FC Bayern II - TSV 1860 II:"Geiles Derby mit grandioser Stimmung"

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Ein Spiel für Fußballpuristen und Fan-Nostalgiker. Und das in München. Das Regionalliga-Derby FC Bayern II gegen den TSV 1860 II stillte für 10.677 Fans im alten Grünwalder Stadion die Sehnsucht nach alter Fußball-Atmosphäre. Ein paar Anhänger geraten allerdings mit der Polizei aneinander.

Von Victor Fritzen

Als sich gegen Viertel vor neun Blitze, Donner und der Starkregen über Untergiesing entluden, zog ein Großteil der 3500 Löwen-Fans auf der Westtribüne blank. Weg mit den T-Shirts, raus mit der Sangeskraft. Alles für ihren Verein. Die "Sechzger" besangen ihren Verein TSV 1860 München und ihre Mannschaft auf dem Rasen derart inbrünstig und laut, als sei es das letzte Spiel in der Vereinsgeschichte. Aber auch schräglinks gegenüber, auf der Gegengeraden, nutzten die vor dem Regen geschützten Anhänger des FC Bayern den Hall des Daches und feierten die 1:0-Führung. Beide Fanlager verliehen dem Amateur-Derby am Dienstagabend eine Atmosphäre, die sie im großen Stadion in Fröttmaning zuletzt vergeblich gesucht hatten.

Das Regionalliga-Derby zwischen den Zweitvertretungen des FCB und des TSV 1860 (Endstand 2:0) im Städtischen Stadion an der Grünwalder Straße war nicht nur für Allesfahrer und Hardcore-Fans eine willkommende Abwechslung zu Profi-Partien in der riesigen Arena am Stadtrand, die aus ihrer Sicht an manchen Spieltagen nur noch den Charme eines Opern-Besuches versprühen. Sie zahlen einen dicken Batzen Geld, setzen sich artig auf ihre Plätze und begutachten stillschweigend das Schauspiel auf der Bühne Bundesliga. Im Optimalfall geben sie vor, während und nach dem Spektakel noch etliche Euro an den Verpflegungsständen aus und kaufen den Fanshop leer.

Aktive Anhänger wie die Ultras kritisieren die Denkweise seit jeher. Angesichts wachsender kommerzieller Interessen sei die Fankultur schon lange auf der Strecke geblieben. Nicht am Dienstag im Grünwalder Stadion.

Der gastgebende Triplesieger verlangte fünf Euro für einen Stehplatz und zehn Euro für einen Sitzplatz. Jahreskartenbesitzer des FC Bayern kamen gar umsonst rein. 10.677 Fußballfreunde begutachteten nicht nur die Veränderungen in der sanierten Traditionsspielstätte und ein fußballerisch nur bedingt ansehnliches Spiel, sondern auch das Drumherum.

Derart lange Schlangen hatte es vor den historischen Kassenhäusern des "Grünwalder" lange nicht mehr gegeben. In der Spielstätte hatten die Bayern-Anhänger eine sehenswerte Choreographie zum Einlauf der Akteure vorbereitet. "Hermann-Gerland-Kampfbahn - Heimat der Bayern Amateure" war in weißen Lettern auf rotem Untergrund zu lesen. Beide Fan-Lager nutzten die konfusen Kontrollen an den Eingängen, um Pyrotechnik ins Stadion mitzunehmen und abzubrennen. Eine Grenze war erreicht, als in der 34. Minute blauer Rauch aus dem 60er-Tor aufstieg und Schiedsrichter Günter Perl das Spiel unterbrechen musste.

München-Rot und München-Blau waren organisiert, gleichwohl selbstredend getrennt zur Spielstätte marschiert, was zeitweilig für verärgerte Autofahrer sorgte und ein Durcheinander im Verkehr zur Folge hatte. Einer der 300 Bayern wurde festgenommen, er soll Pyrotechnik gezündet haben.

Mehr als 500 Löwen-Anhänger marschierten etwas später von der Heilig-Kreuz-Kirche gen "Grünwalder", nach Angaben der Polizei wurden aus der Gruppe heraus Böller und volle Flaschen geworfen. Verletzt wurde niemand. Ein Fan wurde festgenommen, er war vermummt. 350 Beamte waren im Einsatz.

"Es war sehr viel los", sagte Werner Kraus von der Polizei München tags drauf. Es seien sehr viele friedliche Fans unterwegs gewesen. Aber eben auch mehrere Fan-Gruppen, die sich aggressiv benommen hätten. Nach der Halbzeit sollen draußen verfeindete Fans Fahrräder aufeinander geworfen haben, nach dem Abpfiff am U-Bahnhof Wettersteinplatz aneinander geraten sein. Am Gästeeingang kam es zu Konflikten der "Sechzger" mit den Behelmten und Berittenen am Gästeeingang. Mehrere Menschen hätten laut Polizei versucht, ohne Kontrollen durch die Eingänge zu rennen.

Stimmt nicht, schrieben die 60-Fans im Internetforum loewenfreun.de. Es seien zu wenig Eingänge für 3500 Menschen geöffnet gewesen. Das Polizeipräsidium registrierte am Ende des Abends acht Festnahmen wegen Beleidigung, Widerstand, Sachbeschädigung und Körperverletzung.

Etliche Fans waren mit dem Vorgehen der Polizei nicht einverstanden. Die sei teilweise "martialisch und provozierend" aufgetreten, schrieb einer. Es sei trotz der Niederlage ein "geiles Derby mit grandioser Stimmung" gewesen, schrieb ein anderer. Beide Mannschaften hätten am 9. November ähnliches verdient. Dann ist das Rückspiel.

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