Sieg gegen Bayern:Warum Gladbach Juventus zu danken hat

Borussia Moenchengladbach v FC Bayern Muenchen - Bundesliga

Wehe, wenn sie von der Leine sind: Fabian Johnson dreht nach seinem Tor für Gladbach zum 3:0 gegen den FC Bayern ab.

(Foto: Lars Baron/Getty Images)
  • In der Champions League hat Gladbachs neuer Trainer André Schubert ein innovatives Spielsystem entdeckt.
  • Es funktioniert so gut, dass sogar die Bayern staunen. Die Borussia ist derzeit kaum zu stoppen.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Granit Xhaka erwartet keine Danksagungen. Nicht von den Dortmundern, denen man half, den Rückstand zum FC Bayern zu verkleinern; nicht von anderen Klubs, denen man demonstrierte, dass man die Münchner besiegen kann; auch nicht von Fans aus der ganzen Republik, die eine Rückkehr der Spannung in die Bundesliga wittern. Der Basler Xhaka, 23, ist als Kapitän von Borussia Mönchengladbach nüchterner Realist und pathetischer Sprücheklopfer zugleich. "Wir spielen nicht für mehr Spannung in der Liga", sagte er. "Wir spielen für unsere Ehre."

Pionierarbeit ist im modernen Fußball ein seltenes Glück. Technisch und taktisch ist ja schon fast alles erfunden und ausprobiert. Dem Trainer André Schubert ist nun aber trotzdem Wegweisendes gelungen, als seine Gladbacher dem FC Bayern beim 3:1 die erste Saison-Niederlage beigebracht haben. Wochen- und monatelang haben die Bundesligisten gerätselt, wie diesem FC Bayern beizukommen ist, mit welchem taktischen Kniff man seine überlegene Qualität drosseln und seine individuell extrem dominanten Spieler wenigstens phasenweise in den Griff bekommen kann. Den Gladbachern ist genau das am Samstag gelungen - nicht in der ersten, aber zumindest in der zweiten Halbzeit.

Tagelang hatten die Gladbacher über ihrem Plan getüftelt, hatten in Theoriestunden zur Vorbereitung hin und her diskutiert und waren sich bis zum Anpfiff nicht mal sicher, ob ihr Plan wirklich funktionieren würde. Sogar in der Pause, sagte Schubert, habe man noch einmal hinterfragt, ob man das System weiterspiele. Er sagt, seine Spieler wollten es. Am Ende, nach dem Sieg mit drei Gladbacher Treffern binnen 14 Minuten, sagte Xhaka: "Gut aufgegangen, der Plan." Grob zusammengefasst, sah der Plan so aus: In der Abwehrzentrale verteidigen drei Leute, und davor im Mittelfeld verengen fünf Spieler die Räume, in denen sie die Gegenspieler jederzeit in Eins-zu-eins-Situationen verwickeln können.

"Die Bayern haben ein überragendes Mittelfeld, sie lassen den Ball laufen, es ist schwer, an den Ball zu kommen", erklärte Xhaka. "Sie spielen viel über die Mitte, zwischen den Reihen", ergänzte der 3:0-Torschütze Fabian Johnson, "deshalb wollten wir in der Mitte präsenter sein." Also, sagte wieder Xhaka, "haben wir mit einer Dreierabwehr und einem Fünfermittelfeld die Räume eng gemacht und haben hoch gepresst, dadurch mussten die Bayern lange Pässe schlagen." Und der schwedische Linksverteidiger Oscar Wendt, Schütze des 1:0, fand: "Das war ein super System, dabei haben wir es gar nicht viel trainiert, sondern fast nur theoretisch gelernt."

Dass die Dreierkette ein sehr gutes System sein könne, sagt Schubert, sei ihm in den Spielen beim Champions-League-Gegner Juventus Turin noch einmal aufgefallen. Schubert ist erst seit zweieinhalb Monaten Cheftrainer in Gladbach, und sein Plan ist, eine taktisch noch variablere Mannschaft zu formen. Sein Vorgänger Lucien Favre hatte zumeist im 4-4-2-System spielen lassen. Schubert zunächst auch, bis Samstag. Da wollte er endlich mal seine Dreierkette ausprobieren, und zwar richtig, nicht nur wie eine Woche zuvor beim 3:3 in Hoffenheim in den letzten Minuten.

Favres Einfluss ist noch da

"Wir wollten die Bayern überraschen", sagte Wendt, der offensiver als sonst spielte, weil Havard Nordtveit, Andreas Christensen und Nico Elvedi die Abwehrkette zu dritt ausfüllten. In Christensen und Elvedi waren zwei der drei Abwehrmänner erst 19 Jahre alt - an den beiden lässt sich übrigens erkennen, wie groß der Einfluss des geflüchteten Favre immer noch ist. Er hat das Potenzial der beiden Defensivtalente früh erkannt und sie vor Saisonbeginn ausdrücklich verpflichten lassen.

Selbst bei Abschlägen vom Münchner Torwart Manuel Neuer standen die zehn Gladbacher Feldspieler, verteilt übers ganze Feld, direkt bei ihren Gegenspielern. Einmal, als Neuer den Ball ins Feld drosch, standen gleich vier Gladbacher fast am Münchner Strafraum. "Wir haben auf dem ganzen Platz eins gegen eins gespielt, und ich glaube, wir waren die erste Mannschaft, die hinten zu dritt gegen Bayern gespielt hat", sagte Xhaka und berichtete noch mal aus der Trainingswoche, in der man kontrovers diskutiert habe.

"Wir hatten zwei verschiedene Varianten, erst wollten wir so spielen, dann wieder so, am Ende haben wir uns für die Dreierkette entschieden, und wenn ein Plan so gut aufgeht, dann können wir gern auch die nächsten Male so hitzig diskutieren."

Zupass kam den Gladbachern im Laufe des Spiels natürlich auch all das Selbstbewusstsein, das sie sich zuvor mit sieben Siegen aus neun Spielen erworben hatten. "Die Bayern haben auch Schwächen und sind auch mal schlagbar - aber man muss auch dran glauben und sie unter Druck setzen", sagte Xhaka. "Man muss mutig sein und darf sich nicht nur hinten reinstellen", unterstrich Johnson.

Am Dienstag spielen die Gladbacher letztmals in dieser Saison Champions League, bei Manchester City. Mit einem Sieg könnten sie den Wechsel in die Europa League sicherstellen. Wer die Bayern in solcher Manier besiegt, kann der nicht auch in Manchester gewinnen? Das wurde Granit Xhaka am Samstag auch noch gefragt. "Da haben Sie Recht", antwortete er, grinste - und ging.

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