FC Bayern empfängt Dortmund:Lektion in modernem Fußball

Der FC Bayern ist wieder an Borussia Dortmund vorbeigezogen - und das vor allem aus drei Gründen. Spannend ist das Duell am Samstag dennoch, schließlich diskutiert die Bundesliga eine ewig junge Schlüsselfrage.

Ein Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Der Stachel saß tief. Jetzt ist er gelockert, gezogen ist er nicht. Zwei Spielzeiten lang hat der FC Bayern eine Lektion erteilt bekommen, um die er nicht gebeten hatte: eine Lektion in modernem Fußball. Und wenn es jetzt darum geht, diesen Titel, der keiner ist, die Herbstmeisterschaft, zu deuten, so sind es vornehmlich drei Gründe, die das gewaltige Punktepolster auf ein dicht gestaffeltes Verfolgerfeld erklären.

a) Die Motivation, die die Bayern tagtäglich aus der durchaus als ehrenrührig empfundenen Doppel-Meisterschaft der Dortmunder Borussen ziehen.

b) Die Kraft, die aus der Rotation erwächst. Bestens belegt dadurch, dass Bastian Schweinsteiger die Beine hochlegen durfte während seine Kollegen 2:0 in Freiburg siegten. Ausgeruht soll er am Samstag helfen, gegen die aufmüpfigen Borussen die Hierarchie endlich wieder so einzuloten, wie sie den Bayern in ihr Selbstverständnis passt.

Um sich eine solche Rotation leisten zu können, haben die Münchner den Kader im Sommer massiv aufgerüstet und ihr Geld-schießt-Tore-Prinzip risikoreich erweitert: Die Rekordablöse von 40 Millionen Euro floss nicht etwa für einen Stürmer, sondern fürs defensive Mittelfeld. Für Javier Martínez, dessen erste Aufgabe es ist, die Statik zu verbessern. Und der jetzt munter mit rotiert.

c) Das blitzschnelle und oft blitzgescheite Umschaltspiel. Die Energie dazu kommt aus a) der Motivation und b) der Rotation. Die Basis dazu wurde in der Ära des Louis van Gaal (2009 bis 2011) gelegt. Bei ihm schulten die Münchner den Ballbesitz bis nahe an die hundert Prozent. Das war am Ende ermüdend, weil es wie Zeitlupenfußball wirkte.

Die Bayern liefen mit eingeschaltetem Tempomat herum - vermisst wurde der Kavaliersstart, das Hochschalten vom ersten in den sechsten Gang. Trotzdem ist Ballbesitz die Basis für die Gegenwart, fürs Bayern-Modell der wechselnden Geschwindigkeiten. Ein Modell, das sich von zwei Niederlagen (Borissow, Leverkusen) nicht irritieren ließ, das mal zum Arbeitssieg und mal zur Gala bittet.

Im Geschäftsleben würde man von einem eindeutigen Fall der Industriespionage sprechen. Nicht nur hinter vorgehaltener Hand geben es ja selbst die Bayern zu: Dortmund hat es vorgemacht, Bayern hat abgeschaut, hoch investiert und neu justiert.

So sind sie erst einmal vorbeigezogen, was dem Duell am Samstag nicht die Spannung nimmt. 203 Länder, auch das ein Rekord, wollen live zugeschaltet sein, wenn die Bundesliga eine ewig junge Schlüsselfrage diskutiert. Was ist besser: Original oder Kopie?

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