Miroslav Klose in der Nationalelf:Wichtiger Teil einer Dreiecksbeziehung

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Miroslav Klose stellt im DFB-Team derzeit wieder einmal unter Beweis, dass er der Angreifer ist, der am besten zu Mittelfeldkünstlern wie Özil und Reus passt. Seine Idee, auch bei der WM 2014 im Sturmzentrum aufzulaufen, bei seinem dann siebten großen Turnier, macht durchaus Sinn - außerdem will der Lazio-Mann noch einen Rekord knacken.

Boris Herrmann

Mal angenommen, ein Spiel dauerte 25 Minuten, dann wäre der Stürmer Miroslav Klose am Dienstag wahrscheinlich auf einer Sänfte aus dem Berliner Olympiastadion getragen worden. Er selbst will sich ja nicht mit dem Stürmer Gerd Müller vergleichen. Er hält das, aus nachvollziehbaren Gründen, für vermessen. Nach zwei schnellen Klose-Toren gegen Schweden, jene mit den Seriennummern 66 und 67 im Nationaltrikot, wurde er natürlich doch wieder schamlos mit dem Bomber der Nation verglichen.

Weil jetzt eben nur noch ein Treffer zu Müllers Länderspielrekord fehlte. Als Klose aber nach 25 Minuten auch noch nach hinten eilte und mit einer Grätsche an der eigenen Grundlinie den Ball eroberte, da wussten selbst die größten Klose-Fans nicht mehr, mit wem sie ihn vergleichen sollten. Rund 70.000 Zuschauer in Berlin spendeten ihm tosenden Szeneapplaus. Hätte Klose in diesem Moment seine Kanzlerkandidatur erklärt, es hätten wohl nur einige wenige Augenzeugen für vermessen gehalten.

Mal angenommen, ein Fußballspiel dauerte 61 Minuten. Dann wäre es immer noch ein guter Abend für Miroslav Klose gewesen. Ein sehr guter sogar. Zwar ließ das 68. Tor weiter auf sich warten. Aber das DFB-Team führte 4:0, es hätte genau so gut 8:0 führen können. Und der Eindruck, dass der 34-Jährige an diesem Spektakel einen zentralen Anteil hatte, war allgegenwärtig.

Im Mittelfeld stellten Mesut Özil und Marco Reus aufs Eindrucksvollste unter Beweis, dass Kunst tatsächlich von kurzpassen kommt. Klose aber war es, der diese Kunstfertigkeit in konkrete Torgefahr übersetzte. Und vor allem, wie es seine Art ist, in Tore.

Nach acht Minuten schloss er eine Hereingabe von Reus in den Rücken der Abwehr mit einem eingesprungenen Linksschuss ab. Nach 15 Minuten traf er nach einem doppelten Doppelpass (Reus-Özil-Reus-Müller-Reus) mit rechts zum 2:0. Darüber hinaus bildete er mit Özil und Reus immer wieder spitz auf den schwedischen Strafraum zulaufende Dreiecke, von denen die Gäste gewiss noch lange geträumt hätten - wenn diese Begegnung 25, 61 oder im schlimmsten Fall auch 92 Minuten gedauert hätte. Das WM-Qualifikationsspiel zwischen Deutschland und Schweden dauerte aber 93 Minuten.

Zwischen der 62. und der 93. Minute erzielten die Schweden bekanntlich vier Tore, weshalb die Zeit vor dem deutschen Weltuntergang in der Nachbetrachtung selbstredend nur noch eine Randrolle spielte. Eine kleine Würdigung hat diese Zeit trotzdem verdient. Das sah auch Jonas Olsson so, der beim englischen Premier League Klub West Bromwich Albion unter Vertrag steht.

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Marco Reus macht Thomas Müller neidisch, Per Mertesacker verkürzt seinen Rückstand auf Gerd Müller auf 66 Tore, leitet aber den späten Ausgleich ein. Jérôme Boateng nutzt den zunächst gemütlichen Abend zum Flankenschlagen, bevor sein Einsatz doch noch in Arbeit ausartet. Die DFB-Elf beim 4:4 gegen Schweden in der Einzelkritik.

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Olsson hatte als Innenverteidiger eine Stunde lang im Klose-Reus-Özil-Dreieck nach Orientierung gesucht. Als er später mit einem unverhofften Punktgewinn im Gepäck aus der Dusche kam, sagte der 29-Jährige ohne ein Spur von Selbstgefälligkeit: "Die Mannschaft, gegen die wir in den ersten 60 Minuten gespielt haben, war die beste Mannschaft, gegen die ich jemals gespielt habe."

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Klose sagte am Ende überhaupt nichts mehr. Er zog wortlos von dannen. Welche Worte hätten auch gepasst, um den Volten dieses Abends gerecht zu werden? Von Olssons Lob können sich die Deutschen jetzt auch nichts mehr kaufen. Immerhin können sie daraus etwas lernen, so wie es Bundestrainer Joachim Löw trotzig ankündigte.

Etwa das: Kloses Idee, auch noch bei der WM 2014 im Sturmzentrum aufzulaufen, bei seinem dann siebten großen Turnier, ist unter allen Umständen zu begrüßen. Gemeinsam mit seinen Spielkameraden Reus und Özil ist er in der Lage, aus einem guten Offensivteam ein titelverdächtiges Offensivteam zu machen. Dass die beste Offensive dazu nicht ausreicht, wenn die Defensive wackelt, das haben die Deutschen am Dienstag natürlich auch gelernt.

Trotzdem bleibt von dieser Veranstaltung ein verlockendes Gedankenexperiment zurück. Das letzte Mal, dass die deutsche Angriffsabteilung so lebendig wirkte wie gegen Schweden, war im Viertelfinale der EM 2012 gegen Griechenland. Auch damals bildeten Miroslav Klose, Marco Reus und Mesut Özil nach Belieben ihre Dreiecke.

Und deshalb kann man schon fragen: Was wäre eigentlich passiert, wenn diese Troika auch im wichtigsten Spiel des Jahres, im EM-Halbfinale gegen Italien, von Anfang an aufgelaufen wäre?

Es hätte wahrlich nicht klappen müssen - wie die letzte halbe Stunde von Berlin zeigte. Aber wer die erste Stunde im Olympiastadion gesehen hat, der muss gar nicht Jonas Olsson heißen, um so eine Ahnung davon zu haben: Es hätte sehr wohl klappen können.

© SZ vom 18.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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