Japaner in der Bundesliga:Land der aufgehenden Sterne

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Die Bundesliga-Überraschungsteams Nürnberg und Frankfurt profitieren von ihren herausragenden Japanern Hiroshi Kiyotake und Takashi Inui. Wer in Asien ähnliche Talente sucht, muss sich beeilen - denn der Markt wird zunehmend kompliziert.

Christof Kneer

Das Siegtor seines neuen Japaners hat Martin Bader in Japan gesehen. Als die erste Halbzeit des Bundesligaspiels Mönchengladbach gegen Nürnberg übertragen wurde, hatte der Sportchef des 1. FC Nürnberg leider einen Termin, aber die zweite Hälfte konnte er in der nahegelegenen Sportsbar sehen. Es ist nach Mitternacht in Japan, Bader sitzt also in der Kneipe und sieht, wie der Nürnberger Profi Hiroshi Kiyotake am anderen Ende der Welt ein paar Gladbacher ausspielt und das 3:2 erzielt.

Überragend zum Saisonauftakt: Nürnbergs Hiroshi Kiyotake (rechts) gegen Dortmunds Robert Lewandowski. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Die Japaner haben sich in ihrer japanischen Sportsbar bestimmt gewundert über den leidenschaftlichen Jubel dieses Europäers. Sie konnten ja nicht ahnen, dass dieser Europäer den Torschützen aus dem Fernsehgerät erst vor kurzem für seine Firma verpflichtet hatte.

Martin Bader ist gerade erst aus Japan zurückgekehrt, er war wieder drüben, er hat ihn gesehen. Der sogenannte "asiatische Markt" war ja eine Weile so etwas ähnliches wie der Yeti, Abenteurer behaupteten, dass es ihn gibt, aber gesehen hatte ihn niemand. Es gab keine Beweisfotos von diesem asiatischen Markt, nicht mal verwackelte. Inzwischen gilt seine Existenz aber als gesichert. "Die Bundesliga ist wirklich ein großes Thema da drüben", bestätigt Bader, "sie kommt gleich nach der englischen Premier League."

Zumindest Japan hat inzwischen großflächig Notiz genommen vom deutschen Fußball, was sehr auf Gegenseitigkeit beruht. An diesem Freitagabend begegnen sich der 1. FC Nürnberg und Eintracht Frankfurt zum vorgezogenen Bundesligaspiel, es geht dabei tatsächlich um die Tabellenführung. Es geht aber auch darum, wer Japaner der Woche wird.

Zur Auswahl stehen Hiroshi Kiyotake, der 22-Jährige vom 1. FC Nürnberg, bei dem man sich nicht entscheiden kann, ob man nun seine Dribblings, seine Standardsituationen oder seine Torabschlüsse schöner finden soll - und Takashi Inui, 24, der identische Dribblings im Trikot von Eintracht Frankfurt zur Aufführung bringt und am vorigen Wochenende bei Frankfurts 3:2 in Hamburg ein ausgesprochen hübsches Tor erzielte. Allenfalls Außenseiterchancen werden Takashi Usami, 20, eingeräumt. Er hat zwar dieselben Bewegungen drauf wie Kiyotake und Inui, und ein Tor hat er am letzten Spieltag auch geschossen. Aber der Wettbewerb der Japaner wird auf höchstem Niveau geführt, und da hat Usami zurzeit einen entscheidenden Standortnachteil: Er spielt in Hoffenheim.

Es ist keine neue Erkenntnis mehr, dass bald jeder Bundesligist, der etwas auf sich hält, seinen Kader mit einem Japaner schmückt. Es geht jetzt aber nicht mehr darum, die Sportsbars in Osaka aufmerksam zu machen, es geht nicht mehr um Marketing. Es geht jetzt um Weltklasse - das zumindest ist der Maßstab, den Shinji Kagawa in Dortmund hinterlassen hat. Er war am Mittwochabend einer der Besten bei Manchester United, in der Champions League. Und es gibt eine Menge Experten, die ihre Phantasie nicht sehr verbiegen müssen, um sich Kiyotake und Inui auch auf dieser Bühne vorzustellen. Japan gilt zurzeit als Land der aufgehenden Sterne.

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Wer mit Dieter Hecking und Armin Veh spricht, den zuständigen Klubtrainern, der könnte meinen, die beiden hätten sich abgesprochen. "Diszipliniert", "wissbegierig", "erfolgsorientiert" - es ist der klassische Guido-Buchwald-Kanon, aus dem die Trainer zitieren, aber das Verlockende an ihren neuen Japanern ist, dass sie neben radikalem Guidotum auch den anderen großen Deutschen in sich tragen, der wie Buchwald viele Jahre in Japan verbracht hat. Kiyotake und Inui kicken frech wie Litti.

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"Dass Japaner demütig sind, kann man wirklich nicht mehr behaupten, wenn man die Burschen spielen sieht", sagt der Spielerberater Thomas Kroth, dessen Agentur quasi das Monopol auf die Vermittlung japanischer Profis nach Deutschland besitzt. Kroth hat mitgeholfen, Kiyotake von Nürnberg zu überzeugen. "Er hatte auch andere Optionen in Europa", sagt Trainer Hecking. Aber Manager Bader und Chefscout Christian Möckel haben den Spieler so mit Besuchen und sonstigen Respektsbekundungen überschüttet, dass Kiyotake gar nicht anders konnte, als Franke zu werden.

Mehr denn je ist Japan das verführerischste Ziel für Erstligisten, die sich keine 40-Millionen-Spanier leisten können. Bader hat von seiner kleinen Bildungsreise wieder ein paar interessante Namen mitgebracht, darunter angeblich den Mittelfeldspieler Takahiro Ogihara, 20, aber vor allem hat er Kontakte geknüpft und gepflegt. "Auch das macht Japan für Klubs wie Nürnberg so interessant", sagt Bader, "dass man es nicht wie auf anderen Märkten mit anonymen Konsortien zu tun hat, die Rechte an Spielern halten. In Japan hat man seriöse Geschäftspartner, die Spieler haben klare, oft kurze Verträge, und es taucht auch nicht über Nacht ein neuer Verantwortlicher auf, für den die alten Absprachen plötzlich nicht mehr gelten."

Trotzdem muss sich die Bundesliga allmählich beeilen. Der Markt wird komplizierter werden, Japan lernt schnell. "Die ersten Klubs in der J-League fangen schon an, mit langen Verträgen und mit Klauseln zu arbeiten", sagt Bader. Die Zeiten, in denen man Spieler wie Kiyotake für eine lächerliche Million bekommt, dürften bald vorbei sein, aber es bleibt dann immer noch der Weg von Armin Veh. Er hat in der letzten Saison den Frankfurter Abstieg genutzt, um die zweite Liga kennenzulernen, die bis dahin unter seinem Niveau lag. Beim Zweitligisten Bochum hat er diesen Inui spielen sehen, er wollte ihn unbedingt haben, und er kann sehr hartnäckig sein, wenn er sich in einen Spieler verguckt hat.

Dass er Inui am Ende auch bekommen hat, verdankt er aber ausgerechnet Kiyotake. Hätte der den Nürnbergern abgesagt, "dann hätten wir Inui verpflichtet", sagt Martin Bader. "Wir waren lange an ihm interessiert und haben uns auch ein paar Mal mit ihm getroffen." So hängt das also alles zusammen auf dem asiatischen Markt.

© SZ vom 21.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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