spätherbst noch so strukturiert und souverän Fußball spielte wie selten in seiner Vereinsgeschichte, die immerhin ruhmreich, glanzvoll und einzigartig ist - warum dieser FC Bayern also überhaupt aus der Spur geraten war.

Der Fußball, mit dem der FC Bayern Stuttgarts grimmigem Catenaccio anfangs begegnete, dürfte nur den Älteren unter den Zuschauern bekannt vorgekommen sein. In den Archiven findet man viele solcher Bayern-Siege: Draußen ist's ein bisschen kalt, drinnen fehlt ein bisschen Körperspannung, und irgendwann schießt Roy Makaay ein Tor.

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Im Archiv finden sich auch Spiele, bei denen man das Band weiterlaufen lassen muss, weil Franz Beckenbauer dann irgendwas von "Obergiesing gegen Untergiesing" grantelt oder von "Uwe-Seeler-Traditionself". Wenn Matthias Sammer das schöne Adjektiv "lätschern" nicht bereits für einen geringeren Anlass erfunden hätte, er hätte es spätestens in dieser Halbzeit erfinden müssen.

In der zweiten Hälfte haben die Bayern dann wieder deutlicher wie die Bayern gespielt, sie haben ein paar kultivierte Pässe aneinandergereiht, die locker ausreichten, um den verklemmten VfB zu kontrollieren. Aber die erste Hälfte dürfte Guardiola genügend Videomaterial geliefert haben, und manche Szene wird er bei der Nachbesprechung nicht mal in Zeitlupe abspielen müssen, weil der große Xabi Alonso den Spielaufbau in weiser Voraussicht ohnehin auf Slowmotion-Tempo herunter dimmte.

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Es gab in Stuttgart einige Rätsel, die Guardiola noch mal mit und ohne Zeitlupe betrachten wird. Die alten Ritter Alonso und Bastian Schweinsteiger wirken in diesem kalten Winter etwas eingefroren in ihren Rüstungen, und in Stuttgart kam erschwerend hinzu, dass hinter ihnen noch Dante und Medhi Benatia standen, denen Experten ebenfalls wenig Chancen einräumen, beim 100-Meter-Wettbewerb die Vorläufe zu überstehen.

Aber die Bummelei im Aufbauspiel fiel auch deshalb auf, weil in der Reihe davor außer Robben kaum einer das Tempo anzog. Mario Götze zählt zu jenen Spielern, die sich zuletzt vielleicht ein bisschen zu oft auf der Kinoleinwand gesehen haben, auch Thomas Müllers Spiel merkt man das zurzeit manchmal an. Der WM-Held Götze bewegte sich in Stuttgart, als spiele er statt auf grünem Rasen auf einem roten Teppich, auch der Nicht-WM-Held Robert Lewandowski kam dem Spiel allzu leicht abhanden, und so lag in Abwesenheit des verletzten Franck Ribéry die Last des raumöffnenden Eins-gegen-Eins- Duells aleinikow auf Robbens Schultern.

Guardiola weiß, dass er seiner Elf, bevor es wirklich ernst wird in dieser Saison, diese Robbenlastigkeit wieder abgewöhnen muss. Und er weiß, dass er dringend jenen Spannungsabfall verhindern muss, der den Bayern in der vorigen Saison nach frühem Titelgewinn womöglich die Champions League gekostet hat. Guardiola wird seine Künstler rechtzeitig daran erinnern, dass sie auch einen Körper dabeihaben.

© SZ vom 09.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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