Fifa-Machtkampf um Blatter:1:0 für den ewigen Sepp

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Fifa-Chef Sepp Blatter hat seinen Herausforderer spektakulär bezwungen - ganz ohne Wahl. Mohamed bin Hammam zieht nach einem beispiellos schmutzigen Machtkampf seine Bewerbung zurück. Nun deutet alles auf eine vierte Amtszeit des Präsidenten hin, doch vielleicht war das noch nicht die letzte Wendung in diesem Weltfußball-Krimi.

Johannes Aumüller

Es schien, als sei die Regentschaft des Sonnenkönigs ernsthaft demokratischen Herausforderungen ausgesetzt. Als habe sich nach der scheinbar ewigen, tatsächlich immerhin elfjährigen Herrschaft Sepp Blatters über den Fußball-Weltverband Fifa endlich ein Gegner gefunden, der es mit dem Schweizer Patron aufnehmen kann.

Fifa-Präsident Blatter, Herausforderer Bin Hammam (2009): Der Machtkampf ist vermutlich entschieden (Foto: REUTERS)

Der ihn bei der Wahl am 1. Juni gar stürzen kann, weil er über genügend Geld, Connections und politischen Rückhalt verfügt. Der nach den unzähligen Skandalen und Affären in Blatters Reich zumindest für so etwas wie einen Neuanfang steht. Und der auch noch weiß, welche Probleme den internationalen Spitzenfußball tatsächlich bedrücken - und sich deshalb zum Beispiel für die Einführung technischer Hilfsmittel ausspricht und für die Begrenzung der Fifa-Präsidentschaft auf zwei Legislaturperioden.

Mohamed bin Hammam, 62, steinreicher Geschäftsmann aus Katar, ein enger Vertrauter des Emirs Hamad Bin Chalifa Al-Thani, hatte Mitte März seine Kandidatur bekanntgegeben. Ausgerechnet Bin Hammam, der über all die Jahre ein treuer Kompagnon Blatters gewesen war, den der Fifa-Chef gar mit "Bruder" anredete - und der dann wie viele andere in Ungnade fiel, weil er zu mächtig geworden war. 2009 versuchte Blatter, Bin Hammam von der Spitze des asiatischen Verbandes zu verdrängen. Seitdem sinnt dieser auf Rache nach dem Prinzip: Blatter muss weg, egal wie. Erst wollte er den europäischen Verbandsvorsitzenden Michel Platini zur Kampfkandidatur gegen den Präsidenten bewegen, doch weil dieser ablehnte, musste er selbst ran.

Es folgte ein schmutziger Wahlkampf, wie ihn der Fußball-Weltverband sehr lange nicht gesehen hat: mit Bestechungsvorwürfen, der Einberufung der Fifa-Ethikkommission und nun einer Wendung, die kaum jemand erwartet hat. Bin Hammam zieht seine Kandidatur zurück. Wegen Filz-, Mauschel- und Korruptionsvorwürfen. Er soll versucht haben, Stimmen für die Fifa-Präsidentschaftswahl zu kaufen. Er streitet das ab. Er spricht von einer Schmutzkampagne.

Egal. 1:0 für Sepp Blatter.

Wenn sonst nichts Überraschendes mehr passiert, wäre das auch das Endergebnis. Ohne neue Sensationen könnte sich Blatter am Mittwoch alternativ- und problemlos per Akklamation in seine vierte Amtszeit als Fifa-Chef wählen lassen.

Dauer-Gewinner in Machtkämpfen

Selten hat der Schweizer einen Gegner so gefürchtet wie seinen Ex-Bruder aus Katar, und Blatter hatte schon einige Machtkämpfe zu bestehen. 1998 triumphierte er im Rennen um die Nachfolge von Fifa-Chef Joao Havelange auf dubiose Weise über den Schweden Lennart Johansson. Von Geldflüssen am Vorabend der Abstimmung wurde damals berichtet, eine "schmutzige Wahl" nannte es der damalige DFB-Chef Egidius Braun - und war wohl noch nett. 2002 setzte sich Blatter trotz der ISL-Affäre überraschend deutlich gegen den Kameruner Issa Hayatou durch. Nun stürzt Bin Hammam schon im Wahlkampf, und es kommt gar nicht erst zum Versammlungsduell wie gegen Johansson oder Hayatou. Blatter hat es geschafft.

Nur wie?

