Hoeneß-Urteil:"Free Uli"

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Erst Trillerpfeifen, dann tröstender Applaus: Vor dem Justizpalast reagieren viele Anhänger mit Unverständnis auf die Haftstrafe gegen den Bayern-Präsidenten. Andere finden, Hoeneß sei glimpflich davongekommen.

Von Anna Fischhaber

Vor dem Justizpalast steht ein kleiner Junge in FC-Bayern-Trikot und rüttelt am Absperrgitter. "Uli, Uli,Uli", ruft er. "Er weiß nicht, um was es geht", sagt seine Mutter. "Wir wollten ihn damit nicht belasten." Zu dieser Zeit wird im Gericht noch die Urteilsbegründung verlesen. Doch das Strafmaß hat sich bei den rund 500 Zuschauern vor der Tür an diesem Donnerstagnachmittag längst herumgesprochen.

Viele halten dennoch weiter tapfer ihre Transparente in die Fernsehkameras. "Free Uli", steht auf dem einen, "Viel Glück", auf dem anderen. Plötzlich wird es laut. Einige Fans skandieren nun Hoeneß, Trillerpfeifen sind zu hören, dann gibt es Applaus. Trostapplaus für den Bayern-Präsidenten, der so eben zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt wurde.

Hoeneß-Prozess
:Urteil, Schweigen, Flucht

Drei Jahre, sechs Monate. Still und gefasst nimmt Uli Hoeneß das Urteil gegen sich auf. Richter Heindl sagt, er habe beim Strafmaß zu Hoeneß' Gunsten geurteilt. Ins Gefängnis muss er zwar noch nicht, etwas in ihm gebrochen hat das Verfahren doch.

Aus dem Gericht von Lisa Sonnabend

Ein wenig erinnert die Stimmung in der Münchner Innenstadt an ein Volksfest. Schon in der Dunkelheit am Morgen hatte sich eine Schlange vor dem Eingang mit dem Schild "Strafsache Ulrich H. - Zuhörer" gebildet. Am Mittag stehen immer noch zahlreiche Menschen hier und hoffen doch noch in den Saal zu kommen, wo um kurz nach 14 Uhr das Urteil nach vier Tagen Prozess verkündet wird.

Auf der Straße parkt ein Übertragungswagen hinter dem anderen, Fernsehteams haben zwei weiße Zelte aufgebaut, in denen sie die Leute interviewen. Zahlreiche Polizisten sind unterwegs. Eine Gruppe asiatischer Touristen macht fleißig Fotos und auf der Straße gegenüber hält ein rechter Stadtrat Plakate hoch und versucht, die Menschenansammlung für seinen Kommunalwahlkampf zu nutzen.

Das Interesse ist größer als an den Tagen zuvor. Viele Fans sind gekommen - und viele glauben am Morgen noch, dass "Hoeneß noch einmal Glück haben wird", wie ein junger Mann mit Bayernschal sagt. Im Justizpalast geht es dann Schlag auf Schlag: Die Staatsanwaltschaft fordert eine Haftstrafe, die Verteidigung - wenn die Selbstanzeige als nicht wirksam eingestuft wird - maximal eine Bewährungsstrafe. Kurz nach elf Uhr sind die Plädoyers beendet, das Gericht zieht sich zu Beratungen zurück. Nun heißt es vor dem Justizpalast: Warten. Und diskutieren. Immer mehr Menschen kommen nun.

"Hoeneß hat so viel geleistet", sagt ein Mann. "Und wenn man ständig mit so vielen Millionen jongliert, ist es doch normal, dass man irgendwann den Überblick verliert." Der Staat sollte sich doch lieber um die richtigen Verbrecher kümmern. "Er hat doch nur einen Fehler gemacht", sagt ein anderer Mann. "Fehler", fragt sein Gegenüber entrüstet. "Er hat beschissen und dafür muss er in den Knast." Die Emotionen kochen so kurz vor Prozessende hoch.

Reaktionen auf Hoeneß-Urteil
:Seehofer zeigt sich "menschlich betroffen"

Bayerns Ministerpräsident Seehofer verweist auf die persönlichen Konsequenzen für Uli Hoeneß. Die FC-Bayern-Aufsichtsräte Stadler von Audi und Winterkorn von VW brechen nach dem Urteil abrupt eine Konferenz ab und verschwinden durch den Hintereingang.

Reaktionen im Überblick

Ein junger Mann mit Sakko und Bayerntrikot darunter ist einer der ersten, der schließlich aus dem Gericht kommt. Geschockt sei er, sagt er. "Nach dem Plädoyer der Verteidigung hatten wir noch so ein gutes Gefühl." Nun sei nicht nur die Familie von Hoeneß, sondern auch die Bayernfamilie zerstört. Während andere Zuschauer berichten, Hoeneß habe das Urteil stoisch aufgenommen, will er Tränen gesehen haben. "Das sitzt tief", sagt der Mann, dann ist er verschwunden.

"Haft? Ach Du Scheiße", sagt ein anderer Fan, der offenbar jetzt erst das Urteil mitbekommen hat. Reden will er jetzt nicht. Doch es gibt auch andere Meinungen hier - auch wenn die Hoeneß-Fans ganz eindeutig in der Überzahl sind. "Ein Freispruch wäre eine Katastrophe gewesen", sagt ein Zuschauer, der aus dem Gericht kommt. "Er kann froh sein, dass er nicht mehr bekommen hat."

Präsident könne er in jedem Fall bleiben

Die Gruppe Fans mit den Trillerpfeifen will trotzdem nicht aufgeben. Inzwischen haben sie ihr Transparent am Absperrgitter befestigt. Hias Hammer, Fan des FC Bayern seit 40 Jahren, Lederhose, Gamshut, gibt weiter Interviews. Hoeneß habe nicht nur für den Verein viel getan, sondern auch für ganz München und Bayern, sagt er jetzt - und zählt auf, für was der Verurteilte schon alles gespendet habe. Im Aufsichtsrat könne er jetzt wohl nicht bleiben. Aber Präsident in jedem Fall. "Wenn er aus dem Knast kommt, hat er auf jeden Fall eine zweite Chance verdient", sagt ein anderer Bayernfan. Andere hoffen auf die Revision: "Das ist noch lange nicht entschieden", hört man nun von vielen.

Zufrieden ist nach diesem Tag die Münchner Polizei. "Das Urteil kommentieren wir nicht. Aber der Polizeieinsatz verlief absolut ruhig", sagt Sprecher Wolfgang Wenger.

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