Weit nach Mitternacht herrschte plötzlich Aufregung im spanischen Reisetross. Konnte es sein, dass da Cristiano Ronaldo ins Mikrofon sprach? War er es wirklich? Fast vier Monate hatte der Weltfußballer kaum ein öffentliches Wort verlauten lassen; die Steuerermittlungen der spanischen Justiz hatten seine Lust am Diskurs gedämpft, hinzu kamen seine lange Sperre in der Liga und manche Kritik an seinen Leistungen. All das hatte Ronaldo, 32, schweigsam werden lassen.
Doch ja, Cristiano Ronaldo spricht wieder. Das war die eine Nachricht in der Nacht zum Mittwoch im Keller der Dortmunder Arena. Frisch geduscht stand er da im feinen schwarzen Anzug, die Krawatte umgebunden; er hatte sogar gute Laune, plauderte, lachte. "Danke Cristiano, dass du bei uns exklusiv dein Schweigen gebrochen hast", twitterte die aufgeregte spanische Journalistin der Sendergruppe Atresmedia, die das Interview ergattert hatte, etwas später.
Werbung für seine eigene Marke
Die andere Nachricht war, dass sein Selbstbewusstsein in den vergangenen Monaten offenbar keineswegs gelitten hat. Es war schließlich ein Cristiano-Ronaldo-Abend beim 3:1 (1:0)-Auswärtssieg in Dortmund. In seinem 400. Pflichtspiel für Real schaffte er zwei Tore, erst auf Flanke von Gareth Bale (49.) zum zwischenzeitlichen 2:0, dann nach einem Konter über die rechte Seite (79.) zum Endstand. Seine Körpersprache war eine völlig andere als zuletzt in der spanischen Liga, wo er nach zwei absolvierten Spielen immer noch bei null Toren steht. Diesmal strahlte Ronaldo von innen heraus. Und mit dieser Haltung kam er auch zum Interview.
Ronaldo nutzte die viereinhalb Minuten, um ein bisschen Werbung für seine eigene Marke zu machen: für CR7, den Weltfußballer, also für sich selbst. Die Wucht der Kritik der vergangenen Wochen, als mancherorts gemunkelt wurde, Real bräuchte Ronaldo vielleicht gar nicht mehr, habe ihn überrascht. "Die Kritik wird immer schlimmer", klagte Ronaldo. Zu Unrecht natürlich, schließlich sei er ein "vorbildlicher Profi", immer mit "klarem Verstand". Seine Zahlen sprächen ja für sich: "Ich weiß gar nicht, wie viele Tore ich geschossen habe." 411 Treffer bei 400 Auftritten bei Real sind es nun, 109 Tore allein in der Champions League.
Ronaldo fuhr fort, und wechselte sicherheitshalber in die dritte Person, um seiner eigenen Größe gerecht zu werden. "Was sagt man nicht über Cristiano?", fragte er rhetorisch ins Mikrofon, um die Antwort gleich selbst zu geben: "Über Cristiano spricht man jeden Tag überall. Alles, was mit dem Namen Cristiano zusammenhängt, ist eine Nachricht für die Welt." Die Welt sollte eben erfahren, wie es ist, Cristiano Ronaldo zu sein. Manchmal gar nicht so leicht, wenn sich irgendwer mal wieder ein Gerücht ausdenkt. Aber eigentlich auch ziemlich cool.
Und das Gerede, dass er Real verlassen wolle, aus Ärger über die Ermittlungen der spanischen Justiz und die angeblich fehlende Rückendeckung im Verein? "Wenn ich alles beantworten würde, was man über mich schreibt, würde ich für die Presse leben", entgegnete Ronaldo. Er sei glücklich bei Real, doch ob er bald einen neuen Vertrag unterschreibe, könne "vielleicht der Präsident besser beantworten".
Das war zumindest ein halbes Bekenntnis zu einer Zukunft bei Real Madrid, und so lange er kein ganzes daraus macht, wird Ronaldo damit leben müssen, dass sich auch andere Leute Gedanken machen. Er, CR7, der Weltfußballer weiß ja, woran das liegt: "Wenn du ein Großer bist, reden die Leute immer über dich."