Fest steht: Die Vorwürfe gegen Bin Hammam sind spät im Wahlkampf aufgekommen. Noch vor einer Woche brachten beide Kontrahenten ihre üblichen Botschaften unters Volk, ohne konkrete Vorwürfe. Doch schon damals waren Gerüchte im Umlauf. Blatter habe Material gegen seinen Konkurrenten gesammelt. Zwischen Blatter und dem Emir gebe es einen Deal, dem zufolge Bin Hammam sich zurückzieht, um Katars unter Manipulationsverdacht stehende WM 2022 nicht zu gefährden. Aus dem Umfeld des Herausforderers verlautet, es gebe eine "Bombe", die in den kommenden Tagen die Fußballwelt erschüttern könne.

Am vergangenen Mittwoch dann Konkretes: Die Fifa meldet, ihr Exekutivkomiteemitglied Chuck Blazer aus den USA habe über einen möglichen Bestechungsversuch informiert. Es geht um ein Treffen der Karibischen Fußball-Union am 10. und 11. Mai. Spekuliert wird, Bin Hammam persönlich habe dorthin eingeladen. 40.000 Dollar pro Stimme für ihn seien geboten worden. Die Vorwürfe richten sich gegen Bin Hammam und drei Funktionäre, darunter Jack Warner aus Trinidad und Tobago, den Fifa-Vizepräsidenten und skandalumwitterten langjährigen Blatter-Vertrauten.

Bin Hammam weist alles zurück und beharrt auf seiner Kandidatur. Er fordert am Donnerstag seinerseits eine Untersuchung gegen Sepp Blatter. Er wirft dem Schweizer vor, von angeblichen Zahlungen an Mitglieder gewusst zu haben. Dies weist wiederum Blatter zurück.

Am Freitag leitet die Ethikkommission der Fifa auch gegen ihn Ermittlungen ein. Er und Bin Hammam werden für diesen Sonntag vor das Gremium in Zürich geladen. Am Samstag mehren sich Forderungen, die Wahl zu verschieben. Nach Informationen der britischen Times soll sich sogar Premierminister David Cameron dafür ausgesprochen haben. Der mitbeschuldigte Jack Warner verkündet: "In den nächsten Tagen wird man einen Fußball-Tsunami erleben, der die Fifa und die Welt treffen und schockieren wird."

In der Nacht auf Sonntag dann der spektakuläre Rückzieher: Bin Hammam schreibt auf seiner Internet-Seite, er werde nicht antreten. "Die jüngsten Vorfälle haben mich in offizieller und privater Hinsicht verletzt und enttäuscht." Er könne es nicht zulassen, dass das Ansehen der Fifa in den Schmutz gezogen wird. "Das Spiel und die Menschen, die es auf der ganzen Welt lieben, müssen an erster Stelle kommen. Deshalb gebe ich den Rückzug von der Präsidentschaftswahl bekannt."

Zur Kommissionssitzung an diesem Sonntag will der Katarer trotzdem kommen. Und um seinen Ruf kämpfen. Gewöhnlich sind solche Auftritte vor Fifa-Gremien eher Witzveranstaltungen. Doch diesmal? Was sagt bin Hammam? Was meint Jack Warner mit seinem angedrohten "Fußball-Tsnuami"? Es könnte sich um eine Worthülse handeln, aber vielleicht packt einer aus. Der alte Blatter-Buddy Warner ist eine zwielichtige Gestalt, weiß aber viel über die Fifa.

Viele Fragen offen

Bin Hammams Rückzugserklärung lässt viele Fragen offen. Welche Rolle hat in dem ganzen Intrigenspiel zum Beispiel die WM-Vergabe 2022 an Katar? Bin Hammams Heimatland hat im Dezember den Zuschlag bekommen, obwohl es dort im Sommer zu heiß fürs Fußballspielen ist. Weltweit war das Unverständnis groß, eine Verschiebung in den Winter wurde rasch debattiert, die Frage kam auf: Wieso diese Wahl? Der Weltfußball ist so korruptionsdurchseucht, dass Manipulationsvorwürfe nahe lagen. Solche Meldungen sind natürlich schlecht für Blatter, den Chef - aber auch für Bin Hammam, den Drahtzieher hinter Katars Bewerbung.

Der Katarer hat immer als sein Ziel genannt, Blatter zu stürzen, und nicht zwingend, selbst Präsident zu werden. Angesichts der laufenden Fifa-Ermittlungen stellen nun viele die Frage, ob es dazu doch noch kommen kann. Könnte das Spiel am Ende 1:1 ausgehen - und die Fifa am Ende einen Präsidenten hat, der weder bin Hammam noch Blatter heißt, sondern vielleicht Platini, der sich in den vergangenen Wochen taktisch geschickt verhalten hat?

Der Europäer hat an diesem Sonntag selbstverständlich zurückgewiesen, nach bin Hammams Rückzug kandidieren zu wollen.

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