Stimmung in der Bundesliga:Warum Voodoo-Tänze im Fußball wichtiger sind als Hollywood-Gehälter

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Tanz im Fanblock: Schalkes Leroy Sané mit den Fans (Foto: dpa)

All ihr Geld bringt Vereine wie VfL Wolfsburg oder Bayer Leverkusen nicht weiter - euphorische Fans sind unbezahlbar.

Kommentar von Philipp Selldorf

Am Freitagabend hat Schalke 04 im Heimspiel gegen Hannover 96 den 15. Spieltag eröffnet. Es war kein Abend, an dem das Schicksal der Saison definiert wurde, tatsächlich brachte die Partie nicht mehr als einen konventionellen 3:1-Sieg gegen ein bedürftiges Michael-Frontzeck-Hannover hervor.

Und doch sah es nach dem Abpfiff so aus, als habe Schalke gerade die wichtigsten Pokale des Universums gewonnen. Die komplette Elf tanzte in - nicht vor - der Fankurve wie in einer karibischen Voodoo-Nacht. Warum waren Schalkes Anhänger so unangemessen außer sich? Weil sie Schalker sind.

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Von Christof Kneer

Irrational euphorische Fußballfans lassen sich im ganzen Land finden. Aber es bleibt ein Unterschied zwischen begeisterten Fans in Wolfsburg, Leverkusen und Hoffenheim und begeisterten Fans in Hamburg, Schalke oder Köln. Auch in den Stadien von Leverkusen und Wolfsburg wird es mal laut, und in Sinsheim haben sich neulich sogar Hoffenheimer eine echte Schlägerei mit Gladbachern geliefert. Doch Werksklub bleibt Werksklub, selbst wenn er sich auf Wurzeln aus dem 19. Jahrhundert beruft (TSG 1899) oder seine frühe Gründung urkundlich belegen kann (Bayer 04).

Revolution ist vorerst abgesagt

Kürzlich sollte in der Liga eine Revolution stattfinden: Andreas Rettig stellte im Namen von St. Pauli den Antrag, die Werksvereine und Investorenklubs nicht länger an den Einkünften aus der TV-Vermarktung zu beteiligen. Die Argumentation lautete, dass fremdversorgte Teams einen Wettbewerbsvorteil besäßen. Der Antrag ist erst mal zurückgezogen. Ohnehin hat er übersehen, dass diese Vereine auch einem Wettbewerbsnachteil unterliegen - nur, dass sich dieser nicht in Euro bemessen lässt.

Traditionsklubs werden durch die schwankenden Gefühle ihrer Fan-Tribünen oft schwer belastet - doch es gibt eben auch den Verdacht, dass das Personal der Betriebsvereine emotional unterfordert wird. Dies ist nicht der Grund für die aktuelle Krise in Leverkusen - aber es dürfte einer der Gründe sein, der seit Jahrzehnten am Selbstverständnis nagt.

Dass der VfL Wolfsburg zurzeit nicht so gut ist wie im Vorjahr, liegt natürlich auch am Verlust des einzigartigen De Bruyne. Andererseits fängt es an aufzufallen, dass die luxuriös besetzten Wolfsburger auch diesmal nicht der große Bayern-Verfolger sind, vor dem in München seit Jahren gewarnt wird. Vom Tabellenletzten Hoffenheim nicht zu reden: Spielt im achten Jahr Bundesliga, war aber noch nie im Europacup. Perfekte Ausstattung, Schwärme von Laptop-Trainern in Fünf-Sterne-Nachwuchszentren, Gehälter wie in Hollywood - alles können die Industrie- und Gönnerklubs bieten. Bloß eines, siehe oben, nicht.

© SZ vom 07.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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